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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 77-89 (3. Juli - 31. Juli)
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für Stadt X_X and LkWd. NesLBL-dr-^L
77 Dienstag, den 3. Juli 1866.

* Der Pfalzer Bote.
Zum fünften Male ist unser Blatt confiscirt worden —
wir wissen nicht, welches Schicksal uns heute bevorsteht. Nach
dem durchaus gemäßigten Tone, der in der letzten Nummer des
Boten durchklang, zu schließen, dürfen wir uns auf abermaliges
Einschreiten gefaßt machen. Unser von allen Parteien als durch-
aus veraltetes und den Anforderungen unserer Tage keineswegs
mehr entsprechendes Preßgesetz wird nach seinem vollsten Wort-
laut zur Anwendung gebracht; denn es kann keinem Zweifel
mehr unterliegen, daß der Sinn der letzten ministeriellen Preß-
verordnung jede Opposition gegen das dermalige Regime und
dessen Träger vollkommen ausschließt. Ob eine derartige Strenge
gegen die Presse mit dem Geiste constitutioneller Rechtsstaaten
und den unzähligen Redensarten in der Kammer über die Frei-
heit der Presse vereinbar ist, überlassen wir Andern zur Beur-
teilung; wir unsrerseits gestehen offen, so seltsam es klingen
mag, daß mir uns in den letzten Tagen lebhaft nach der Censur
zurückgesehnt haben, die doch den Vortheil bietet, daß das Miß-
fällige einfach vor der Ausgabe des Blattes herausgestrichen
wird, während diese Art von Preßfreiheit, wie sie das leider
noch bestehende alte Gesetz gewährt, jede auch noch so harmlose
oppositionelle Aeußerung nach seinen vagen, vieldeutigen Be-
stimmungen vor Gericht zu schleppen vermag, nachdem vorher
noch der Satz mit Beschlag belegt und so den Lesern die Lektflre
des ganzen Blattes entzogen ist.
llebrigens darf der Pfälzer Bote sich schmeicheln, daß er
endlich einer höheren Beachtung für würdig erklärt wird, nach-
dem man ihn anscheinend so lange gleichgültig hatte bei Seite
liegen lassen; die scharfen Hiebe der letzien Wochen müssen arg
wehe gelhan haben, und da die offizielle Karlsr. Zeitung es von
jeher vornehm verschmäht, die gegen das jetzige Regime gerich-
teten Angriffe zu widerlegen oder dieses Geschäft vielleicht auch
zu schwierig findet, so muß der Staatsanwalt und der Polizei-
kommissär mit Gründen, die unanfechtbar sind, die Recht-
fertigung der angegriffenen Zustände und Personen mit Energie
in die Hand nehmen. Wir können indessen unseren Lesern die
Versicherung geben, daß wir — unbekümmert um Drohungen,
Prozesse und Kosten — nach wie vor mit derselben Kraft und
Ueberzengurgstrene die Fabne Hochhalten werden, der wir zuge-
schworen, und daß der Pfälzer Bote eher stirbt, als sich zu
Füßen legt. Andererseits aber glauben wir im Interesse unsrer
Leser, denen die allzu häufigen Confiscationen störend werden
müßten, die weitere Versicherung geben zu können, daß wir mit
möglichster Vorsicht uns benehmen werden. Nicht alle leitenden
Größen haben die Rhiuoeeroshaut, in deren glücklichem Besitz
Herr Bluutschli zu sein sich brüstet, und wenn wir diesem oder
jenem empfindlich gewordenen Herrn fortan im Pfälzer Boten
etwas nachsichtiger zu Leibe steigen, so gibt es andere Kanäle
genug, durch bereit Vermittelung wir denen, die nun einmal
nach ihrer Vergangenheit das Vertrauen des großdeutschen Mannes
nicht Zu genießen vermögen, unsere Herzensmeinnng kund thun
können. Eilte Reihe von bundestreuen Blättern andrer deutschen
Staaten haben uns bereits — wie früher — so jetzt noch mehr
ihre Spalten zur Verfügung gestellt, um ein System der öffent-
lichen Kritik zu unterwerfen, das nach seiner neuesten Verord-
nung und den dawit verbundenen Maßregeln zu schließen, gegen
jeden Widerspruch sich äußerst empfindlich zeigt. Wir sagen den
großdeutschen Redaktionen jener Blätter unfern aufrichtigsten Dank
für die Bereitwilligkeit, nut welcher sie uns entgegengekommen
sind. Den Herren in Karlsruhe wollen wir aber nur Eines zu
bedenken geben. Nach unserer schlichten Ansicht sollten wir meinen,
es müsse jeder Regierung daran gelegen sein, die Stimmung aller
Parteien des Landes durch die Presse kennen zu lernen, um aus
diese Weise ein übersichtliches Bild über die verschiedenen Ansichten
der Bevölkerung zu erhalten. Will man dies nicht, so nimmt man
geradezu eine politische Unfehlbarkeit für sich in Anspruch, die auch

