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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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Die Auchliberalen und der Volksgeldbeutel.
In verschiedenen dem jetzigen Regime ergebenen Blättern
wird ein gewaltiger Lärm gemacht über den blühenden Stand
unserer Finanzen und die Überschüsse, die in der Staatskasse
vorhanden seien, ohne daß man nöthig gehabt habe, eine
Steuererhöhung eintreten zu lassen. Das liest sich alles recht
schön und die Wenigsteil sind im Stande oder haben die
Luft dazu, die verwickelten Rechenexempel im Einzelnen durch-
znstudiren. Angesichts unserer keineswegs rosigen bäuerlichen
Verhältnisse wäre eine Stenererhöhung im gegenwärtigen
Augenblick auch nichts weniger als am Platze, vielmehr
haben wir eine Steuerverminderung erwartet, die
recht wohl, wenn man sparsam mit dem Volksgeldbeutel umgeht,
durchgesührt werden könnte, besonders wenn man erwägt, daß
durch die außergewöhnlich erhöhten Sporteln, Vie dein Recht-
suchenden die Erlangung seines Rechts erschweren, dem Staate
eine bedeutende Mehrsumme zufließt, ebenso durch den Wegfall
des Witthums der verstorbenen Frau Großherzogin Sophie wie
der Fran Markgräfin Wilhelm, endlich aber durch die neue !
Katastrirung der Waldungen, wozu bald die des landwirtschaft-
lichen Geländes hinzutritt, und vor allen Dingen endlich durch die
neue Einschätzung der Gebäude, die eine außergewöhn-
lich große Summe in die Staatskasse bringen wird. Bei der
jetzigen allgemeinen Geldklemme, die voraussichtlich noch längere
Zeit anhalten dürfte, und bei den ganz trostlosen Verhältnissen
unserer Landleute im Geldpunkte sollte man diese neue Gebäude-
einschätzung, die die Häusersteuer auf beinahe das Doppelte
des bisher Entrichteten hinauftreiben wird, mindestens noch
einige Zeit ruhen lassen oder andere drückende Steuern dafür
heruntersetzen. Die Herren, die in ihren Büreaux sitzen und
Rechenexempel machen oder die im wohldurchwärmten Zimmer
bei Cigarre und lieblichem Wein schöne Aufsätze über das Wohl
der Menschheit und die „fortschreitende Entwickelung unserer
Zeit" in die Zeitungen schreiben, wissen freilich nicht, wie es
draußen aussieht, weil sie das Volk und dessen Roth und Be-
drängnisse nicht kennen. Sonst müßten sie wissen, daß oft
wenige Kreuzer in sonst wohlhabenden Haushaltungen auf dem
Lande im gegenwärtigen Augenblick kaum auszutreiben sind, sonst
müßten sie ferner wissen, daß unsere Pfälzer Tabaksbauern bei den
schlechten Tabakspreisen ganz erbärmlich daran sind, nach der
ungeheuren Mühe und Anstrengung, die sie beim Bau jenes
Handelsproduktes nöthig gehabt haben, sonst müßten sie wissen,
daß die Handels- und Schacherjuden, der Krebsschaden unserer
Zeit, den Bauern fest an der Kehle sitzen, sie bis aufs Blut
peinigen und immer tiefer in die Kreide bekommen. Davon wol-
len aber natürlich die Herren der auchliberalen Zeitungspresse
nichts hören, weil sie selbst nicht im Schweiße ihres Angesichtes
in sengender Sonnenhitze wie in Regen und Schnee ihre Felder,
die freilich im Mond liegen, bestellen müssen; davon wollen sie
auch deßhalb nichts wissen, weil die von ihnen gehätschelten He-
bräer ihre besten Bundesgenossen sind gegen die „jesuito-katholi-
schen" und „altgläubig-protesta:ttischen" Bauern, denen man auf
den Schädel hauen muß, wie sie sagen, den „dummen Gimpeln."
