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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 40-50 (5. April - 28. April)
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— 191 —

allenthalben gegen die beabsichtigte Einführung der Zwangs-
Civilehe kundgibt, hat man es im dasigen Bezirk besonders übel
vermerkt, daß es gerade der Vertreter unseres Wahlbezirks war,
der die bekannte Motion einbrachte. Es ist daher in diesen
Tagen von der Mehrheit der Wahlmänner — 37 an der Zahl,
gerade so viele als für den dermaligen Abgeordneten seiner Zeit
gestimmt haben — an unsern Abg. Eckhard eine ernste M i ß-
billigung seiner Motion abgegangen. (Bad. Beob.) Der Bote
fügt die Bemerkung bei, daß auf eine derartige ernste Rüge
hin der zuvieleheritterliche Abg. Eckhard anstandshalber sich ge-
drungen fühlen müßte, sein Mandat niederzulegen, zumal dieser
Herr stark den Demokraten spielt, also auf die Volksstimme vor-
allem hören müßte. Dankt der Mann aber nicht ab, so wird
der Bote sich die Freiheit nehmen, den Bürger Eckhard in ganz
gleiche Linie mit den gothaer Maulhelden zu setzen, welche den
ganzen Tag vom Volkswillen schwatzen und die ganze Nacht
darüber nachdenken, wie man dem Volk den Maulkorb noch
fester zuschnürt.
Deutschland.
/X Michelstadt, 18. April. (Prozeß. Forts.) Die Sitzung
des Dienstag Morgen wird damit begonnen, daß zuerst die
Zeugin Elis ab. Rieger von Neckarsteinach vorgerufen wird,
welche erzählt, sie sei an diesem Tage auf das Schloß gegangen
und habe sich in der Nähe der Linde aufgehalten, wo sie Meh-
rere gesehen habe, die sie namentlich angibt, welche mit Steinen
nach dem Schlosse und der Terrasse geworfen Hütten, Oestreicher
habe einen Prügel gehabt, feine Mutter kam und holte ihn.
„Ich sah Hornbläser mit Mehreren gegen das Schloß werfen,
einen Stein sah ich auch vom Schloß herunter werfen, nachdem
schon lange vorher hinaufgeworfen worden war. Herr v. Dorth
ging zum Thore heraus und gebot Ruhe, als er zurückging,
drängten sie sich nach. Das Thor wurde geschlossen und dann
dawider geworfen und geschlagen. Johann Neuhäuser schoß
gegen das Schloß. Meine Schwester stand einige Zeit bei mir,
ich ging wieder nach Hause."
Maria Rieger. Eichler hatte eine Latte, Joh. Heilmann
und Georg Michel hatten Prügel, sie waren schon an der Linde
als ich hinkam, ebenso waren mit Prügeln dort Steinhäuser,
Spitz und Lang. Herr v. Dorth gebot Ruhe, ich sah wie Feuer-
stein geschlagen wurde, wer es aber gethan, habe ich nicht ge-
nau gesehen. Die Gensdarmen standen auch da, machten aber nichts.
Georg Lamm. Ich ging auf die Straße, es begegnete
mir Georg Spitz, er zog ein Eisen aus seinem Hosensack, sagend,
da habe ich was, damit kann ich Einem Heimleuchten. Ich ging
wieder in mein Haus.
Joh. Anton Maurer. Ich hörte die Reden, fand nichts
Beleidigendes. Am Thore suchte ich die Tumultuanten zu be-
ruhigen, darauf rief der Schmitt, bleibt daheim mit den Pfaf-
fen! Am Thore hielten wir die Prügler zurück, bis die älteren
Leute fort waren, wir gingen hinten hinunter, auf der Straße
wurde schon auf unsere Leute vom Wald und von der Straße
selbst aus geworfen. Wir deckten den Rückzug und trieben die
Tumultuanten, wenn sie zu nahe kamen, einige Male zurück.
