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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 77-89 (3. Juli - 31. Juli)
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Bote

Pfalzer

Preis: merteljährl. 40 kr. ohne Träger-
lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2kr. d.Z.

88. Samstag den 28. Juli 1866.

An das deutsche Bolklch
Eine Anzahl Anhänger der preußischen Oberherrschaft in
Deutschland, zmu Tbeile Mitglieder nord - und mitteldeutscher
Kammern, wendet sich in einer Ansprache an den Süden und
nluthet ihm zu, unter hochtöuenden Phrasen, deren Inhalt die
verwerflichste Sophistik birgt, das Recht auszugeben und sich auch
an den Triumphwagen der Gewalt heranzudrängeu.
Dieser beleidigenden Einladung stellt der unterzeichnete Aus-
schuß Nameus der gesammten deutschen Volkspartei, im Süden
wie im heute mundtodt gemachten Norden die entschiedenste Ver-
neinung und eine Absage aller Gemeinsamkeit entgegen.
Schon aus deiu Grunde müßten wir sie verwerfen, weil neben
der preußischen Kammer, die nie der Bismarck'schen Eroberungs- j
Politik eüt Veto zuzurufen wagte, neben dem preußischen Volke, j
das den Versassungsbruch widerstandslos über sich ergehen ließ,
ohne sich zu der gebotenen Thal zu erheben, das seine eigenen
Massenproteste gegen den Krieg im gegenwärtigen Siegestaumel'
vergessen zu haben scheint, die Hauptschuld an der verhängniß- ;
vollen Lage des Vaterlandes jette wohlbekannten Nationalvereins- j
agitatoren trifft, welche die übermüthigen Hoffnungen des Bo-
russenthums großziehen halfen.
Diese Partei triumphirt zwar heute, auf die militärischen
Erfolge pochend, und meint, daß unter ihnen auch die Demokra-
tie erlegen sei. Als ob diese für die bisherige Kriegführung ver-
antwortlich wäre! Als ob die Demokratie, welche den Zweck
des Krieges, die Abwehr ver großpreußischen Vergewaltigung
noch heute als berechtigt anerkennt, damit auch die matte Kriegs-
weise der bundestreuen Regierungen billigte! Unser Rus nach der
allgemeinen Wehrpflicht, nach einer energischen Zusammenfassung
der militärischen Kraft der Mittel- und Kleinstaaten ist leider zur
rechten Zeit nicht gehört worden; heute treten die von uns lange
vorher verkündigten Folgen zu Tage. Preußen siegt nur durch
seine Heeresmassen, durch die Anwendung des von ihm freilich
gefälschten großen Prinzips der allgemeinen Wehrpflicht. Wie
auch der Krieg ausgehe, das alte System der stehenden Heere
muß einer volksthümlichen Wehrverfassung weichen. Doch ein
Appell an das Volk, das ist unsere heiligste Ueberzeugung, könnte
noch jetzt das Mißverhältnis; der Kräfte ausgleichen.
Unter allen Umständen aber erheben wir fort und fort den
Ruf: Keine Hegemonie, weder die Preußens, noch die
Oesterreichs! Am wenigsten kann uns der auf Kosten Mittel- und
Süddeutschlands geführte Raubkrieg, mit seinen an Bruderstäm-
men vollzogenen Erpressungen und Gewaltsmaßregeln, über welche
die Nachwelt nur ein Uriheil der Verdammung anssprechen wird,
zum Uebertritte bewegen, noch uns die von Heuchlern oder Be-
thörten herumgebotene Hoffnung einflößen, daß in Preußen jetzt
eine freisinnige Wendung eintreten werde! Soll uns vielleicht
das bestechen, daß einige früher klangvolle Namen herangezogen
werden, um dem Ministerium Bismarck ein Aushängeschild zu
verschaffen? Worauf will man die thörichte Hoffnung einer
neuesten Aera in Preußen bauen? Steht Bismarck nicht befestig-
ter da als je? Verfügt er nicht über die Mehrheit einer auf
drei Jahre gewählten Kammer? Würden die Parlamentswahlen,
heilte iinter dem „Schlitze" der preußischen Bajonette vollzogen,
nicht in ihrer Mehrheit großpreußisch ausfallen? Das Haus
Hohenzollern, das die Freiheit nicht vor dem Kampfe gab, dessen
Politik ohne das Volk siegte, soll jetzt nach dem Siege Freiheit
spenden? Keine Täuschungen! Keine Hegemonie!
Wir wollen noch hellte das gesummte Deutschland, ge-
gründet auf die Freiheit und Gleichberechtigung aller Glieder;
wir wollen weder Deutschösterreich verlieren, noch uns vom
*) Diesen uns zugekommenen patriotischen Aufruf, als dessen Ver-
fasser Dr. Eckardt gilt, veröffentlichen wir mit um so größerer Freude, als
wir nicht blos mit den darin ausgesprochenen Grundsätzen vollkommen
übereinstimmen , sondern auch als das einzige großdeutsche Organ in die-
siger Stadt die nächste Verpflichtung zur Veröffentlichung haben.
Die Red. des Pfälzer Boten.

