Pfälzer sW Bote
für Stadt mld Land. ^öWL^LL,VT
^s. 94. Samstag den 11. August 1866.
Bade n.
* Heidelberg, 9. Aug. Unter dem Titel: „Der süddeutsche
Bund, heute eine Forderung der Volkspartei" ist die Doppel-
nummer 6 und 7 der politischen Flugblätter von Dr. L. Eckardt
in Stuttgart bei Ebner erschienen. Es ist dies eine Rede,
welche Eckardt in der württembergischen Landesversammlung der
demokratischen Partei zu Stuttgart gehalten hat und die sich,
wie der Titel zeigt, die Rechtfertigung eines süddeutschen Bun-
des zum Ziele setzt. Da wir im Wesentlichen mit den Ausfüh-
rungen des Redners übereinstimmen, geben wir einige Auszüge,
bedauern jedoch zugleich, daß wir die Begründung einer Reihe
höchst wichtiger Sätze bei den gegenwärtigen Verhältnissen un-
serer Presse nicht wiederzugeben vermögen.
Der Schwerpunkt der Rede Eckardts ist vor allem gegen !
das Hereinbrechen des einheitlichen Cäsarismus nach Napoleon'- !
scher Schablone gerichtet, dem er den Föderativstaat und die
Freiheit als mustergültig entgegenstellt. „Würde" sagtEckardt ;
sehr wahr, „der modernisirte Absolutismus siegen, dann würde
Europa in kurzer Zeit in fünf oder sechs Militärmonarchien
zerfallen, die letzte Freiheit sterben, selbst die Schweiz zerstückelt
werden, und nicht etwa ein endlicher Friede eintreten, sondern
der Krieg erst recht entbrennen, der Krieg aller Kriege, um die
Universalmonarchie."
Freilich ist es schwer, bei der gegenwärtigen Lage der Dinge,
dem siegreichen Hereinbrechen des Cäsarismus Schranken zu setzen,
um so schwerer, weil die „Menge", wie wir mit Eckardt sagen,
„leicht vergißt" und hinter dem Triumphwagen der Macht
einhertaumelt; um so mehr müsseu die Männer von Muth und
Charakter — Charakterlosigkeit ist, wie wir neulich sagten, das
Hauptlaster unserer Zeit — fest uno einig, ohne sich um Neben-
dinge zu bekümmern, um die dreifarbige Fahne sich zusammeu-
schaaren. —
Wenn Eckardt für den süddeutschen Bund in die Schranken
tritt, so thut er dies nur, wie er ausdrücklich hervorhebt und
worin wir durchaus seiner Meiuung sind, „weil dieser Bund für
uns nur ein Programm der Nothwehr und Verzweiflung ist",
aber zugleich eine nolhwendige Forderung der Zeit und der
gegenwärtigen Lage der Dinge, so daß wir ohne Wanken zu-
greifen sollten.
Was Eckardt im Gegensätze zu einem auf freiheitlichen In-
stitutionen ruhenden Bund der Südstaaten von den Bismarck'-
schen Parlamentsanerbietungen sagt, müssen wir, so leid es uns
thut, gewisser Verbaltnisse wegen unbesprochen lassen. „Ob aber
dieser neue Bund Aussicht habe?" wirst der Redner als Frage
auf. „Mehr als Einer regt diese Frage an. Wir glau-
ben, daß nur er oder die Fortsetzung des Krieges
möglich ist. Oesterreich wird ihn wollen, weil es
bei einer Dreit Heilung Deutschlands leichter in den Bund
zurückgelangen kann, und weil es sein selbstverständliches Interesse
ist, den Süden von Preußen unabhängig hingestellt zu sehen.
Frankreich ijt aus einem ähnlichen Grunde für den Südbund;
es nckißte gegen ein ganz Deutschland verschlingendes Preußen
zum Schwerte greisen. Auch mag es an die Beziehungen des alten
Rheinbunds zu Frankreich denken. Für uns ist dies im Augen-
blick gleichgültig; jedenfalls denken wir an jene schmachvolle Zeit
nur in den: Sinne und mit dem Entschlüsse, daß sie nicht zurück-
kehren darf. Aus welchen Gründen Oesterreich und Frankreich —
ideale Motive werden wir wohl kaum erwarten? — uns in der
selbstständigen Constitnirung unterstützen wollen, ist ihre Sache;
uns genügt die Thatsache einer Mitwirkung, die wir nicht an-
gerufen haben, und der wir daher auch keine Verpflichtung schulden.
Wir kommen zu Preußen. Wird dieses den Südbund
hindern? Wird es zu diesen: Zwecke den Krieg von Neuen: aus-
nehmen? Geschwächt und erschöpft, wie es nach den: Zugeständniß
der Kölner Zeitung selbst ist? Die officiellen Organe Preußens
nennen Jene selbst Phantasten, die für einen Anschluß des
Südens arbeiten, und werfen denselben vor, daß sie durch eine
solche Agitation die Friedensverhandlung „compromittiren"?