Seht Ihr, Ihr Landleute, mährend die fortschrittlichen
Zeitungsschreiber kein Wort der Theilnahme für Eure Lage
haben und Euch aus indirekte Weise gerne noch mehr Steuern
aufhalsen wollen, ohne daß dabei von einer eigentlichen Steuer-
erhöhung die Rede sein kann, da kommen sie in ihrer Landes-
zeitung und lamentiren ganz entsetzlich, daß die Beamten noch
nicht genug Besoldung hätten oder daß sie wenigstens in ihren
Ruhegehalten (Pensioneni ausgebessert werden müßten. Bisher
nämlich wurde ein Fünftel der Besoldung bei Pensionirungen
nicht eingerechnet; jetzt solle die volle Besoldung bei den Ruhege-
halten in Berechnung kommen. Wir haben einen ganz ungeheu-
ren Pensionsetat, der durch die neue Aera noch bedeutend erhöht
worden ist, indem man im Civil- wie namentlich auch im Mili-

tärdienst eine Menge noch ganz rüstiger Leute zur Ruhe gesetzt
hat, die noch manche Jahre gute Dienste thun könnten. Mit
der Erhöhung der Pensionen werden wir aber noch mehr Pen-
sionäre erhalten; denn die Herren werden sich vor der Zeit
beeilen, das ckolas bar nisvcks, wenn es ebenso gut bezahlt
wird, den Lasten der Geschäfte vorzuziehen. Zudem dürfen wir
nicht vergessen, daß die neuen Organisationen das Heer der Be-
amten so arg in die Höhe getrieben haben, daß man — während
früher der größte Ueberfluß an Juristen herrschte — jetzt schon da-
ran denken muß, die nicht mehr ausreichende Zahl durch Be-
rufungen aus dem Ausland, (wahrscheinlich aus Brandenburg und
Hinterpommern) zu ergänzen. DieHerren Beamten dürfen sich aber
schließlich noch um so weniger über ihre Besoldungsverhältnisse be-
klagen, als sie erst vor Kurzem wesentlich aufgebessert worden
sind, so daß sie in Baden so glänzend für ihre Geschäfte bezahlt
werden, wie in keinem andern deutschen Lande, und zwar nicht
etwa nach jahrelangen: Voloutiren, wie die preußischen Aus-
eultatoren und Referendäre, sondern sofort nach zurückgelegtem
Staatsexamen. Wissen wir doch eine Masse äußerst jugendlicher
Flaumbärte, die als Amtmänner, Amtsrichter u. s. w. fungiren,
ja erst kürzlich ist man allgemein erstaunt gewesen, einen jungen
Mann ins Ministerium des Innern berufen zu sehen, der nach
der geringen Zahl seiner Lehrjahre schwerlich große praktische
Erfahrungen gemacht haben kann. Möglich, daß diesen jungen
Leuten in ihren: großen Eifer für die neue Aera ebenso große
Verdienste zugeschrieben werden, wie man von gegnerischer
Seite den jungen „Kaplänen" auf unserer Partei beizumessen
die Gewogenheit hat -— jedenfalls ist so viel sicher, daß die
Veamtenjugend, die jetzt schon an Alterszulage und Pensioni-
ruug denkt, alle Ursache hat, mit dem ihr Gewährten dankbar
zufrieden zu sein und den Volksgeldbeutel nicht als ein ihr
zinsbares Dukatenmännchen oderTischchen-deck-Dich zu betrachten.
Nein, nur nichts bewilligt! Hebt die Hand auf den Geld-
beutel, Ihr Volksvertreter! Aber freilich, das Vertrauen des
Boten zur Volksvertretung ist schwach; denn die meisten Depu-
, tirten sind ja selbst Beamte, wenn sie sich auch vorübergehend
als bürgerliche Weinhändler maskiren, und als Beamte wollen
, sie doch auch einmal pensionirt werden! Dagegen wüßte der
Bote etwas Besseres mit dem verlangten Geld anzufangen, wo-
rauf er nicht oft genug zurückkommen kann. Die studirten
Büreaukraten haben im Ueberfluß genug, dagegen darben die
niederen Angestellten. Gebt das Geld, das die Landes-
base und Eons, für die Vornehmen verlangt, den Leuten aus
dem Volk, gebt es den Conducteuren, Bahnwärtern, Post-
boten, Gensdarmen, Polizeidienern u. s. w. und helft da, wo
es zu helfen wahrlich die höchste Zeit ist! Das allein wäre wahr-
haft liberal und demokratisch gehandelt, wovon die Landes-
base freilich nichts wissen will, denn sie wird von der Beamten-
schaft geliebkost und gehätschelt; sie ist deshalb ein auchsrei-
sinniges Büreaukratenblatt!
Zum Schluß noch ein Wort an die Mordbase, die alle
„Schwarzen" gerne todtschlagen möchte, wie sie selbst einmal
im aufgeregten Zustand zu allgemeinem Ergötzen beim Trockner:
ihrer Schwarzwäsche am Landgraben ausrief. Der „höhere"
Schulmeister, der d:e Geschäfte der Base besorgt und am Land-
graben Gimpel sängt, hat es nicht übers Herz bringen können
— wie's bei einem Schulmeister auch gar nicht anders möglich ist
— selbst seinen Feinden den Styl zu corrigiren und sie freund-
lich auf sprachliche Mängel im Interesse ihrer Blätter aufmerksam
zu machen. Er hat nämlich dem Freiburger Boten, (was auch
für uns und die andern freisinnig-katholischen Blätter gilt)
die Belehrung gegeben, daß das so häufig vorkommende Wort
neuärarisch falsch sei, indem es nicht auf die Aera, sondern
aus die Kassen des Staates bezogen werden müsse. Meine man
die neue Aera, so sei neuäraisch zu setzen: neuärarisch
dagegen heiße neustaatskass lich. Indem wir für diese geist-
volle Textverbesserung gedachtem Schulmeister dankbar sind.
 
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