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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 26-39 (1.März - 31. März)
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— 155 -

Worden, dies durch das Kirchen- und Volksblatt zur weiteren
Kenntniß der evangelischen Glaubensgenossen zu bringen.
Söllingen den 21. März 1866. Balzer, Altbürgermstr.
in Untermutschelbach; Eberle, Kirchengemeinderath in Brö-
zingen; Gruner, Pfr. in Königsbach; Haag, Pfr. in Brö-
zingen; Kern, Pfr. in Hagsfeld; O.-K.-R. Mühlhaußer,
Pfr. in Wilferdingen; Peter, Pfr. in Spöck; Specht Pfr.
in Ispringen; Zwecker, Altbürgermeister in Linkenheim.
Obergimpern, 27. März. Bei uns sind die Katho-
liken vortrefflich gesinnt; nur der Bürgermeister mit wenigen
Anhängern macht eine Ausnahme. Dies hat er neulich wieder
einmal gezeigt, als in der Gemeinderaths- und Ausschußsitzung
ein Mitglied des engeren Ausschusses den Wunsch äußerte, es
möchte bri dem Ausschreiben unserer Zwei neu zu erbauenden
Schulhäuser auch der bei uns stark verbreitete Pfälzer Bote,
und nicht blos die fortschrittlichen Blätter, benützt werden. Der
Bürgermeister weigerte sich jedoch hartnäckig, dem Pfälzer Boten
ein Inserat zukommen zu lassen. Dies scheint uns nicht blos
einseitig und feindselig zu sein, sondern es ist unter allen Um-
ständen auch unklug, weil der Pfälzer Bote am liebsten vom
Volke gelesen wird und damit auch am meisten beitragen könnte
zur Verbreitung der Bekanntmachung. Wahrscheinlich ist dem
Bürgermeister der Pfälzer Bote deshalb so verhaßt, weil dieser
für die Abschaffung der großen Bürgerausschüsse wirkt, mit
deren Sturz auch die Herrlichkeit unseres Herrn Bürgermeisters
zu Ende wäre. (Der Bote hat ein scharfes Auge aus die
Bürgermeister; er dankt deshalb dem Berichterstatter aus Ober-
gimpern für diese Mittheilung. Zum Glück braucht der Bote
nicht von den bürgermeisteramtlichen Verkündigungen zu leben;
er trinkt doch seinen Neuen. Uebrigens reize der Bürgermeister
von Obergimpern nicht den Boten zum Zorn; er könnte ihm
sonst ein Liebel singen, wie dem von Jöhlingen, und das macht
böses Blut. Für jetzt wills der Bot noch hingehen lassen.)
Karlsruhe, 25. März. Man kann sich in unserem Lande
gar nicht mehr zurechtfinden. Die Physiognomie hat sich von
Grund aus geändert. Regierung, Stände, Presse waren früher
überaus tapfer, führten in der hohen Politik das große Wort
und fast gewann es den Anschein, als werde in Zukunft ohne
Badens Zustimmung kein Kanonenschuß füllen. Und nun? Die
höchst reservirte Antwort des Ministers v. Edelsheim, das völ-
lige Verstummen der zweiten Kammer und der Presse, die noch
nie dagewesene Bescheidenheit der Kathederhelden zeigt die maß-
losen Verlegenheiten, worin man sich nach allen Seiten hin
befindet. Und um den Contrast recht grell zu machen, herrscht
jetzt in der ersten Kammer, veranlaßt durch erlauchte Standes-
herrn und edle Barone, ein bewegtes Leben; die offene, rück-
haltlose Sprache erinnert an den dereinstigen Freimuth des
englischen Oberhauses, der den Rechtsstaat in England rettete,
als die Gemeinen den ärgsten Servilismus bethätigten. „Neu-
tralität" ist jetzt das Wort, das bezüglich des Antagonismus
zwischen Oesterreich und Preußen vorzugsweise in einflußreichen
Kreisen hier gehört wird, worauf aber — wir glauben nicht
unabsichtlich — das sonst stumme, doch aus dem auswärtigen
Amt manchmal inspirirte osficiöse Blatt mit einem beherzigens-
werthen Artikel aus dem Württemberger Staatsanzeiger gestern
antwortete. An Einführung der Zwangseivilehe wird auch
nicht mehr gedacht und selbst über das neue Schulgesetz, dessen
erster Theil den unseligen Conflict zwischen Staat und Kirche
hervorrief, wird von hier ans in nachgiebiger Weise mit der
erzbischöflichen Curie in Freiburg unterhandelt. Vielleicht ge-
winnt Hr. Lamey hiebei ein besseres Terrain, nachdem es sich
herausgestellt haben soll, daß weder er, noch Hr. Knies, son-
dern Hr. Jolly es war, dem die harten Geldstrafen bei Ver-
weigerung der Annahme des Ortsschulrathsamtes zu verdanken
sind. Schade, daß das Budget noch nicht genehmigt ist —
nm diesen Preis brächte jetzt mancher Bismarckianer gerne das
Opfer, alle die gepriesenen Gesetzesentwürfe über Preßfreiheit,
Vereine, Ministerverantwortlichkeit, Gemeindeordnung re. bei
L-eite zu legen und es beim Alten zu belassen, womit man
ausgiebig maßregeln konnte. (Fr. Postz.)