Hier ist der Scheidepunkt der preußischen Regierung und der
Partei der Gothaer; jene will nicht mehr an sich ziehen, als sie
verdauen kann; diese wollen das schwarzweiße Banner bis zum
Bodensee getragen sehen. Daß dieses nur um den Preis der
Rheinlands geschehen könnte, übersehen sie oder wollen sie nicht
sehen. Bismarck, der namentlich die Gothaer im Süden als Vor-
posten geschickt verwendet, um durch ihr Geschrei eine möglichst
südlich gezogene „M ein!"-Linie für Preußen zu erwirken, wird sie
— Fortschrittler sind sie überdies — im Frieden kühl opfern.
Ihre Stellung wird in einem Südbunde kann: beneidenswerth sein.
Diesen Südbund werden auch die süddeutschen Fürsten als
eine Zuflucht vor dem preußischen Aar aufsuchen; diesen Süd-
bund wird endlich — um zum entscheidenden Faktor zu kommen
— das Volk von Süddeutschlaud fordern, die Volks-
partei mit allen Stimmen fordern müssen.
Wie es heißen wird? Mitteleuropüer nannte mau uns
während des Krieges; ich denke, man wird uns den Namen
„Deutsche" gönnen. Sie haben ihn ja auf die Straße geworfen,
sie wollen keine Deutschen sein. Dort weht die schwarzmeiße,
hier die schwarzgelbe Fahne; so heben denn wir die deutsche
Trikolore empor; sie tändelten mit ihr; machen wir sie wahr.
Ein günstiges Omen ist es, daß unsere Krieger diese heilige
Farben als Bundeszeichen im Felde trugen, und daß sie von
der Hand unserer Bürgerinnen, von der Hand des Volkes
mit ihnen geschmückt wurden. Es entwickelt sich überhaupt ein
neues Verhältniß zwischen Volk und Armee. Wie wir aus diese
mit hoffendem Auge blicken, stolz auf die schmucken Bursche, ver-
stehen sie hinwieder uns heute besser als gestern und kehren als
Vertreter eines neuen Heerwesens zu uns zurück." —
Daß die Partei der Gothaer und des Nationalvereius mit
alle:: Mitteln gegen die Errichtung dieses süddeutschen Bundes
ankämpsen wird, kann nicht dem mindesten Zweifel unterliegen;
vor allem aber bedient sich dieselbe, wie Eckardt näher ausführt,
der vier Schlagwörter: „deutsche Einheit, Protestantis-
mus, Zollverein, Frankreich." Wir sind aus den be-
kannten Gründen auch hier leider nicht in der Lage, die Eckardt-
sche Widerlegung dieser Schlagwörter mittheilen zu können; nur
nebenbei wollen wir ermähnen, daß Eckardt, was die Einheit
anbelangt, aus die Schweiz hinweist, die in den Teilzeiten die
Freiheit auch höher gehalteu habe, als die Einheit, zu welcher
sie durch die Landvögte gezwungen werden sollte. Auch wir wol-
len die Einheit, aber wir wollen sie, um mit Eckardt zu reden,
nicht um jeden Preis.
Auch das alberne Schlagwort, als ob Preußen für den
Protestantismus, dessen Hort es sei, in's Feld ziehe und deßhalb
von protestantischer Seite als Herr unsrer Geschicke ersehnt wer-
den müsse, wird von Eckardt gebührend gegeißelt. Wir selbst
haben bei verschiedenen Gelegenheiten uns mißbilligend über ein
derartiges, den confessionellen Haß schürendes Treiben von ge-
wisser Seite her ausgesprochen, das den finstern Zeiten des 30-
jährigen Krieges, aber nicht unfern Tagen angehören sollte und
können daher über diesen dunkeln Punkt rasch megeilen.
„Was den Zollverein betrifft", fährt Eckardt fort, „fo liegt
es in Preußens eigenen: Interesse, ihn zu erhalten, selbst wenn
es der französische Handelsvertrag nicht bände. Ich gestehe, daß
ich eher seine Erhaltung als seine Sprengung befürchte; Preu-
ßen wird es in seinem politischen Interesse finden, Süddeutsch-
land an: Zollvereinsstricke weiter zu schleppen. Die Fachmänner
mögen die Frage erörtern, uns Laien impouirt das Beispiel der
kleinen Schweiz und der Grundsatz der Handelsfreiheit.
Die Freiheit würde uns auch hier retten und führen."
Den: so oft gehörten Vorwurfe des Rheinbundes gegerw
frügt Eckardt mit Recht: „Warum müssen wir uns denn
an Frankreich anlehnen? Warum nicht ebensogut an dim^
für Stadt mld Land. ^öWL^LL,VT
^s. 94. Samstag den 11. August 1866.
