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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 14-25 (1. Feburar - 27. Februar)
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Pfalzer
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Ist das Gesetz das öffentliche Gewissen?
von Wilh. Em. Frhrn. v. Ketteler, Bischof von Mainz.
(Fortsetzung.)
Die Idee des souveränen Staates hat ihre Berechtigung;
die Idee des souveränen Menschengeistes steht aber noch höher;
denn der Staat vergeht, während der Menschengeist ewig lebt.
Beide haben ihren Grund in Gott und damit auch ihr gegen-
seitiges rechtmäßiges Verhältniß, ihre Harmonie und Ordnung.
Sie sollen sich nicht widersprechen und leugnen, sondern sich
gegenseitig achten und sich in jener Ordnung einträchtig bewegen,
die ihnen Gott angewiesen hat. Wenn sie aber in der That
unvereinbar wären, so würden wir lieber dem Staate entsagen,
als der Menschenwürde; lieber gewissenhafte Menschen ohne
Staat, als einen Staat mit gewissenlosen Menschen.
Zu dieser letzten Consequenz, zu einem Staatswesen mit
gewissenlosen Menschen, führt aber nothwendig die obige Phrase
von dem allgemeinen Gewissen, dem das einzelne Gewissen nicht
widersprechen darf; zu ihr führt überhaupt der moderne, der
von Gott und einer göttlichen Ordnung getrennte Staat. Jener
Satz ist ein Dogma der modernen Staatsrechtslehre. . Diese
leugnet die Rechte des inneren Gewissens und fetzt an die Stelle
der Gewissenhaftigkeit die Gesetzmäßigkeit. Hier stehen wir vor
der tiefen Kluft zwischen dieser modernen Anschauung und der
ganzen christlichen Denkweise. Im Grunde ist es der Conslict
zwischen Christenthum und Heidenthum in seiner äußersten Ent-
artung; der Versuch, den christlichen Völkern die christlichen In-
stitutionen mit allen ihren Segnungen zu nehmen und sie durch
die Institutionen des Heidenthums mit allen seinen Erniedrig-
gungen zu ersetzen.
Das Christenthum setzt den Werth des Menschen in seine
innere Gewissenhaftigkeit, das Heidenthum in seine äußere Lega-
lität und Gesetzmäßigkeit. Der Satz des Herrn Staatsraths
hängt daher innig zusammen mit jener Zeitrichtnng, die den christ-
lichen Völkern die christliche Weltordnung rauben und den mo-
dernen Staat auf den Grundlagen auferbauen will, auf denen
der heidnische beruhte. Von der Stellung, die wir in unserem
Geiste Gott zur Welt geben, hängt auch die Stellung ab, die
wir dem Menschen zur bürgerlichen Gesellschaft geben. Alle Fra-
gen sind im Grunde religiöse Fragen. Aus dem wahren Got-
tesglanben, wie ihn uns das Christenthum lehrt, kömmt man
zu einem ganz anderen Resultate über die Würde des Menschen
und seine Stellung zürn Staate urid zur bürgerlichen Gesellschaft,
als aus den religiösen Jrrthümern und Zweifeln heraus, die
das alte uud neue Heidenthum hegt. Das Christenthum zeigt
uns die volle Harmonie einer ewiger: göttlichen Ordnung, in
der alles Gute, Wahre und Gerechte ans Erden seinen Grund
und seine Grenzen hat; in welcher alle Verhältnisse der Men-
scher: unter sich und gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft u. s. rv.
geregelt sind. Wenn daher auch das Christenthum dem einzelner:
Menschen mit Autorität entgegentritt, so geschieht dies doch nur
mit voller Anerkennung der rechtmäßigen Autorität des Menschen-
geistes und in der Ueberzeugung, daß der Geist des Menscher:
aus seiner höchsten geistigen und sittlichen Stufe nur in der
Unterwerfung unter diese Autorität seine vollkommene Befrie-
digung, seine wahre Vollendung findet. Eine von Gott und
der wahren Gotteserkenntniß absehende Staatslehre kennt da-
gegen keine höhere göttliche Ordnung, kein über dem Staate
stehendes Gesetz, keiner: höheren Wille::, in welchem der Staat,
wie die Stellring der einzelnen Menscher: und ihr gegenseitiges
Verhältniß ^begründet ist; sie kann als Höchstes nur der: Staat
selbst und seinen Willer: anerkennen. Was uns Christen Gott
in seinem ewigen unendlichen Weser: ist, das ist einem echter:
Kinde der Neuzeit, einem Vollblutrepiäsentanten der neuen
Aera, der Staat, beziehungsweise die Partei, die augenblicklich
den Staat regiert, also im letzten Grunde die schwankende Kam-
mermajorität. Dieses Votum einiger Menschen, deren Ansicht

