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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 116-128 (2. Oktober - 30. Oktober)
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Donnerstag und Samstag.

für Stadt


Bote

M Land.

Preis: Vierteljahr!. 40 kr. ohne Träger-
lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.Z.


1866.

Dienstag den 16. October



* Zur Lage,
i.
„Das napoleonische Kaiserreich geht mit starken Schritten
seinem Ende entgegen," schreiben die Blätter der verschiedensten
Parteien. Und mit Recht. Gar viele quälende Sorgen stören
den nächtlichen Schlummer in den Tuilerien und ein blasses
Gespenst klopft mahnend an die Pforte des Mächtigsten, der
sich so gerne als ein Stück „Vorsehung" betrachtet wissen wollte
und nun doch so hülflos sein Leiden trägt. Kaiser Napoleon
ist in der That schwer krank und auch die officiellen Mit-
theilungen, die das Gegentheil sagen, können jetzt selbst den
Leichtgläubigsten nicht mehr täuschen, seitdem es bekannt ist,
daß der berühmte Operateur Langenbeck von Berlin einen
Ruf zum Kaiser en alten hat. Auch soll der kaiserliche Leibarzt
Dr. Nelaton, wie Privatmütheilungen wissen wollen, schon
vor Wochen seine sämmtlichen Staatspapiere in liegende Güter
umgewanoelt haben, was allerdings bezeichnend genug wäre.
Wie lange die Krankheit des Kaisers dauert — er leidet be-
kanntlich am Blasenstein — und wer oder welche Staatsform
ihm folgen wird, wer kann es wissen? Das Wahrscheinlichste
ist, daß der Bonapartismus mit Napoleon III. zu Grunde
geht und daß die demokratische Partei nochmals alles Mögliche
aufbieten wird, Frankreich zur Republik umzugestalten. Die
Franzosen lassen sich lange die innere Freiheit durch den äußern
Erfolg abkaufen, aber wenn letzterer fehlt, ist die Geduld zu
Ende. Und daß Napoleon am Abende seines Lebens das Ueber-
maß seines früheren Glückes eilenden Schrittes entrinnen sieht,
wer möchte dies in Abrede stellen? Amerika, der deutsche Krieg,
die Dinge im Orient sind sprechende Beweise hierfür.
Am verzweifeltsten sieht es in Mexico aus, welches das
Spanien des zweiten napoleonischen Kaiserreichs zu werden
droht. Mit fliegenden Fahnen und fliegenden Hoffnungen hatte
Napoleon seine tupfern Truppen hinübergesendet, als die große
amerikanische Republik iu zwei Hälften getheilt sich selbst zer-
fleischte. Von Mexico aus sollte, wenn die kriegführenden Theile
der Union ermattet und zerschlagen zu Boden lägen, der Cäsaris-
mus auch das Land Wasyingwn's verschlingen und auf diese
Weise den imperialistischen Despotismus in beiden Welttheilen
zur ausschließlichen Geltung bringen. Die Voraussetzung des
fortdauernden Schwankens der Dinge in den Vereinigten Staa-
ten und des elenden Zugrundegeheus beider Theile hat sich als
durchaus falsch erwiesen — Amerika steht stärker da als zuvor

und mit seinem Emporstreben ist die französisch-mexikanische
Kaiserschöpfung verloren. 50,000 Soldaten und viele Millionen
hat Frankreich bereits nutzlos für die Erhaltung des mexikani-
schen Thrones geopfert, und jeder Tag kann die Kunde bringen
von einer gewaltigen Katastrophe. Zwar ist die Kaiserin von
Mexico nach Europa geeilt, um Napoleon um neue Hülfe an-
zuflehen — vergebens! er kann sie nicht mehr leisten, er muß
selbst suchen, wie er sich mit heiler Haut aus der Sache zieht,
noch ehe die Amerikaner, die jetzt schon in Hellen Haufen unter
den Fahnen des Präsidenten Juarez dienen, fein französisches
Corps gefangen nehmen oder in's Meer werfen. Die Kaiserin
ist wahnsinnig geworden, wahnsinnig zu den Füßen des hei-
ligen Vaters in Rom, dem sie ihre Noth klagte. Aber
ihr Gemahl hält noch mit habsburgischer Zähigkeit, die sich so
oft schon glänzend bewährt hat, aber nur im letzten Sommer
ihren Aufenthalt nicht in der Wiener Hofburg hatte, an fei-
nem wankenden Throne fest und läßt den Thatsachen zum Trotz
verkünden, daß Alles vortrefflich in seinem Reiche bestellt sei.
Er thäte besser daran, mit feinen österreichisch belgischen Werbe-
truppen und dem französischen Hülfscorps zurückzukehren, aber
die tiefe Scham hindert ihn daran, weil er sich trotz den War-
nungen von allen Seiten und trotz den Einreden der kaiserli-
chen Familie und seines kaiserlichen Bruders Franz Joseph zu
! diesem lächerlichen Abenteuer hatte hinreißen lassen. Lebhaft
mag er wohl auch jetzt die Schmach empfinden, daß er, der alt-
legitime Habsburger, sich zur Creatur eines bonapartischen
Parvenü hergegeben hatte, der ihn ebenso rasch wieder fallen
läßt, als er ihn auf den unseligen Auch thron — um eine vor-
treffliche, an das griechische alxlla xrivutivuro erinnernde Be-
zeichnung unserer Parteipresse zu gebrauchen — erhoben hatte.
Wir sehen von dieser Seite her den wichtigsten Ereignissen in
nächster Bälde entgegen.
lieber Napoleons Absichten bei Ausbruch des deutschen
Krieges und deren Vereitelung am Schluffe desselben haben wir
wiederholt unsere Ansicht kundgegeben uns können daher hierüber
hinweggehen. Es genügt zu bemerken, daß Napoleon hier in
die nämliche falsche Schlußfolgerung verfiel, wie bei feinem
Eingreifen in Amerika: er setzte einen langen, ermüdenden,
beide kriegführenden Theile aufreibenden Krieg voraus, dessen
Ende ihm den alleinigen Gewinn zuführen und die französische
Herrschaft über Europa — direct oder indirect — zum Ziele
führen werde.