Ich sah meinen Vater umringt, der zurückgeblieben war und
eilte mit dem Rufe: „sie haben unsern Vater", zurück, den
ich aus den Händen der Wüthenden zu retten suchte. Zeuge
gibt einige der Prügler an.
Georg Maurer. Er hörte mehrere Reden, Gottloses
kam nichts vor, die Hände wurden erhoben, als Herr v. And-
law zum Präsidenten erwählt wurde. Ein fremder Redner
sprach von Lamey, vom Sturz des Ministeriums wurde nicht
gesprochen. Herr von Dorth hatte eine Flinte, einen Herrn
sah ich mit einem Säbel. Schälklappern lagen neben dem Miste,
einige Leute nahmen davon, als so sehr gegen das Thor ge-
stürmt wurde, sonst sah ich keine Waffen. Als Herr v. Dorth
draußen war, sah ich, wie ihm beim Wiederhereintreten durchs
Thor nachgeworfen wurde. Georg Siegel lief zunächst gegen
das Thor, er hatte ein Beil. Beim Abzug blieb ein kleinerer
Theil der Prügler bei der Linde stehen, und als die Katholiken
vorüber waren, kamen diese gegen uns am Thore angestürmt,
wir waren gcnöthigt, auch gegen sie zu werfen und sie zurück-
zuhalten, bis sich mein Vater und noch einige ältere Leute hin-
ter dem Schlosse entfernt hatten. Wir gingen dann auch auf
der andern Seite hinunter, wo aus dem Wald auf uns gewor-
fen wurde; kamen uns die Verfolger zu nahe, so warfen wir
auch nach ihnen. Auf der Straße kam ein Haufe mit Prügeln
nach, wir suchten die Unsrigen im Rücken Zu schützen und dräng-
ten die Verfolger mehrmals zurück; auf einmal hörte ich rufen,
daß sie meinen alten Vater überfallen hätten, ich war etwa 100
Schritte entfernt, eilte zurück, fab hier meinen Bruder und mei-
nen mißhandelten Vater. Siegel'hatte hier ein Beil, I. Olbert
ein Scheit Holz.

Obsthändler Ehr lein. Als ich aufs Schloß kam, wurden
schon Reden gehalten. Ich ging jedoch bald herunter, um unten
ein Glas Bier zu trinken. Als Alles fort war, ging ich die
Straße entlang, da standen etwa 7 mit Prügeln und Einer
sagte: der hat auch einen Degen auf dem Schloß gehabt, wor-
auf sie über mich herfielen und mich zu Boden schlugen und
neben hinunterwarfen.
---- Von der hessischen Bergstraße, 15. April. Wie der
„Weinheimer Anzeiger" Thatsachen entstellt, wo es gilt, die
Katholiken zu verdächtigen, davon gibt dessen Nr. 42 einen
weitern Beleg. Dort berichtet er von Neapel: „eine große
Pfaffenverschwörung ist entdeckt, um die Blutscenen von Bar-
letta gegen die Protestanten hier zu erneuern. Viele adelige
Bourbonisten und Pfaffen sind verhaftet." Die Augsburger
Allgemeine Zeitung aber, von der die Nachricht stammt, sagt:
daß ein kathol. Verein in Neapel bei der Polizei in der ange-
gebenen Richtung verdächtigt, eine Verhaftung mehrerer seiner
Mitglieder vorgenommen, nachdem aber deren Unschuld erkannt
worden, eine alsbaldige Freilassung erfolgt sei. Und das nennt
„das Weinheimer Amtsblatt" „die große Pfaffenver-
schwörung um die Blutscenen von Barletta gegen die Prote-
stanten zu erneuern!" Kann man unverschämter lügen? Ueber-
haupt war diese Barlettageschichte den protestantischen Pfaffen
in Heidelberg und ihrem Anhänge, z. B. dem „Weinheimer An-
zeiger", Wasser auf die Mühle. Konnte man doch damit dem
Hasse gegen die Katholiken wieder einmal nach Herzenslust freien
Laus lassen. Das „Heidelberger KirchenblaU" war schamlos
genug, sogar die Katholiken in Baden für die Excesse eines
