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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 14-25 (1. Feburar - 27. Februar)
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Recht haben. Also wieder mausetod t, sagendie Heidelberger und
Schenkelprotestanten in der Landeszeitung und in der Allge-
nreinen! Aber es scheint doch nicht so. Da kündigen sie ja
im Kirchen- und Volksblatt eine „Denkschrift" an, sie ist er-
schienen im Commissionsverlage der Chr. Balserschen Verlags-
handlung in Stuttgart und heißt: „Denkschrift evange-
lisch-protestantischer Geistlicher im Großherzog-
thum Baden, enthaltend die Actenstücke und zu-
stimmenden Erklärungen zum Protest gegen die
Stellung des KirchenrathsDr. Schenkel als Direc-
tor des evangelischen Predigerseminars". Sie ist
17 Bogen stark und kostet im Umschlag broschirt 48 kr. Und
was sagen sie dazu? „der Protest, welchen 119 evangelische
Geistliche im Großherzogthum Baden gegen Dr. Schenkels
„Charakterbild Jesu" und seine Stellung als Director des
evangelischen Predigerseminars in Heidelberg erhoben, hat in
der ganzen evangelischen Kirche Deutschlands große Theilnahme
gefunden, welche durch die darauf bezüglichen Erlasse der badi-
schen Oberkirchenbehörde nur noch erhöht und vermehrt wurde.
Ohne dazu aufgefordert oder darum gebeten zu haben, erhielten
die Protesterheber aus fast allen evangelischen Landeskirchen
theils in besonderen Sendschreiben, theils in öffentlichen Blättern
zustimmende, zur Treue und Ausdauer ermunternde Erklärun-
gen in ganz unerwartet großer Anzahl, und zwar von über
sechstausend theologisch gebildeten Männern, unter welchen sich
Zierden der Wissenschaft und erfahrene und erprobte Leiter der
Kirche befinden. Um Jedem ein begründetes Urtheil über die
ganze Angelegenheit zu ermöglichen, sind die in derselben er-
wachsenen Aktenstücke den Zustimmungserklärnngen vorausge-
schickt und außerdem im Anhang auf die kirchengesetzlichen Be-
stimmungen über den Bekenntnißstand der badischen Landes-
kirche (nebst der neuesten Eingabe an das Ministerium des
Innern und dessen Entschließung) beigegeben." Die Denkschrift
kann durch alle Buchhandlungen bezogen werden.
Was nun die 119 weiter thun, wissen wir nicht; aber
wir halten sie nicht für mausetodt. Es ist eine ansehnliche
Schaar, die mit Entschlossenheit fest zusammensteht und weiß,
was sie will. Dr. Strauß hat dagegen von ihren Gegnern
gesagt: „sie wissen nicht was sie wollen und wollen, nicht was
sie wissen."
Aus Baden, im Januar. Seit 1851 wurden aus dem Auslande in
den badischen Staatsdienst berufen: 4 Professoren der Theologie, 2 Pro-
fessoren der Jurisprudenz, 6 der Medizin, 1 der Chirurgie, 1 der Geburts-
hilfe, 4 der Physiologie, 4 der Philologie, 3 der Botanik, 3 der Staats-
wirthschaft, 2 der Physik, 1 der Volkswirthschaft, 1 der Landwirthschaft, 1
der Archäologie, 1 der Mechanik, 2 der Mathematik, 1 der Mineralogie, 4
der Philosophie, 1 der Geschichte, 1 Lehrer am evangelischen Predigerseminar,
2 Lehrer an einer Hähern Bürgerschule, 1 Lehrer am Polytechnikum, 1 Pro-
fessor der Zeichenkunft, 1 Lehrer der Maschinenbaukunde, 1 Lycealprofessor,
1 Professor der Kunstschule, 2 der Malerschule, 1 Vorstand der Ingenieur-
schule, t teetnischer Rath der Centralstelle für Landwirthschaft, 1 Direktor
des Hoftheaters, 1 Direktor der Gemäldegallerie, 1 Hofprediger, zusammen
58 Fremde aus verschiedenen deutschen Ländern und der Schweiz. Was
aber das Merkwürdigste ist, das ist der Umstand, daß die Gescheitheit (die
bei hierländischer Ausfassung einzig und allein in der liberal-gothaischen
oder republikanischen, jedenfalls kirchenfeindlichen Richtung gefunden wird)
bei uns nur Einfuhrartikel, und dieses Spezificum von Gescheitheit noch
nicht zum Ausfuhrartikel geworden ist, indem noch keine auswärtige Re-
gierung Diejenigen begehrt hat, welche durch die Fremdenlegion gescheit
gemacht wurden. Bad. Beob.
