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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 40-50 (5. April - 28. April)
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194

gen die Eivilehe im. Anschlüsse an die Karhvtitenversiunmtung in
Hubbad an die hohe erste Kammer abgegangen, unterzeichnet von
207 selbständigen kath. Bürgern, dein Gemeinderath in beiden
Orten mi. der Spitze. Ferrier eine Dankadresse an den edlen
Freiherrn von Audi am von dergleichen Anzahl Bürgern unterzeich-
net. Dem Herrn Staatsrath Stabet dürfte es bei diesem Sturm
voll Mänueim - und Frauenprotcstcn immer klarer werden, daß
man in der That „einer beachtenswertsten Volksmeinung gegen-
über stehe" und daß den gläubigen Katholiken die kirchliche Ein-
segnung der Ehe etwas ganz anders ist, als eine „hundertjährige
Gewohnheit." — In Kappelwindeck hat sich am vorigen Sonn-
tag ein zahlreicher kath. Männerverein gebildet.
/X Roth, 20. April. Am 15. d. M. ist unser Bürger-
verein mit zahlreichem Besuche erfreut worden. Es kamen näm-
lich um die Mittagszeit die katholischen Männervereine von
Malsch und Malschenberg zum Besuche und eitrige Stunden
später der Gesellenverein von Wiesloch. Herr Psarrverweser
Retzbach sprach in beredten Wörter: über den Zweck der katho-
lischen Vereine, woraus man sich mir Gesang und Deelamation
vergnügte. Es ist zu hoffen, daß ähnliche Zusammenkünfte der
Vereine sich bald wiederholen werden.
— Wiesloch, 22. April. Von hier ging eine Zustimmung
zu der Protesterklärung der Katholiten-Versamnckung im Hubbade
an die Erste Kammer der Stände ab, welche 1 l 7 kathol. Männer
unterzeichnet habet:.
HZ Weingarten, 18. April. Ein Beispiel neuürarischen
Despotismus. Herr Pfarrer Kirchgeßner dahier hatte auf die
im Auftrage des Ortsschulraths an ihn ergangene Auf-
forderung des Bürgermeisteramtes ein Verzeichniß der schul-
pflichtigen Kinder einzusendeu, nicht entsprochen, weil der kath.
Pfarrer dazu weder verpflichtet, uoch berechtigt sein kann; dagegen
hatte er sich erboten, dem Bürgermeisteramt als solchem das ge--
wünschte Verzeichniß zugchen zu lassen. Heute nun erhielt der-
selbe vom Bezirksamt Durlach ein Schreiben, worin er als bür-
gerlicher Standesbeamter aufgefordert wurde, dem Vorstand des
kathol. Ortsschulraths, Herrn pract. Arzt Reichert, diese Liste
binnen drei Tagen zuzuseuden, widrigenfalls er um 15 st. ge-
straft würde. Daß Hr. Kirchgeßner diesem Ansinnen nicht nach-
kommen kann, ist um so handgreiflicher, als, wie auch Herr
Amtmann Spangenberg wissen könnte, ein Übereinkommen ge-
troffen ist, demzufolge die kathol. Geistlichen die Schullisten den
Bürgerrueisterämtern zugehen lassen dürfen, ohne mit den von
ihnen gar nicht anerkannten Ortsschulräthen in dienstliche Be-
ziehungen zu treten. Aber gewisse diensteifrige Herren scheinen
alle Erlasse zu vergessen, wenn sich Gelegenheit bietet, gegen
einen braven kathol. Geistlichen die Strasruthe zu schwiugen.
Zudem, warum werden denn den Ortsschulräthen nicht die
Duplikate zur Verfügung gestellt, welche sich in der Hand der
Staatsbehörden befinden? Ist es denn ein Vedürfniß, die Geist-
lichen in Collisionen zu treiben und ihnen VexaUonen zu bereiten?
