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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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Januar

ÜN 7.


Preis: vierteljährt. 40 kr. ohne Träger-
Ullö lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.Z.

Die österreichisch-französische Allianz.
Die Franks. Postzeitung hat bekanntlich zuerst die über-
raschende und von keiner ^eite geahnte Mittheilung gebrachst
daß in Paris am ersten Weihnachtsfeiertage Allianzverhand-
lungen zwischen Oesterreich und Frankreich zum Abschlüsse ge-
kommen seien. Indessen gelangte zunächst nichts Zuverlässiges
über diese hochwichtige Sache weiter in die Oeffentlichkeit und
es schien, als ob die Nachricht sich blos auf ein gutes Einver-
nehmen beschränke und in ihrer weiteren Ausdehnung minde-
stens verfrüht sei. Vielfache gewichtige Anzeichen sprechen jedoch
für die Wahrheit jener Nachricht in ihrem vollen Umfange, und
die nächsten Tage schon dürften kaum einen Zweifel an deren
Aechtheit mehr aufkommen lassen.
Vor Allen: ist es bekannte Thatfache, daß Napoleon seit
längerer Zeit schon das Cabinet von Florenz zu einer friedliche-
ren Haltung gegen Oesterreich und zur Verständigung mit dem
päpstlichen'Stuhle zu bewegen bemüht war. Prinz Napoleon, der
mit der italienischen Freimaurerei und Geheimbündelei in den in-
timsten Beziehungen steht, suchte diesem Vorhaben seines kaiserlichen
Vetters Schwierigkeiten in dell Weg zu legen, und mußte dies >
mit einer längeren Ungnade büßen. Das Cabinet Victor
Emanuels dagegen gab dem Drängen von Paris aus in Betreff der
römischen Frage in so weit nach, als es den gemäßigten Ritter
Vegezzi nach Rom sandte, um mit seiner Heiligkeit eine Aus-
söhnung anzubahnen. Dieser Versuch ist freilich gescheitert, weil
das Ministerium hintennach, aus Furcht vor der Agitations-
partei, die Italien zu einem großen Feuerherde umgeschaffen
hat, den Abschluß eines Übereinkommens nicht zu unterzeichnen
wagte. Indessen kann es kaum einem Zweifel unterliegen, daß
die Verhandlungen in einem in Bälde günstiger werdenden Zeit-
punkt abermals in Angriff genommen und wahrscheinlich zu
einen: günstigen Abschlüsse gelangen werden, besonders wenn
es sich bestätigen sollte, daß Napoleon die weltliche Herrschaft
des Papstes aufrecht zu halten entschlossen ist und zu diesem
Zwecke 10,000 Mann Franzosen in päpstlichen Uniformen in
Ron: belassen will.
Ein deutlicheres Anzeichen noch für das gebesserte Verhält-
niß Napoleons zu Oesterreich als die diplomatische Pression
Frankreichs auf das Cabinet des Königs von Sardinien bot das
österreichische Anleh en dar. In Frankreich darf kein
Anlehen eines fremden Staates ohne ausdrückliche Genehmigung
der Negierung aufgelegt werden. Das österreichische aber wurde
trotz der geheimen und offenen Jntriguen Bismarcks von Napo-
leon mit größter Zuvorkommenheit zugelassen, obgleich dadurch-
sogar die französischen Werthpapiere auf dem Geldmärkte wesent-
lich gedrückt wurden.
Die Verleihung der höchsten ö sterreichis chen Ordens-
insignien an den kaiserlichen Prinzen von Frankreich mußte
endlich auch den: Blödesten die Augen öffnen, daß die Stellung
des österreichischen Kaiserstaates zu Frankreich eine ganz andere
geworden sei, als irgend Jemand es früher für möglich gehalten
hätte.
Zu diesen: Resultate habe:: vor Allen: die Verwickelungen
in Mexico wesentlich beigetragen. Dort hat der napoleonische
Ehrgeiz die höchsten Ziele zu verfolgen gestrebt und nunmehr
eine gefährliche Schlappe erlitten. Mcht nur, daß das Land
noch keineswegs völlig erobert und die ganzeKaiserschöpfung auf
einen gährenden Krater gebaut ist, nimmt jetzt auch die wiederer-
starkte amerikanische Union eine so drohende Stellung ein, daß
der Ruhm Frankreichs auf den: Spiele steht. Hier zum ersten
Mal hatte sich die französische Staatskunst des Imperators sehr
kurzsichtig erwiesen, als sie in: Glauben an die Auflösung der
Vereinigten Staaten, denen gegenüber damals selbst das ohn-
mächtige Spanien eine herausfordernde Stellung einnehmen
durfte, sich in romantischen Träumen erging, indem sie sich mit
der übermütigen Hoffnung schmeichelte, auch auf die neue
Welt die Dictatur, unter der Europa steht, übertragen zu können.