italienischen Pöbels verantwortlich zu machen, indem es jenen
Protestanten, die mit den Katholiken in Baden gemeinschaftlich
Glaubens- und Gewissenszwang bekämpfen, zuruft: „Und mit
denen, die die Protestanten morden, wollt Ihr gemeinschaftliche
Sache machen?" Nach dieser Beschuldigung des Protest. Pfaffen-
blattes sind also alle Katholiken der ganzen Welt „Protestanten-
mörder" ! Es ist schwer zu sagen, ob dieser protestantischen Pfaf-
fen Blödsinn oder Gemeinheit größer ist. ^Davon mucksen sie
und das „Weinheimer Amtsblatt" kein Wort, daß der angebliche
protestantische Geistliche in Barletta nichts anders als ein
Schreinergeselle gewesen, der mit einigen fanatischen Anhängern
inmitten einer ganz kathol. Bevölkerung auf die roheste Weise
Proselytenmacherei trieb, die kathol. Kirche und ihre Lehren
frech verhöhnte und beschimpfte, bis endlich den heißblütigen
Italienern die Geduld ansging und sie sich zu den Gewalttharen
hinreißen ließen, die Niemand mehr beklagt, als die Katholiken
selbst. Davon reden die Pfaffen in Heidelberg und der „Wein-
heimer Anzeiger" kein Wort, daß ein kathol. Geistlicher in Bar-
letta war, der den verfolgten Protestanten Schutz und Sicher-
heit gegen seine eigenen Landsleute gewährte. Weil die Italiener
ihre Kirche und ihren Glauben nicht höhnett und beschimpfen
lassen von sremden Eindringlingen, wie z. B. die lammsge-
duldigen Katholiken in Baden, und weil die Vorgänge in Bar-
letta abermals deutlich gezeigt haben, daß es mit der Prote-
stantisirung, d. h. Unglüubigmachung Italiens in Schenkel-
Bluntschli'scher Manier noch in weiter Ferne stehe, während
man io sicher daraus gehofft hatte, -— daher das Wuthgeheul
der Heidelberger Pfaffen und ihrer Anhänger. Wären ihre seit
Langem betriebenen Hetzereien gegen die Katholiken von Erfolg
gewesen, so hätten diese in Baden schon in unzähligen Bar-
lerta's ihr blutiges Ende gefunden.
Frankfurt, 21. April. In der heutigen Bundestags-
sitzung wurde beschlossen, den Antrag Preußens einem Ausschuß
von 9 Mitgliedern zu überweisen, welcher in der nächsten Sitz-
ung gewählt werden wird. Bei seiner Zustimmung zu diesem
Beschluß erklärte Oesterreich zugleich seine Bereitwilligkeit, in
die Berathung über eine Reform des Bundes einzugehen. Der
Kaiser habe die Nothwendigkeit derselben durch sein Vorangehen
im Jahre 1863 anerkannt, mit Ausnahme Preußens haben
sich damals alle deutschen Fürsten geeinigt; Preußen werde sich
hoffentlich nicht der Verpflichtung entziehen, seine Vorschläge
ebenso bestimmt zu sormuliren. Auf die Motive des preußi-
schen Antrags übergehend, erklärt Oesterreich weiter, daß der
Artikel XI. der Bundesacte und Artikel XIX. der Schlußacte
allen Bundesgenossen den gleichen Schutz gewährte. Der Kaiser-
wiederholt seine in der Note vom 31. März gegebene Erklärung,
daß er den Bundesfrieden nicht stören werde, das gleiche auch
von Preußen erwartend; nur dann, wenn die Achtung vor den
Bundesgesetzen für alle Regierungen die oberste Norm bleibe,
könne das Vertrauen wiederkehren, welches allein den Be-
rathungen über die Bundesreform einen gedeihlichen Ausgang
hoffen lasse. — Preußen hat auf die Motive feines Antrags
einfach Bezug genommen. Ausführliche Erklärungen geben nur
Sachfen und Hannover, ersteres um dis gegen den Bund ge-
 
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