X Jöhlmgeu, 19. April. Unser Männerverein, der jetzt
16o Mitglieder zählt, blüht und gedeiht aufs Beste. Nie ge-
ahnte Talente kommen zum Vorschein, die „Kartoffelbauern"
der Bad. Landesztg. halten Reden, singen Tprolec-, Ländler-
und Pfälzer Lieder, daß es eine Freude ist. Dahingegen ver-
zapft aber auch der Engelwirth einen Seldeneck'schen Stoff, der
allen Männervereinen zu wünschen wäre. Wo gutes Gebräu
ist, da ist auch guter Humor. Mit Beiden sind wir aufs Beste
versehen, und es ist darum nicht zu verwundern, wenn die
letzten Widerspenstigen allmählig herankommen, uv: niit uns
Frieden zu schließen.
Z Bruchsal, l9. April. Der Kraichgaubote berichtet über
die „Katholikenversammlung", welche am 5. d. M. in Frankfurt
stattgefunden hat, wohl aus keinen: andern Grunde, als am
Schlüsse dieses Berichtes behaupten zu können: „Bischof Ketteler
wird also in Anklagezustand versetzt von seinen eigenen kathol.
Gemeinden." Hätte der edle Kraichgauer seinen Lesern die Be-
schlüsse dieser Auch-Katholikenversammlung etwas ausführlicher
mitgerheilt, als er es für gut befunden, so würde seine und
seiner Leser Freude viel gemäßigter sein. Diese Versammlung
hat nämlich beschlossen a) eine Eingabe an die hessische Kammer
gegen das Morallehrbuch des Jesuiten Gurp, das in sehr vie-
len Priesterseminarien eingeführt ist, d) eine Ansprache an die
kathol. Gemeinden ebenfalls gegen dieses Lehrbuch, dann aber
für Vertretung der Laien in kirchlichen Angelegenheiten, für
die Messe in deutscher Sprache, sowie für die Ab-
schaffung der Ohren beichte; endlich o) eine Adresse an
die Solothurner „Katholiken" welche jüngst gegen ihren General-
vicar sich „sittlich entrüstet" habe::. Wir meinen, Leute, die
nichts Gescheiteres vermögen, als wieder aufzuwärmen, was
Hans Rouge, Ducat und Auchpriester Beck schon lange abge-
Hvcht haben, dürften denn doch nicht mit den kathol. Gemeinden

des Bftchofs Ketteler verwechselt werden. Und wenn solche
Leute, die so wenig wie die Gelehrten des Kraichgauboten, wissen,
was in dem Gurstscheu Lehrbuch, gegen welches man sie in's
Bockshorn jagt, nur geschrieben steht, wenn solche Leute den
Herrn Bischof Ketteler in Anklagezustand versetzen und Ein-
gaben an die hessische Kammer machen, so wird dies gerade so
viel nützen, als wenn Herr Nodrian sich über Oie „Pfaffen"
ärgert und Herr W. meint, dieser Psaffenwirthschaft müsse ein
Ende gemacht werden.
Z Bruchsal, 22. April. In seiner Nr. 46 bringt der
„Kraichgaubote" (unsere Leser wissen schon, was das für ein
Ding ist) unter der Aufschrift „Verschiedenes" einen der „Wiener-
Presse" entnommenen Artikel bezüglich eines Unfugs, der in
Salzburg mit sog. „Beichtzetteln" getrieben werden soll.
Demzufolge bestände nämlich in Salzburg die barbarische
Uebung, daß die Geistlichen ihre Psarrangehörigen zur Ver-
richtung der österl. Andacht anhalten und die Befolgung dieses
Gebotes idurch Beichtzette! eontroliren. Die Hauseigenthümer
sollen den Geistlichen dieses Geschäft dadurch erleichtern, daß sie
ihren Hausleuten die verhängnisvollen Zettel abverlangen und
dem Pfarrer überbringen, wodurch sie nach der Meinung des
Kraichboten und der Wiener (Juden.-) Presse zu Aufsichtsorganen
der Pfarrei werden. Ein Theil der Miether aber, der keinen
Beruf zur österl. Beicht fühle, kaufe sich um den Preis von
10 kr. bis zu 1, 5, ja 10 Gulden solche Beichtzettel von alte::
Weibern, Kellnern (so!) und Tagdieben, welche fast unausgesetzt
natürlich die Beichtväter wechselnd, die Beichtstühle umlagern,
um diesen Handel ohne Scheu und fast öffentlich betreiben zu
können; was Alles nur zu deutlich beweise, welchen Werth er-
zwungene religiöse Handlungen besitzen. Selbst dem Kraichgau-
boten „klingt die Sache seltsam", „doch spricht für die Wahrheit
der Angaben, daß gerade ein Wiener Blatt dieselben veröffent-
licht", meint er.