dem größten Politiker und Staatsmann schlecht ansteht. Auch
wollen wir gerne bekennen, daß wir von unsern Gegnern in der
obersten Leitung des Staates eine größere Meinung hatten, als
daß sie ausschließlich an dem Weihrauch und der byzantinischen
Schmeichelei ihrer Amtsverkiindigungsblätter und der sauberen
Landesbase Geschmack finden könnten.
Zum Schlüsse aber noch ein Wort der Landesbase, dem
Mannheimer Journal und den andern Verkündigungsblättern
gegenüber, die sich die Frechheit herausgenommen haben, unsere
Partei hochverräterischer Umtriebe, namentlich nach Abzug des
Militärs auf den Kriegsschauplatz, zu Zeihen. Wir haben schon
viele Lügen und Verdächtigungen der gemeinsten Art über
uns ergehen lassen müssen, wir haben häufig dazu gelacht
und höchstens unsern. Spott den Verläumdern entgegengesetzt.
Noch nichts aber hat uns so tief geschmerzt und empört, als
dieses Uebermaß der Gemeinheit. Wir haben stets offen und
aufrichtig der Regierung und den Kammern angerathen, einen
völlig bundesgemäßen, gcoßdeutschen Standpunkt einzunehmen,
und jetzt wo unser Wunsch durch die Lage der Dinge erfüllt
scheint, sollten wir in der perfidesten Weise dem badischen
Staate schwere Gefahren bereiten! Wahrlich, hätten wir als
Feinde an Baden handeln wollen, so würden wir einfach—statt
aufis Aeußerste dagegen anzukämpfen — den Antrag Blunt-
schli's auf unbedingte Neutralität und die famose imponirende
„Stellung unserer Truppen bei Rastatt," wie sie die Landes-
base der Regierung anrieth, vertheidigt haben; denn keinem
Unbefangenen kann es entgehen, daß mit der Annahme dieser
Anträge Baden vom Bunde mit Exekution heimgesucht worden
wäre und das Schlimmste zu erwarten gehabt hätie. Darnach
ist es klar, wo die Unglücksvögel und die Verrälher zu suchen
sind; die Correspondenten jener Blätter aber, die uns der
schändlichsten Absichten angeklagt haben, um die Donnerkeile
von Oben — statt auf ihr schuldiges Haupt — auf uns ab-
zulenken, erklären wir so lauge, bis sie den Beweis der Wahr-
heit ihrer Behauptungen gebracht haben, für infame Zchurken
und Süden.

B K e K.
* Heidelberg, 30. Juni. Die Herren Minister haben am
Schluffe des Landtages ihren Wunsch nach Versöhnung der
Parteien zu erkennen gegeben. Daß nun die Bad. Landeszeitung
fortwährend darauf ausgeht, den Haß von sich und ihrer gothaer
Partei auf die großdeutfchen Katholiken abzulenken, um auf diese
Weise unsern Widerstand herauszufordern, was uns dann als Un-
versöhnlichkeit ausgelegt wird, kann freilich Niemanden zur Last
gelegr werden, da wir nicht wissen, ob oder in wie weit dieses
Blait in Beziehungen zu den leitenden Kreisen steht. Wenn
aber amtliche Verkündigungsblätter, wie der Odenwälder Bote,
die heftigsten Ausfälle der Landeszeitung, wie z. B. in einem Auf-
rufe „an die Bürger Badens", gegen unsre Partei abdrucken, wo
es u. A. heißt: „weist streng unerbittlich zurück ihr Bürger Badens,
jene schmachvollen schwarzen Bundesgenossen oder „weiset mit
Schmach und Schande zurück jene brudermörderifche Rotte" re.
— wo bleibt da die Rüge? Wie kann Versöhnung stattfinden,
wenn wir uns in dieser Weise straflos angegriffen sehen, während
wir selbst jedes unserer Worte, das als Entgegnung dienen soll,
ängstlich auf die Waagschale legen müssen? Wir werden doch
auf gleiches Maß Anspruch machen dürfen?
x Heidelberg, 30. Juni. Bei der letzten Beschlagnahme
unsres Blattes trieb sich der unvermeidliche Bluntschli in un-
vermeidlicher Weise in der Nähe unserer Druckerei herum, um
mit innerem Seelenvergnügen die polizeiliche Entfernung unseres
Blattes mitanzusehen, das ihm schon so viele vernichtende Schlä-
ge beigebracht und den politischen Bankerott dieses Fremdenlegio-
närs eingeleitet hatte. Wir haben nicht die Absicht weitere Re-
flexionen an die erzählte Thatsache zu knüpfen; von Takt vollends
 
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