preußischen Volke trennen. Eine gemeinsame Unterordnung des
Nordens und Südens unter die deutsche Idee ist noch heute
der Boden der Versöhnung. Ihr, aber auch nur ihr würden
wir uns sofort unterwerfen.
Wollen unsere Gegner aber ein Großpreußen und nicht
Deutschland, dann machen sie eine Mainlinie, eine Zwei- oder
Dreitheilung des gemeinsamen Vaterlandes, nicht mir. Dann
dienen sie nicht mehr der deutschen Einheit, sondern der deutschen
Zerrissenheit in ihrer schlimmsten Form. Dann sind sie es, die
uns auf den Weg der Nothwehr drängen, zu der Rettung
des deutschen und freiheitlichen Gedankens in
einem süddeutschen Bunde Zwingen, der — mit Parla-
ment und Centralgewalt ausgerüstet, auf die Grundrechte und
eine der schweizerischen nachgebildete Heeresverfassung gebaut
— nimmermehr ein Rheinbund würde, nimmermehr an Frank-
reich sich anlehnte, das deutsche Banner vielmehr so hoch hielte,
daß wir der Rückkehr der abgefallenen Brüder ruhig entgegen-
sehen könnten.
Nimmer wird man uns zu Knechten eines cäsarischen
Despotismus machen können. Wir rufen — im Angesichte
von Europa — den großen Gedanken der Zeit an: die Selbst-
bestimmung der Völker! Wir haben das Recht dazu, auch
wenn wir überwältigt würden; denn nicht wir sind es, welche
die Entscheidung des Krieges herausgefordert; wir sind die An-
gegriffenen. Unser Recht ist durch das Kriegsglück des Gegners
nicht verwirkt.
Sollten die Waffen gegen uns entscheiden, sollten die Für-
sten in unglückseliger Verblendung lieber Vasallen werden, als
an die Spitze freier Völker treten wollen, sollte das preußische
Junkerthum höhnend über ganz Deutschland hinziehen, dann
würde gerade dieser Krieg mit seinen Folgen beweisen, daß
nur die Freiheit eine echte und dauernde Einheit begründen
kann.
Der Sieg des Cäsarismus wäre erkauft — nach Außen:
mit der Preisgebung deutschen Bodens im Westen und Süden
(Rhein und Triest), mit den; wirklichen Verrathe an das Aus-
land, den die Großpreußen schweigend hinnehmen, während sie
die Welt mit einem Tendenzgeschrei über den möglichen
Verrath Oesterreichs erfüllten, mit der wahrscheinlichen Vernich-
tung des freien Belgiens und der Beraubung der Schweiz, —
nach Innen: mit der Herrschaft des Säbels, der Erlödtung
der letzten Freiheit, einer Reaktion mit Blut und Eisen.
Wir foroern unsere Gesinnungsgenossen, das ganze bundes-
treue Volk auf, mit aller Energie der feigen oder perfiden Agi-
tation um einen faulen Frieden zu steuern und die Volksbe-
waffnung im ausgedehntesten Maße zu betreiben.
Ein „ehrenvoller Friede" ist eine gleißnerische Parole un-
serer Gegner; er bedeutet bedingungslose Unterwerfung unter
Preußen; das Losungswort, an dem wir uns erkennen wollen,
sei der ehrliche Krieg als der sichere Weg zu einem dauern-
den Frieden und einer zukünftigen freiheitlichen Entwicklung im
Innern/
Ein jeder andere Friede, uns heute aufgezwungen, wäre
für Deutschland eine Schmach, für uns ein Waffenstillstand.
Die Fahne, zu der wir stehen, würde für Tage zusammengerollt,
aber nicht übergeben.
Der Freiheit gehört die Zukunft. Die Freiheit blickt nach
vorwärts; schon darin liegt die Bürgschaft des endlichen
Sieges.
Daher Muth, deutsches Volk, Vertrauen zu Dir selbst! Nimm
Deine Geschicke in Deine eigene Hand und lerne vom Gegner
nur Eines, den Werth der That!
Stuttgart, 21. Juli. I8.-6.
Der provisorische Ausschuß der deutschen Volkspartei:
Kolb. Rockel.
 
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