Fürwahr, ein saftiges Artikelchen für ein Blatt, das, wie
der Kraichgaubote „im Sinne des vernünftigen Fortschritts auf
staatlichen: und kirchlichen: Gebiete wirkt." Darum kann er sich
nicht versagen, der „Wiener Presse", einem Judenblatt, das in
Oesterreich Ungefähr gerade so viel Ansehen besitzt, als bei uns
die (alte) Landeszeitung, die oben berichteten „Angaben" nach-
zudrucken, obwohl er mit dem Geschmus von dem Kloster Zamsira
in Bucharest, welcher er derselben „Wiener Presse" entlehnte,
erst vor Kurzem so glänzend aufgesessen ist. lVgl. Pfalzer Bote
Nr. 38).
Aber selbst angenommen, Alles was die „Wiener Presse"
und nach ihr der Kraichgauer über die Beichtzettelgeschichte er-
zählen, sei buchstäblich wahr, ums wäre bannt bewiesen? In
den Augen der kath. Kirche wären alle die „alten Weiber, Kellner,
Tagdiebe w. w.", welche, um Beichtzettel zu erhalten, wiederholt
beichten, nichtswürdige, sacrilegische Betrüger. Wem aber hätte
diese Betrügerzunft ihr Dasein zu verdanken? Nicht der kath.
Kirche, sondern einer gewissen Elässe von Auchkatho-
liken, die „keinen Beruf dazu fühlen", der kath. Kirche zu
gehorsamen, die aber zu feig sind, aus einer Kirche auszutreten,
deren allbekannte Gebote zu erfüllen sie keinen Beruf fühlen.
Daß zu diesen religiösen Falschmünzern, wenn die ganze Geschichte
nicht wieder erlogen ist, gerade vornehmere Personen gehören
müßten, geht daraus hervor, daß sie bis zu 10 Gulden für
einen Beichtzettel bezahlen sollen. Aber diese vornehmen, intelli-
genten Katholiken, welche der Kraichgaubote einen so auffallenden
Beweis feiger und niederträchtiger Gesinnungslosigkeit ablegen
läßt, sie sind es ja gerade, denen der Edle wegen ihrer Auf-
klärung sonst alle Achtung und Aufmerksamkeit angedeihen läßt!
Kirchentreue Katholiken, den: Kraichgauer ein fortwährender Stein
des Anstoßes, sind keiner solchen Verruchtheit fähig. —
Wir werden auf die Salzburger Beichtzettelgeschichte zurück-
kommen, theilen aber vorläufig mit, daß dieser Artikel des
Kraichgauers einen soliden Gutsbesitzer von hier bewogen hat,
das Abonnement dieses Blattes bei dem Redakteur desselben per-
sönlich aufzuküudigen. — Ehre einem solchen Manne, der sich
gewiß nie dazu hergeben würde, Beichtzettel zu kaufen; dieser
hat sich ehrenhaft „nut seinem Gewissen abgefunden." — Dafür
muß er aber auch auf die Ehre verzichten, von dem Kraichgauer
den „aufgeklärten Katholiken" beigezählt zu werden.
Z) WLescnthal, A. Bruchsal, 18. April. Von hier ist
gestern eine Protesterklärung mit 304 Unterschriften katholischer
Männer an die hohe erste Kaimuer abgegangen.
Freiburg. Von hier ist eine Adresse nnt 2612 Unter-
schriften katholischer Frauen und Jungfrauen gegen die obliga-
torische Civilehe an die hohe erste Kammer abgegangen.
8 Oberwittstadt, 21. April. Eine Adresse kathol. Männer
mit 201 Unterschriften, darunter Bürgermeister und Gemeinde-
 
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