^Karlsruhe, 17. März. 5. Sitzung der 1. Kammer (Forts.)
Frhr. v. Andlaw: Was der Vorredner und der durchlauchtigste
^nterpeUntionssteller gesagt, habe seine volle Zustimmung; was er Seitens
ier Rcgierungsbank vernommen, habe ihn nicht vollkommen befriedigt,
^benn, wie der Herr Präsident des großh. Staatsministeriums versichert,
her angefochtene Grundsatz seit 60 Jahren in unserem Lande in Geltung
stünde, dann würde er es bedauern, unter der Herrschaft dieses Grundsatzes
60 Jahre alt geworden zu sein. Aus diesem Grundsätze gingen Folgen
hervor, die er bekämpfe, denen er aus Gewisfensgründen entgegentrete.
Was der Herr Präsident des großh. Ministeriums des Innern dargelegt,
habe ihn einigermaßen befriedigt — doch finde er, daß seine Handlungen
nicht damit im Ginklange stünden. Jndeß wolle er heute nicht näher hier-
auf eingehen; es fände sich eine spätere Gelegenheit hierzu. Der Definition
des Satzes, die hier zu hören gewesen, stehe die andere Deutung acaen-

über, daß das bürgerliche Gesetz bestimmt sei, das Gewissen zu ersetzen.
Es könne darunter wohl nur das unter Strafe gebietende und verbie-
tende Gesetz gemeint sein, und wenn man jenem Grundsätze praktische An-
wendung gehe, so hieße das eine Theorie verwirklichen, welche die mensch-
liche Gesellschaft geradezu mit Vernichtung bedrohe. Um nicht in Strafe
zu fallen, hätte man sich beständig die unendliche Masse menschlicher Gesetz-
gebungen gegenwärtig zu halten. Wer wohl eine solche Geistesarbeit zu
unternehmen, der Entscheidung solcher manichfaltigen Gesetze in jedem
Augenblicke, bei jedem Gedanken, bei jeder Handlung seines Lebens bewußt
zu sein, seinem Leben darüber bestimmte Regeln vorzuschreiben vermöge?
Eine solche Prätention, wie sie für das bürgerliche Gesetz gefordert
werde, erhebe nicht einmal das göttliche Gesetz, das höchst einfach auf
objektiv sittlicher Grundlage den Willen frei gegeben habe, denselben aber
auf das Gewissen hinwies, als auf die Richtschnur seines Handelns.
Die Kirche dulde daher auch nicht, gegen ein blos irrendes Gewissen
einzuschreiten, sie halte eine Handlung nicht für Sünde, wenn das Gewissen
sich dabei in einem unüberwindlichen Jrrthum befunden habe. Erst wenn
der Jrrthum klar erkannt, und mit Bewußtsein gegen die Stimme des
Gesetzes gehandelt werde, sei die sittliche Schuld vollbracht. Wie thöricht
es sei, für menschliche Gesetze eine Wirksamkeit in Anspruch zu nehmen,
welche das göttliche Gesetz ablehne!
Das Gewissen sei das einzig lebendige, in. jedem Augenblick den Ein-
zelnen erkennbare Gesetz. Das menschliche Gesetz hingegen greife zu der
Fiction, daß Jeder dasselbe kennen müsse, und er werde strafbar, sobald
er es nicht kenne, sogar wenn er es nicht kennen könne. Wer nicht einsehe,
daß die bindende Rechtlichkeit des Strafgesetzes mit dem Gewissen wegfalle!
Ohne Gewissen würde es keine rechtliche Anwendung des Gesetzes auf das
Leben geben, es bestünde kein Antrieb, dasselbe zu glauben und es zu be-
folgen.
Redner weist das hohe Haus darauf hin, wie ein großer Meister des
Alterthums die Stellung desfen, was in der christlichen Welt das Gewißen
heiße, zu dem menschlichen Gesetze betrachtete. Er nennt Cicero. „Ich
weiß zwar nicht, ob dieser große Mann noch einige Geltung hat. Seinen
Ruf als Staatsmann hat er in der neuen Zeit schon dadurch eingebüßt,
daß er sich reaktionärer Angriffe gegen Catilina schuldig machte. Sein
Ruf als Gelehrter dürfte noch so lange vorhalten, bis es etwa philologischen
Seminaristen einfällt, die Correctheit der Latinität des Meisters anzuzwei-
feln." — Citat aus Cicero:
„Wenn die Gerechtigkeit in dem Gehorsam gegen gefchriebene Gesetze
und Volksinftitutionen besteht, und Alles, was (gewiffe) dieselben Menschen
sagen, nach der Nützlichkeit zu ermessen ist, so werden auch die Gesetze ver-
nachlässigt und gebrochen werden durch Solche, die es können, und damit
glauben, sich selbst Vortheile zuzuwenden.".