irrste, zweite und drrtte Ltteoe.
Eine Erzählung von Wilhelm Fischer.
(Köln. Ztg.)
(Fortsetzung.)
Hier war mehr, als selbst das wackere Lenchen leisten konnte, antwortete
er, und man mag sagen, was man will: die Männer scheuen das Reinigen
und Neben die Reinheit. Ein Hauch der Ordnung, der Frische und der
Häuslichkeit wehte mir aus den einfach edlen Räumen entgegen. Das war
eine holländische oder, um ein uns näher liegendes Epitheton zu gebrauchen,
eine bergische Reinlichkeit. Selbst meiner Mutter Herz würde fts erfreut
haben, die schneeweiße Bettspreite abzuheben und das untadelhaft gemachte
Bett zu sehen. Decke und Laken gehörig eingesteckt, und all die Kleinigkeiten,
welche wir Männer nicht kennen, aber wohl empfinden. Wie gewaltig ich
auch Morgens bei meiner täglichen Abwaschung gepustet und gesprudelt
hatte, Mittags war die Marmorplatte wieder blank und trocken, die Wasser-
fiasche glänzte wie Krpstall und am geschliffenen Glase klebte kein Fleckchen
der Seife oder Zahnpasta mehr. Die Stiefel hatten ihren Platz und jedes
Ding seine Stelle; ich konnte die Bürste im Dunkeln finden und meine
Pantoffeln um Mitternacht, nots, dene wenn ich nicht der Sünder gewesen
war und die heiligen Satzungen verletzt hatte. Aber auch dann war bald
darauf wieder Alles im Gleichgewicht, wie du die Wellen eines Weihers
zwar mit dem Ruder aufregen, aber nicht dauernd zu Hügeln und Thälern
gestalten kannst; sobald die Störung weicht, stellen sie den ruhigen Spiegel
wieder her. Und mein Wohnzimmer gar! Meine Bücher standen der Be-
quemlichkeit halber auf einem offenen Gestelle, aber so wohl ist ihnen noch
me geworden, so hat man sie noch nie gegen den Staub vertheidigt. Die
dunkeln Möbel glänzten immer wie Spiegel; ich konnte mit frisch gewaschener
Hand, ja, mit der reinen Manschette unbesorgt über Schrank und Commode,

selbst hinter das Sopha fahren. Komisch berührte mich dabei die Erinne-
rung an jene vergnügte Magd in Bonn, die mir bei ihrem unfreiwilligen
Austritte aus dem Dienste ganz leserlich: „Leben Sie wohl, lieber Herr
Pylades!" in den Staub auf dem Pianino schrieb und ihren Namen, guusi
1-6 bene §68ta, kühn darunter. Doch ich werde weitschweifig; aber ich kann
dir kaum deutlich genug schildern, wie heimisch ich mich in dieser Wohnung
fühlte, zumal da das Fegen, Scheuern und Ordnen ruhig, meist während
meiner Bureaustunden geschah. Ich hatte auch Blumen im Studierzimmer,
deren Pflege ich jedoch ausdrücklich mir vorbehie.t, eben so wie die eines
munteren Karnarienvogels. Den hatte ich mir angeschafft, damit mir der
Winter noch frühlingsartiger vorkäme, und sein lautes Schmettern hat mich
oft ergötzt.
Das ist alles gut und wohl, aber ich höre noch immer nichts von der
eigentlichen Geschichte.
Geduld, ich spreche ja fortwährend davon. „Wo Engel weilen, da ist
der Himmel", singt der Dichter; kannst es herumdrehen und sagen: Wo
ein Himmel ist, da weilt auch ein Engel! und so war's hier, aber meine
blöden Augen sahen ihn nicht. Zwar hatten mich einige Bekannte gleich
Anfangs, als sie meine Wohnung erfuhren, mit der frommen, schönen
Bertha geneckt....
Bertha heißt sie, es ist ja wahr, sagte ich; nun, mit den A's hast du
kein Glück gehabt.
Und darum jetzt B. gesagt, ja wohl; die Bertha sah ich wohl, allein
die schöne nicht. Als ich eines Vormittags unerwartet vom Bureau auf
mein Zimmer sprang, traf ich daselbst neben der rüstigen Magd das stille,
schlichte Mädchen an, welche^ ich als Fräulein Müller kannte. Ich machte
ihr natürlich mein Compliment über ihren Fleiß und sprach meinen Dank
! für die Ehre aus, ihrer Fürsorge gewürdigt zu werden. Und gerade hier,
wo man einmal keine bloße Schmeichelei, sondern etwas Angenehmes aus
! innerster Ueberzeugung sagte, fand es keinen Anklang. Sie warf mir einen
 
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