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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 103-115 (1. September - 29. September)
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M 104. Dienstag den 4. September 1866.



X Ist denn Oesterreich den Protestanten feind?
Wenn man jetzt einige süddeutsche Zeitungen zur Hand
nimmt und darin die schauerlichen Behauptungen liest, was,
wenn die Oesterreicher gesiegt hätten, mit den Protestanten und
Juden geschehen wäre, so könnte mancher Unkundige glauben,
in Oesterreich gäbe es weder Protestanten noch Juden, weil,
nach den Berichten der fraglichen Zeitungen zu schließen, jeder
Protestant und Jude, sobald er sich blicken ließe, des Todes
wäre. Ist dem wirklich also? Man hat gegen Oesterreich tau-
senderlei Anklagen; den Eilten ist es ein Pfaffenstaat, den An-
dern ein Concordatsstaat, den Dritten ein durch und durch rui-
nirtes Land, dein nicht mehr aufzuhelfen sei. Angenommen,
aber nicht zugegeben, Oesterreich wäre all' das, was ihm seine
unermüdlichen Gegner aufhalsen; Eines lastet nicht aus ihm,
daß es eilt Feind der Protestanten ist, daß es die protestantische
Religion verfolge und auf deren Ausrottung bedacht sei. Wir
sind im Besitze von Zeugnissen, die besonders jetzt wieder an
die Oeffentlichkeit gebracht zu werden verdienen, jetzt, wo eine
blinde Verläumdungswuth den religiösen Hader, als von Oe-
sterreich ausgehend, durch ganz Deutschland zu Hellen Flammen
anfachen möchte.
Der jetzige Kaiser von Oesterreich, auf den feit seiner Re-
gierung das Unglück massenhaft niederfiel, hat am 1. September
1859 die protestantische Kirche, fo frei und fo selbstständig
gestellt, wie es nicht einmal gegenwärtig in Preußen der Fall
ist. Die kaiserliche That hat darum auch durch ganz Deutschland
in den protestantischen Zeitungen Anklang und Beifall gefunden.
Wir erwähnen hier aus Baden ein Zeugniß aus dem zu Heidel-
berg erscheinenden „Süddeutschen evangelisch-protestantischen Wo-
chenblatt", welches in No. 17 vom Jahr 1861 gelegentlich der
protestantischen Verfassungsfrage in Baden gegenüber den kirch-
lichen Zuständen in Hannover sich dahin äußert:
„Was aber besonders in Hinsicht der Ver fassungs fra-
gen die vernünftigsten und berechtigsten Forderungen der prote-
stantischen Gemeindeglieder in Baden von Außen her unterstützt,
das find nicht die jammervollen Verfassungskeime der Herrn
Bethmann und Hoffmann, sondern die kräftigen Protestan-
tengesetze Oesterreichs. Daß man selbst in dem katho-
lischen Wien dem wahren Protestantismus gerechter wird als
in dem überklugen Berlin, das sollte man doch auch in
Hannover einsehen."

Zu diesem gewiß unparteiischen Zeugniß fügen wir ein
l zweites bei, das von dem protestantischen Professor Joh. Mich.
Szeserinyc zu Wien in seiner Schrift vom Jahr 1865 nieder-
gelegt ist. Derselbe schreibt:
„Was wollt ihr Protestanten Oesterreichs? Eine freie,
selbstständige Kirchenverfassung? Wo in Europa habt ihr
sie freier und selbstständiger? Ich frage, wo? In Sachsen, in
Preußen, in Frankreich, in England, in Schweden, in der
Schweiz? Nirgends! Was wollt ihr noch? Schutz und gleiche
Betheiligung am Staatsgute? Wo in Europa habt ihr einen
katholischen Staat, der einem so verschwindenden Bruchtheil sei-
ner Bevölkerung, wie die kaum etwas über ein Achtel einer
Million zählenden Protestanten der deutsch-slavischeu Provinzen
sind, so viel Wohlwollen, Schutz und Betheiligung am Staats-
gute zu Theil werden ließe, wie dieses verschrieene Concordats-
Oesterreich?"
Genug hiermit. Diese wenigen Stimmen mögen hinreichen,
um diejenigen zu kennzeichnen, welche aus blindem Haß gegen
den Katholicismus Oesterreich immer in den Vordergrund stel-
i len, als wäre da die sofortige Straugulirung Andersgläubiger
> eine Alltagssache.
Endlich sind wir der Meinung, daß von den schweren Ver-
! dachtigungen der Katholiken hauptsächlich eine Zeitung unseres
Landes sorgfältig abstehen sollte, eingedenk der schwarz auf weiß
ausgegebenen Parole: „Schlagt ihn todt den Hund, er
ist ein Jesuit."
(Und die andern nicht minder! Denn auch sie haben größ-
tenteils ähnliche Liebesäußerungen in Menge gegenüber ihren
katholischen Mitbürger fallen lassen. „Wer nicht mit uns han-
delt und denkt, ist ein rechtloser Mensch", hat man hier ge-
schrieen, „wandert aus, Ihr Heimathlosen", hat man uns von
dorther zugerufen. Alle aber haben gleichmäßig damit gefrevelt,
daß sie die schreiendsten Gewaltakte, die von aufgehetzten Rotten
an verschiedenen Orten gegen die Katholiken begangen wurden,
in Schutz nahmen und als Heldenthaten hochpriesen. So mag
vielleicht das eigene böse Gewissen diese Leute zu dem Wahn
einer Wiedervergeltung Seitens der Katholiken im Falle einer
für letztere günstigen Gestaltung der Dinge verleitet haben. Eine
für uns beruhigende und erfreuliche Thatsache kann indessen von
keiner Seite her in Abrede gestellt werden. Während nämlich
die Katholiken bei ihren Versammlungen — wandernden Casinos

Ein Besuch auf den Kriegsschauplätzen am Main.