„Uns (Menschen) stürzt die Verschiedenheit der Meinungen und Wider-
streit unter den Menschen in Verwirrungen."
Ob sich ein größerer Geiftesdruck, ein größerer Terrorismus gegen
den menschlichen Willen denken lasse? Wo es hinführen müßte, wenn das
menschliche Gesetz ohne Anerkennung des Gewissens strafen wolle? ohne
Anerkennung des Gewissens gäbe es keine Sittlichkeit. Das Gewissen sei
die einzige wirksame Präventivanftalt auch des Staates; das Gesetz könne
den Gedanken, diese eigentliche Quelle des Vergehens, nicht treffen; die
Vorbereitung, den innerlichen Antrieb dazu, könne das weltliche Gesetz
nicht bestrafen, ja es bedrohe dieselben kaum. Wie es mit der Kraft
menschlicher Institutionen stünde ohne Anerkennung des Gewissens, z. B.
mit dem Verfassungseide, mit dem politischen und Verspruchs-Eide; wie es
mit der Treue der Verträge stünde im Großen und im Privatverkehre —
ohne das Gewissen? Was der Aushebung des Gewissens (des religiösen
Privatgewissens) folgen würde? Man möge sich nur einen Staat denken,
in dem beispielsweise der Grundsatz zur allgemeinen Geltung käme: Der
Betrug, den das Gesetz nicht ausdrücklich mit Strafe bedroht, welcher in
den verschiedensten Gestalten austritt, und zudem erwiesen werden muß, sei
erlaubt?
Solche Verwirrungen in den Anschauungen mancher Staatsmänner
hätten ihren eigentlichen Grund in einer gewissen Feindseligkeit gegen die
positive Religion und die Kirche, als zunächst die Trägerin des göttlichen
Gesetzes und die Beschützerin des Gewissens.
'Die sich daraus entwickelnden Kämpfe verderben nicht, wie Dr. Lamey
einmal meinte, die Kirche — sondern den Staat selbst, der qualitative
Einbuße erleidet, während die Kirche nur quantitativ und zeitweise verliert,
aus den Kämpfen immer wieder ihren Bestand und ihre Heilkräfte für die
der Menschheit geschlagenen Wunden rettet.
Das Gesetz, eine Abstraktion, habe gar kein, also am wenigsten ein
öffentliches Gewissen, und könne, selbst gewissenlos, nicht andere, vollends
nicht alle Gewissen im Namen der Freiheit beherrschen.
Das Gewissen sei etwas rein individuell Subjektives und dulde ohne
die äußerste Tyrannei keinen Zwang in irgend einer Art.
Die schlimmsten Erscheinungen des Tages gingen ja gerade aus der
Fälschung der Gewissen durch irrthümliche Theorien hervor: Daraus erwachse
uns gleichsam ein neues Recht und eine neue Sitte. Dieses öffentliche
Gewissen schaffte neue Tugenden und neue Verbrechen. Die christliche
Moral gelte diesen Theorien als ein überwundener Standpunkt; die Be-
stimmung des Menschen sei damit Manchem nur noch, sich selbst ein mög-
lichst ausgedehntes Maß materiellen Wohlseins zu erringen. Die Schranke,
welche das Sittengesetz zwischen dem Wohlergehen Anderer und dem eigenen
ziehe, werde dem Selbstbestimmungsrechte des Einzelnen anheimgegeben, es
damit zu halten, wie ihm beliebt. Das sei recht bequem und angenehm
für Jene, welche es auszuüben vermögen, und verlockend für Solche, die
im Besitze der Macht stünden.
Wie es aber mit der Ungeheuern Mehrzahl Jener stehe , welche nicht
zu diesen angeblich Glücklichen des Tages gehören?
Wir aber, sagt Frhr. v. Andlaw schließlich, Nehmen das Recht auf
ein eigenes Gewissen für Jeden in Anspruch, und finden nur darin eine
sichere Bürgschaft auch für das gute Recht eines Jeden. (Forts, f.)
Deutschland.
Berlin, 28. März. Die heutige „Provinzialcorrespon-
deuz" sagt: Die preußische Regierung muß wachen, daß die
LandesgrenZen keinen Augenblick unvertheidigt sind. Vermöchte
Oesterreich überwiegende Truppenmassen dicht an der preußi-
schen Grenze aufzustellen, ohne daß Preußen das erforderliche
Gegengewicht bereit hätte, io könnte möglicher Weise eine plötz-
 
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