Deutschland.
Michelstadt, 25. Jan. Mittwoch den 7. Febrnar beginnen
vor dem hiesigen Bezirksstrafgerichte die Verhandlungen wegen
dem bekannten Neckarsteinacher Casinostnrm. Bei der großen
Zahl der Angeklagten und den massenhaften Zeugen dürften die
Verhandlungen längere Zeit währen. (Mz. Ab.)
Aus Bayern, 27. Jan. Ein Theil der Fortschrittspresse scheint
nur von Gift uud Mord zu träumen. So sucht jetzt das Augs-
burger Anzeigeblatt den Verdacht auszustreuen, der kürzlich ver-
storbene Prinz Otto voll Savopen, jüngster Sohn des Königs
Victor Emanuel, sei durch die „Ultramontanen" vergiftet worden!
Es gibt keine Schlechtigkeit mehr, welche diese Blätter lischt An-
dern zutrauen; welchen Rückschluß läßt aber dies, nach einem
alten deutschen Sprüchwort, auf ihre eigenen sittlichen Grundsätze
zu? Und setzt nicht der Glaube an solche Schauermährchen, wie
sie namentlich auch der Nürnb. Anzeiger zu verbreiten sucht, das
Gegentheil von Verstand und Aufklärung voraus? Der Prinz
Otto von Savoyen war übrigens von Kindheit an schwach und
kränklich; er litt an Scropheln und war verwachsen. Auch der
älteste Sohn des Königs Victor Emanuel, der Kronprinz Hum-
bert, erfreut sich keiner kräftigen Gesundheit, sondern soll brust-
leidend sei. (Pst Zlg-)
Wien, 26. Jan. Geräuschlos, aber energisch hat unser
thütiger Handelsminister ein großes lind wichtiges Unternehmen
vorbereitet. So eben ist eine Schisfsexpedition nach den ostasia-
tischen Gewässern fest beschlossen worden. Der diplomatische

Theil der Mission ist dem Legationsrath Jsfordink vom aus-
wärtigen Amt übertragen; Scherzen, von der Novara-Expe-
dition rühmlich bekannt, begleitet die Expedition, bestehend aus
zwei Kriegsschiffen, die Contreadmiral Tegethofs commandiren
und von welchen eines die Corvette Friedrich sein wird, welche
seither im Hafen von Kiel stationirt war und sofort durch ein
anderes Kriegsschiff ersetzt werden wird. Bekanntlich wurde der
Gedanke im Juni 1864 durch des Rheders P. Revoltella Bro-
schüre „Oesterreichs Betheiligung am Welthandel" angeregt und
weiter entwickelt durch den Bericht des Comite's, welches in
Folge jener Schrift durch allerhöchstes Handschreiben vom 9.
Febrnar 1865 eingesetzt worden war. (Fr.Pztg.)
Wien, 29. Jan., Abends. Das Kaiserpaar ist heute Morgen
nach Pesth abgereist und daselbst um 2 Uhr Nachmittags ein-
getroffen, von den Honoratioren und einem zahlreichen Publikum
empfangen. Die Bürgermeister von Pesth und Ofen hielten
Ansprachen, welche der Kaiser erwiderte. Mädchen überreichten
dem Kaiser Blumenbouquets. Der Empfang aus dem Bahnhofe
und auf der Straße bis zur Burg war ein begeisterter. (Fr.Pztg.)
Ausland.