(Pfälzer Zeltung.)

(Fortsetzung.)
Die Sorgfalt für die Verwundeten geht soweit, daß manche Lazarethe
— man möchte sagen — mit einer Art Raffinement eingerichtet find. So
war ich sehr überrascht beim Eintritt in das Gebäude des alten Bahnhofs,
wo noch etwa 70 Verwundete lagen, am obern und untern Ende der Halle
frisches, lebendiges Grün zu erblicken. Das Comita hatte große Blattpflan-
zen zusammengetragen und an einandergestellt, die einestheils auf die Ver-
besserung der Luft vortheilhaft wirken, dann aber auch dem Leidenden auf
fernen Kiffen beständig das Hoffnungsgrün vor Augen stellen. Inmitten
dieser Oase gesunder Natur unter den Opfern menschlicher Rücksichtslosigkeit
Plätschert auch noch ein srischer Springbrunnen, der, von der städtischen
Wasserleitung hereingezogen, am Tage seinen Strahl hoch aufwirft, zur
Nacht aber ruht, um den Traum der Kranken nicht zu stören. Dazu find
in der sehr hohen und geräumigen Bahnhofshalle eine große Anzahl weiter
Körbe mit Holzkohlen aufgestellt, die ebenfalls ein gutes Desinfectionsmittel
abgeben. Die Betten der Schwerverwundeten, denen jede Bewegung Schmer-
zen verursacht, sind mit besonders construirten Matratzen versehen, so daß
nothwendige Verrichtungen vorgenommen werden können, ohne daß der
Kranke besondere Qual zu leiden hätte. Außer allem chirurgischen Material
sind dann noch große Badwannen, kleinere Wännchen für Arm- und Hand-
bäder, Apparate zum Ausspritzen der Wunden und sonstige Geräthschaften
vorräthig, so daß das Herz des Besuchers mit Dank erfüllt sein muß für
Diejenigen, die für Alles so eifrig Sorge getragen. Die Leiden und Wun-
den find aber auch oft derart, daß sie das Mitleid im höchsten Grad er-
regen. Einzelheiten vorzuführen, ist hier nicht am Platze, aber wenn die
hohen Herrn, die den Krieg machen, ost ein Taufendel der Schmerzen zu

erdulden hätten, die fo viele Unschuldige hier leiden, sie würden gewiß im
Lande bleiben und ihre Unterthanen sich redlich ernähren lassen.
Sollte man glauben, daß aus diesen Schmerzenskissen heraus sich zu-
weilen auch eiu Mund öffnet, um ein Körnlein des Humors springen zu
lassen, das sogar den Leidensgenoffen ein schmerzliches Lächeln um die Lip-
pen drängt? Und doch ist es so; bei meiner Anwesenheit in dem gut ein-
gerichteten Ehehaltenlazareth sagte ein redlicher Franke auf meine Frage,
ob keine Pfälzer da seien: „I lieg a do für'n Rheinpsälzer; bin eingestan-
den für ein' aus Schwegenheim, mir haben's ani naufgeschoffen und der
ander last drüben rum!" Wenn dies der Einsteller in Schwegenheim liest
und es ihm recht wohl dabei ist, wird er gewiß seinem Wundensubstitut im
Lazareth zu Würzburg ein kleines Brieflein schreiben mit einem Anhängsel
daran. — Ein andermal war ich zufällig anwesend in einem Saal, als der
preußische General v. Goeben mit den Adjutanten und Militärärzten die
verwundeten Preußen besuchte, die noch in ziemlicher Anzahl in den Spi-
tälern liegen. Er sah gewöhnlich schon an den Mänteln, oder an den ver-
säbelten Husarenröcken über den Betten, wo ein Preuße lag, unterhielt sich
dann freundlich und herzlich und reichte Jedem zum Abschied die Hand.
Manchmal jedoch war kein äußeres Merkmal zu ersehen und so kam denn
der General auch einmal vor ein Bett und sagte zu dem darin Liegenden:
„Wie geht's?" "Ich bin ein Bayer!" antwortete der Kranke und machte
eine Viertelskopfwendung. „Thut nichts"' erwiederte freundlich der General,
„ihr Bayern habt euch gut geschlagen!" und ein heiteres Lächeln ging durch
die Gesellschaft. Der ehrliche bayerische Krieger erwartete wohl nicht, daß
ein preußischer General sich nach seinem Befinden erkundigen werde. —
Eine andere Aeußerung eines verwundeten bayerischen Soldaten habe ich
nicht selbst gehört, es hat sie aber ein Johanniter, Graf S. L., bei meiner
Anwesenheit in Aschaffenburg in Gegenwart des preußischen Generals v.
Kurth und anderer preußischen Offiziere als selbst erlebt erzählt, und so
will ich sie auch hierher setzen. Graf S. L. traf in den Lazarethen einen
verwundeten Bayer, dem die Kugel neben den Halswirbeln hinein, die
 
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