Bade n.
* Heidelberg, 9. Aug. Unter dem Titel: „Der süddeutsche
Bund, heute eine Forderung der Volkspartei" ist die Doppel-
nummer 6 und 7 der politischen Flugblätter von Dr. L. Eckardt
in Stuttgart bei Ebner erschienen. Es ist dies eine Rede,
welche Eckardt in der württembergischen Landesversammlung der
demokratischen Partei zu Stuttgart gehalten hat und die sich,
wie der Titel zeigt, die Rechtfertigung eines süddeutschen Bun-
des zum Ziele setzt. Da wir im Wesentlichen mit den Ausfüh-
rungen des Redners übereinstimmen, geben wir einige Auszüge,
bedauern jedoch zugleich, daß wir die Begründung einer Reihe
höchst wichtiger Sätze bei den gegenwärtigen Verhältnissen un-
serer Presse nicht wiederzugeben vermögen.
Der Schwerpunkt der Rede Eckardts ist vor allem gegen !
das Hereinbrechen des einheitlichen Cäsarismus nach Napoleon'- !
scher Schablone gerichtet, dem er den Föderativstaat und die
Freiheit als mustergültig entgegenstellt. „Würde" sagtEckardt ;
sehr wahr, „der modernisirte Absolutismus siegen, dann würde
Europa in kurzer Zeit in fünf oder sechs Militärmonarchien
zerfallen, die letzte Freiheit sterben, selbst die Schweiz zerstückelt
werden, und nicht etwa ein endlicher Friede eintreten, sondern
der Krieg erst recht entbrennen, der Krieg aller Kriege, um die
Universalmonarchie."
Freilich ist es schwer, bei der gegenwärtigen Lage der Dinge,
dem siegreichen Hereinbrechen des Cäsarismus Schranken zu setzen,
um so schwerer, weil die „Menge", wie wir mit Eckardt sagen,
„leicht vergißt" und hinter dem Triumphwagen der Macht
einhertaumelt; um so mehr müsseu die Männer von Muth und
Charakter — Charakterlosigkeit ist, wie wir neulich sagten, das
Hauptlaster unserer Zeit — fest uno einig, ohne sich um Neben-
dinge zu bekümmern, um die dreifarbige Fahne sich zusammeu-
schaaren. —
Wenn Eckardt für den süddeutschen Bund in die Schranken
tritt, so thut er dies nur, wie er ausdrücklich hervorhebt und
worin wir durchaus seiner Meiuung sind, „weil dieser Bund für
uns nur ein Programm der Nothwehr und Verzweiflung ist",
aber zugleich eine nolhwendige Forderung der Zeit und der
gegenwärtigen Lage der Dinge, so daß wir ohne Wanken zu-
greifen sollten.
Was Eckardt im Gegensätze zu einem auf freiheitlichen In-
stitutionen ruhenden Bund der Südstaaten von den Bismarck'-
schen Parlamentsanerbietungen sagt, müssen wir, so leid es uns
thut, gewisser Verbaltnisse wegen unbesprochen lassen. „Ob aber
dieser neue Bund Aussicht habe?" wirst der Redner als Frage
auf. „Mehr als Einer regt diese Frage an. Wir glau-
ben, daß nur er oder die Fortsetzung des Krieges
möglich ist. Oesterreich wird ihn wollen, weil es
bei einer Dreit Heilung Deutschlands leichter in den Bund
zurückgelangen kann, und weil es sein selbstverständliches Interesse
ist, den Süden von Preußen unabhängig hingestellt zu sehen.
Frankreich ijt aus einem ähnlichen Grunde für den Südbund;
es nckißte gegen ein ganz Deutschland verschlingendes Preußen
zum Schwerte greisen. Auch mag es an die Beziehungen des alten
Rheinbunds zu Frankreich denken. Für uns ist dies im Augen-
blick gleichgültig; jedenfalls denken wir an jene schmachvolle Zeit
nur in den: Sinne und mit dem Entschlüsse, daß sie nicht zurück-
kehren darf. Aus welchen Gründen Oesterreich und Frankreich —
ideale Motive werden wir wohl kaum erwarten? — uns in der
selbstständigen Constitnirung unterstützen wollen, ist ihre Sache;
uns genügt die Thatsache einer Mitwirkung, die wir nicht an-
gerufen haben, und der wir daher auch keine Verpflichtung schulden.
Wir kommen zu Preußen. Wird dieses den Südbund
hindern? Wird es zu diesen: Zwecke den Krieg von Neuen: aus-
nehmen? Geschwächt und erschöpft, wie es nach den: Zugeständniß
der Kölner Zeitung selbst ist? Die officiellen Organe Preußens
nennen Jene selbst Phantasten, die für einen Anschluß des
Südens arbeiten, und werfen denselben vor, daß sie durch eine
solche Agitation die Friedensverhandlung „compromittiren"?