Aus Rom, 17. Januar, wird berichtet: Die „Unita
Cattolica" hat der Kasse des Peterspfennigs im verflossenen
Jahre die höchste Summe der von ihr eingelieferten Beiträge
zugesendet, nämlich 594,000 Franken. Seit 1860, wo sie ihre
Sammlung eröffnete, hat sie 2,110,872 Franken nach Rom
gesendet, wozu noch eine bedeutende Masse von Pretiosen und
andern werthvollen Gegenständen kommt, die auch auf mehr als
eine Million geschätzt sind. Das alles hat ein einziges ka-
tholisches Blatt zusammengebracht!
Erklärung.
Ein Correspondent der „Badischen Landeszeitung" hat mich
kürzlich in jenem Blatte denunzirt, ich hätte die hiesigen Katho-
liken, als sie den großen Kirchenprozeß gewonnen, zum Schießen
und Käsebrodessen veranlaßt und hätte auf diese Weise durch
Verletzung der Gefühle der Prozeßgegner den Gemeindefrieden
aufs Neue gestört. Da dieser Vorwurf auch sonst, von ver-
ständigen und unverständigen Leuten in Parade gesetzt wurde,
so muß ich folgende Erklärung geben.
Ob es richtig ist, daß an jenem Abend der eine oder andere
Katholik die Intoleranz so weit trieb, seine Freude durch Ver-
zehrung eines Käsebrods auszudrücken und dadurch den Orts-
frieden zu stören, weiß ich in der That nicht, da ich an jenem
Abend gar nicht aus dem Hause kam; ist es aber wirklich ge-
schehen, so ist es doch unrichtig, daß ich die Last dieses Ver-
gehens zu tragen habe — ich bin unschuldig daran. Das
Schießen hat seine Richtigkeit, aber wieder ist unrichtig, daß
ich es veranlaßte, es ging vielmehr lediglich von meinen Pfarr-
kindern selbst aus. Dabei muß ich mich freilich für schuldig
bekennen, daß ich darüber keinen großen Schmerz empfand, ja
nicht einmal in die geringste Verwunderung darüber gerieth,
sondern es für ganz natürlich ansah. Abgesehen von den schmerz-
lichen Sorgen eines jahrelangen, durch alle VerwaltungS- und
Gerichtsinstanzen hindurchgesührten Streites, ist es doch wohl
erklärlich, daß die Katholiken sich freuten über den glücklichen
Schluß dieses Prozesses, den sie zur Rettung ihres Eigenthnms
und zum Schutz ihres Gottesdienstes zu führen genöthigt
waren. Was die Freudendemonstration durch Schießen anbe-
langt, so gebe ich gerne zu, daß die Prozeßgeguer, welches leider
die evangelischen Mitbürger waren, kein besonderes Vergnügen
daran gehabt haben, sondern vielmehr dadurch in eine ver-
drießliche Stimmung gerathen konnten; ich habe aber auch die
volle Ueberzeugung, daß die Katholiken gewiß aus schonungs-
voller Rücksicht für dies Gefühl ihrer Mitbürger niemals an
eine solche Demonstration auch nur gedacht hätten, wären sie
nicht durch eine besondere Veranlassung, Zur Wahrung ihrer
bürgerlichen Stellung, ebenfalls dazu genöthigt gewesen. Denn
kaum einige Wochen vorher hatte die Protestantenpartei in der
Wahlmännermahl zu den Kreisrathswahlen obgesiegt, und ihre
Jubeldemonstration mit Schießen, Festessen, Reden und Toastiren
war, ohne die geringste Rücksicht auf die Gefühle der Katholiken,
eine noch weit größere, obschon bei weitem nicht so begründete,
als wie die katholische Freudenäußerung über die Gewinnung
des Kirchenprozesses. Warum also jetzt das Wehgeschrei über
diese gewiß viel berechtigtere Freudenüußernng der Katholiken?
Was "berechtigt die Gegner zu klagen? Werin man Schonung
der Gestihle verlangt, so muß man zur gehöriger! Zeit daran
denken, daß andere Leute auch Gefühl haben, uud wenn man
den Frieden will, so muß man nicht vorher mit ungeschickter,
roher Hand die Zarter: Wurzeln des Friedens zerstören. Doch,
ich will ja nicht anklngen, sondern nur unbillige Anklagen ab-
wehren, und schließe mit denr schon früher geäußerten Wunsch,
 
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