Das hat sich aber alles seitdem ganz anders gestaltet, als die
Klügsten der Klugen vorhersehen zu können glaubten. Mit
Recht sagt daher das Mainzer Journal: „Mexico können die
französischen Hülfstruppen niHt eher mit Ehre verlassen, als
bis sie von Freikorps abgelöst werden, die eine gleiche Stärke
haben, und auch dabei soll Oesterreich das Beste thun." Aber
noch mehr: Frankreich kann in dieser amerikanischen.Verwicke-
lung, in der seine Ehre verpfändet ist, seine Angriffspolitik in
Europa vorderhaud nicht weiter fortsetzen, es braucht in Europa
den Frieden, den auch das französische Volk wünscht, und wer
ist der beste Garant der Ruhe seiner traditionell conservativen
Politik gemäß als eben Oesterreich? Zudem ist Napoleon nicht
mehr jung, die Lorbeeren des Schlachtfeldes ruhen auf seiner
Stirne, und er muß daran denken, seine Dynastie im Kreise
der Fürsten zu sichern und zu befestigen, die nicht gesichert und
nicht befestigt, sondern untergraben und gestürzt werden müßte
bei einen: länger dauernden Liebäugeln mit den wilden Männern
der republikanischen Einigration aus allen Ländern Europa's.
Wer anders bietet ihm auch hier wieder die besten Garantien,
als Oesterreich?
Die Berichte der deutschen Presse über eine Allianz Frank-
reichs mit Oesterreich gewinnen aber für uns die höchste Wahr-
scheinlichkeit durch die Correspondenzen unserer officiellen Karls-
ruher Zeitung aus Wien, weil es bekannt ist, daß der Bericht-
erstatter dieses Blattes über die Vorgänge am Wiener Hofe stets
ausgezeichnet unterrichtet zu sein pflegt und politische Nachrichten
von der größten Tragweite zu wiederholten Malen in die Oeffent-
lichkeit gebracht hat, ehe andere bedeutendere Organe der Presse
nur eine Ahnung davon gehabt haben. Die Karlsruher Zeitung
berichtet nun aber, daß in den beiden brennendsten Fragen —
der italienischen und schleswig-holsteinischen — ein Zusammen-
gehen Frankreichs und Oesterreichs sestftehe, wobei wir unbedenk-
lich England als Dritten im Bunde hinzudenken dürfen. In der
schleswig-holsteinischen Sache sei manches Erfreuliche für den
Herzog Friedrich, den „Augustenburger" wie ihn selbst die
Gothaer jetzt nennen, zu hoffen, und die Londoner Conferenz
werde von den Mächten unter Zuziehung des deutschen Bundes
wieder ausgenommen werden, ohne jedoch die entschiedene Frage
der Lostrennung der Herzogtümer von Dänemark nochmals zu
erörtern, so daß Schleswig-Holstein unter allen Umständen für
Deutschland gewahrt bleibt und nur die von den wackern
nordischen Brüdern gehaßte preußische Säbelherrschaft ihr Ende
finden dürfte. Die Nachrichten aus Italien deuten in sofern
! auf die Nichtigkeit jener Mittheilung, als dort eine umfassende
Reduction der Armee in nächster Aussicht steht, die für Italien
! bei seinen gänzlich zerrütteten Finanzverhältnissen eben so heil-
' sam und nothwendig, als für Oesterreich sein wird, das fortan
nicht mehr nöthig haben wird, sein Festungsviereck, aus Besorg-
niß vor einen: italienischen Ueberfall mit einer übermäßig gro-
ßen Truppenmacht besetzt zu halte::.
Faßt man die gegenwärtige Lage Europas aufmerksam ins
Auge, so könnte eine Allianz Oesterdeichs mit Frankreich, der
England sich gleichfalls anschließen würde, für Oesterreich wie für
das übrige Deutschland nur als äußerst vorteilhaft beglück-
wünscht werden. Die preußische Allianz, so jubelnd sie begrüßt
wurde und so segensreich sie hätte werden können, hat sich längst
als gänzlich verfehlt herausgestellt, weil Preußen nicht ehrlich
Macht und Einfluß mit seinem Verbündeten theilen, sondern
dessen eigentümliche Lage zur eigenen Machtvergrößerung und
Demütigung des Alliirten benützen wollte. Hochbegabte Män-
ner der großdeutschen Partei, wie insbesondere der geistvolle
Julius Fröbel, waren daher von Anfang an äußerst miß-
trauisch beim Abschluß des preußischen Bündnisses, das nach den
Absichten der Staatslenker an der Spree nur dazu hatte dienen
sollen, den deutschen Bund vollends lahm zu legen und dem
Untergange entgegenzuführen, was niemals im Interesse der
österreichischen Politik liegen kann. Die preußische Staatskunst
 
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