Hier ist der Scheidepunkt der preußischen Regierung und der
Partei der Gothaer; jene will nicht mehr an sich ziehen, als sie
verdauen kann; diese wollen das schwarzweiße Banner bis zum
Bodensee getragen sehen. Daß dieses nur um den Preis der
Rheinlands geschehen könnte, übersehen sie oder wollen sie nicht
sehen. Bismarck, der namentlich die Gothaer im Süden als Vor-
posten geschickt verwendet, um durch ihr Geschrei eine möglichst
südlich gezogene „M ein!"-Linie für Preußen zu erwirken, wird sie
— Fortschrittler sind sie überdies — im Frieden kühl opfern.
Ihre Stellung wird in einem Südbunde kann: beneidenswerth sein.
Diesen Südbund werden auch die süddeutschen Fürsten als
eine Zuflucht vor dem preußischen Aar aufsuchen; diesen Süd-
bund wird endlich — um zum entscheidenden Faktor zu kommen
— das Volk von Süddeutschlaud fordern, die Volks-
partei mit allen Stimmen fordern müssen.
Wie es heißen wird? Mitteleuropüer nannte mau uns
während des Krieges; ich denke, man wird uns den Namen
„Deutsche" gönnen. Sie haben ihn ja auf die Straße geworfen,
sie wollen keine Deutschen sein. Dort weht die schwarzmeiße,
hier die schwarzgelbe Fahne; so heben denn wir die deutsche
Trikolore empor; sie tändelten mit ihr; machen wir sie wahr.
Ein günstiges Omen ist es, daß unsere Krieger diese heilige
Farben als Bundeszeichen im Felde trugen, und daß sie von
der Hand unserer Bürgerinnen, von der Hand des Volkes
mit ihnen geschmückt wurden. Es entwickelt sich überhaupt ein
neues Verhältniß zwischen Volk und Armee. Wie wir aus diese
mit hoffendem Auge blicken, stolz auf die schmucken Bursche, ver-
stehen sie hinwieder uns heute besser als gestern und kehren als
Vertreter eines neuen Heerwesens zu uns zurück." —
Daß die Partei der Gothaer und des Nationalvereius mit
alle:: Mitteln gegen die Errichtung dieses süddeutschen Bundes
ankämpsen wird, kann nicht dem mindesten Zweifel unterliegen;
vor allem aber bedient sich dieselbe, wie Eckardt näher ausführt,
der vier Schlagwörter: „deutsche Einheit, Protestantis-
mus, Zollverein, Frankreich." Wir sind aus den be-
kannten Gründen auch hier leider nicht in der Lage, die Eckardt-
sche Widerlegung dieser Schlagwörter mittheilen zu können; nur
nebenbei wollen wir ermähnen, daß Eckardt, was die Einheit
anbelangt, aus die Schweiz hinweist, die in den Teilzeiten die
Freiheit auch höher gehalteu habe, als die Einheit, zu welcher
sie durch die Landvögte gezwungen werden sollte. Auch wir wol-
len die Einheit, aber wir wollen sie, um mit Eckardt zu reden,
nicht um jeden Preis.
Auch das alberne Schlagwort, als ob Preußen für den
Protestantismus, dessen Hort es sei, in's Feld ziehe und deßhalb
von protestantischer Seite als Herr unsrer Geschicke ersehnt wer-
den müsse, wird von Eckardt gebührend gegeißelt. Wir selbst
haben bei verschiedenen Gelegenheiten uns mißbilligend über ein
derartiges, den confessionellen Haß schürendes Treiben von ge-
wisser Seite her ausgesprochen, das den finstern Zeiten des 30-
jährigen Krieges, aber nicht unfern Tagen angehören sollte und
können daher über diesen dunkeln Punkt rasch megeilen.
„Was den Zollverein betrifft", fährt Eckardt fort, „fo liegt
es in Preußens eigenen: Interesse, ihn zu erhalten, selbst wenn
es der französische Handelsvertrag nicht bände. Ich gestehe, daß
ich eher seine Erhaltung als seine Sprengung befürchte; Preu-
ßen wird es in seinem politischen Interesse finden, Süddeutsch-
land an: Zollvereinsstricke weiter zu schleppen. Die Fachmänner
mögen die Frage erörtern, uns Laien impouirt das Beispiel der
kleinen Schweiz und der Grundsatz der Handelsfreiheit.
Die Freiheit würde uns auch hier retten und führen."
Den: so oft gehörten Vorwurfe des Rheinbundes gegerw
frügt Eckardt mit Recht: „Warum müssen wir uns denn
an Frankreich anlehnen? Warum nicht ebensogut an dim^