! man irr: Privatleben vielleicht sehr gering schätzen würde, ist,
! wenn es sich als Majorität in der Kammersitzung irgend eines
kleinen Staates geltend gemacht hat, das Gesetz; und dieses
Gesetz ist dann der eigentliche Götze, den unsere fortgeschritten-
sten Zeitgenossen selbst anbeten und uns zur Anbetung vorhal-
ten, ans so lang, bis er durch einer: anderen Majoritätsbeschluß
abgesetzt und ersetzt worden ist. Dieser Götze ist darin auch das
allgemeine Gewissen und diesem allgemeinen Gewissen gegenüber
darf man kein Privatgervisserr mehr haben. Wahr, gut, gerecht,
schön ist, was das Gesetz, d. h. die Majorität, entscheidet.
Auf dieser Stufe moderner Fortgeschrittenheit gibt es über-
haupt kein inneres Gewisser: mehr, keine sich im Innern voll-
ziehende Zustimmung zu einer erkannten Wahrheit, zu einem
als gut erkannten Gesetze; denn die Annerkennung der Berech-
tigung eines solchen inneren Gesetzes schlösse ja nothwendig zu-
gleich die Anerkennung eines außer und über den: Staate vor-
handenen Gesetzes, also Gottes ein, den ja eben der moderne
Staat leugnet oder ignorirt; es gibt nurmehr Legalität, äußere
Gesetzmäßigkeit. Dahin geht die ganze Zeitrichtung, soweit sie
von dem lebendigen Gott abgefallen ist. (Forts, folgt.)

Zum 23. Februar 1866.
Die deutsche Nation und an ihrer Spitze der Schnellläufer
Baden hat in: verflossenen Jahrzehnte der Gedenktage berühmter
Männer oder wichtiger Begebenheiten so viele gefeiert, daß es
als ein schwer zu sühnendes Verbrechen an unserer Culturge-
schichte erklärt wurde, wenn einmal der Jahrestag irgend eines
unbedeutenden Ereignisses ungefestet und ungeseiert blieb. So
sehr hatte sich diese Gewohnheit nach und nach bei uns einge-
bürgert. Da darf mar: es doch wohl den Katholiken nicht ver-
argen, wenn auch sie von dem allgemeinen Festesschwindel er-
griffen worden sind; man sollte sie im Gegentheile einmal loben,
daß sie doch wenigstens einem Fortschritte sich zugänglich zeigen
— diese Nückschrittsmänner! —
Am kommenden Freitag den 23. d. Mrs. ist es nun ein
Jahr, katholische Mitbürger! daß drüben in unsrer Nachbarstadt,
der aufgeklärten, ein wanderndes Casino stattfinden sollte. Der
Tag ist jedenfalls ein denkwürdiger und Tausende und Tausende
werden desselben in Gedanken sich erinnern, ohne daß es eines
Mahnrufes unsrerseits bedürfte. Uns aber scheint der wieder-
kehrende Tag des 23. Februars ein so wichtiger zu sein, daß
er im katholischen Festeskreise fürder nicht fehlen darf, wenn er
auch keine Aussicht hat, als öffentlicher Feiertag zur Geltung
zu kommen.
Ist es für uns doch eir: Festtag deßhalb, weil unsere Gegner
drüben in Mannheim an jenem Tage die Maske der Heuchlerei
abgervorfen haben, unter welcher sie uns in Gemeinschaft mit
andren Maskerigesichtern stets versicherten, sie hätten Nichts gegen
die katholische Religion, und sich endlich in: wahren Lichte zeigten
mit einem Gesichte, welches von Wuth gegen die katholische Reli-
gion grinst! Ist diese Thatsache nicht würdig am Jahrestage
festlich begangen zu werden?
Ist ferner der 23. Februar uicht der Geburtstag unsrer
Ueberzengung, daß gegenüber solchen Gegnern der Kampf für
unserer: katholischen Glauben, für unsere Gewissensfreiheit eine
Pflicht sei, welcher nachzukommen und welche zu erfüllen rvir
gelobt haben, bis das Recht und die Freiheit katholischer Er-
ziehung errungen ist? Ist dieser Tag nicht würdig, festlich be-
gangen zu werden? Und dann Ihr Festgenossen! Ist der 23.
Februar des vorigen Jahres nicht der Tag, an welchem drüben
in Mannheim-ein neues Theaterstück, ein ächtes Spektakelstück
ausgeführt wurde, dessen Programm schor: 8 Tage vorher hier
> in Heidelberg bekannt, dessen Parole theilweise hier ausgetheilt
worden, zu dessen Aufführung sogar bekannte Namen von hier
hinüber gedampft sind, um mit eigenen Augen sich zr: weiden
i an den Rohheiten, die ihren katholischen Mitbürgern zugedacht
 
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