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dürftigsten, magersten Spässe, die sogar in der Landesbase 'noch
besser stehen, was viel herßen will, wie z. B. über die Jung-
frauen von Obergimpern und die „Kaplüne von Bruchsal", nebst
einem plumpen Ausfall auf den Fürsten Löwenstein. Herr Bootz
dagegen sprach kürzer, aber weit gediegener, und es war nur
eine Stimme, daß er der eigentliche Löwe des Tages war. Es
ist dies derselbe beliebte demokratische Volksredner, der im
Jahre 48 bei der Aulaversammlung, die von „Vater" Winter,
Soiron u. s. w. abgehalten wurde, den größten Beifall erntete.
Damals schloß nämlich Soiron seine Rede mit dem pathetischen
Ausruf: „Das deutsche Volk, meiue Herreu, ist der Hauseigen-
thümer, die Fürsten dagegen nur die Miethsleute, und wenn die
Miethsleute nicht thun wollen, was der Herr will, so sagt er
einfach zu ihnen: „Zieht ans!" Großer Beifall folgte dieser
Rede, aber Herr Bootz rief von hinten: „ah was, es dauert
eben zu lange!"
Dies war das Fest der „sittlichen Entrüstung" auf dem
Heidelberger Schloß! Die Mannheimer Spanner und wohl-
riechenden Jndenbuben, die auch eiugeladen waren, blieben aus,
sowie auch die Neckarsteinacher Schiffsreiter, die Helden und
Kerntrnppcn der neuen Aera. Bis tief in die Nacht waren die
Bierhünfer angcfüllt mit lärmenden Fortschrittsmäunern, und
die patriotischen Bierwirlhe fanden Gelegenheit, ihr schlechtestes
Getränk an den Mann zu bringen. Warum sollten auch diese
Ehrenmänner aus ihrem Patriotismus nicht Kapital schlagen?
x Bom Neckar, 30. April. Vor kurzem hatten eine An-
zahl katholischer Bürger von Petersthal, Wilhelmsfeld, Schönau
und Ziegelhausen in Petersthal eine Besprechung zu dem Zwecke,
einen katholischen Männerverein aus den genannteil Orten zu
gründen, der anch seitdem ins Leben getreten ist. Diese erste
Zusammenkunft gab einem Gemeinderalh in Z. Veranlassung,
eine böswillige Anzeige zu machen, als seien von den Katho-
liken Lieder gesungen worden, die gegen die bestehende Staats-
ordnung gerichtet wären, ja sogar Majestätsbeleidigungeu ent-
hielten. Und das hat der nämlicbe Mann gethan, dessen frühere
demokratische Sünden wohl bekannt und gehörigen Ortes auf-
bewahrt sind. So lächerlich die Denunciation des Mannes anch
sein mag, so rathen wir ihm doch für die Zukunft zur Vor-
sicht; sonst könnte Flaschon ihm auch einmal ein Liebel singen.
(Es ist bezeichnend genug, daß in einer Menge voll Städtchen
und Dörfern, wie viele Briefe darthun, die Leute in Unter-
suchung genommen werden wegen des harmlosen Liedels vom
„Boten aus der Palz". Sollte es denn wirklich scholl so weit
gekommen sein, daß man das „Gothathum", d. h. die gothaisch-
kleindeutschen Professoren und ihren Rattenschwanz mit unserer
Staatsordnung als eins bezeichnet? Nein, das ist unmöglich,
das wäre der lächerlichste Blödsinn; deßhalb nur lustig weiter
gesungen: „Zum Teufel mit dem Gothathum!" Der Bote.)
O LaderUurg, 29. April. Heute ging auch vou hier
eine Zustimmung Zu der Protesterklärung der Hubbader Katho-
liken - Versammlung an die Erste Kammer ab, die von 106
kachm. Männern unterzeichnet war.
/X Mosbach, 27. April. Heute ging von hier eine
Protestadresse mit 200 Unterschriften gegen die Zwangscivilehe
nach Karlsruhe ab.
-st- UlbstadL, 28. April. Heute ist eiue voll l66 hiesigen
Bürgern unterzeichnete Adresse gegen die Zwangesvilehe an die
erste Kammer abgcgaugen.
§ Bruchsal, 27. April. Die Andlaw'sche Ministerallklage
zeigt cs wieder klärlich, wie gut es ist, daß die confervanve
Partei in Baden endlich einmal eine eigene, eiue unabhängige
Presse besitzt. Während alle neuärarischen Blätter sich mit mage-
ren Auszügen aus Freiherr v. Andlaw's Rede begütigen und
den wahren Sachverhalt durch giftige Raisonuemeuts entstellen,
ist es allein der Bad. Beobachter, der durch Wiedergabe des
Ganzen Jedermann in den Stand setzt, sich ein selbstständiges
Unheil zu bilden. Am bequemsten macht es sich aber wiederum
der Preßlakai aus dem Kraichgau. Er tröstet seine genügsamen
Leser mit der „Huldigung", welche dem Staatsrath Lamep für
die ihm am 21. Avril gewordenen „nichtswürdigen An-
griffe in Gestalt eines Fackelzugs" bereitet wurde, mit der
„neuaufloderndeu Begeisterung des ganzen Landes für den Mann
seines vollen Vertrauens, für seinen Liebling — August
Lamep." Fast wäre man versucht auszurufen: Wie haißt? —
Wir können bezüglich dieses, den ganzen Staatsrath mit Vor-
und Zuname umfassenden Lobspruches nur wiederholen, was wir
dem Kraichgauer scholl einmal zu verstehen gegeben haben: So
entschuldbar es auch ist, wenn man demjenigen, welchem man
seine Existenz verdankt, herzlichst gewogen ist, zugethan meinet-
wegen bis Zur Verliebtheit, so unanständig wird diese Zärtlich-
keit, wenn sic anfüngt rücksichtslos und dumm zu werden. In
diesen Fehler verfällt aber der Kraichgauer, indem er Hrn. Lamep
Zu Liebe Audlaw und seine Gesinnungsgenossen „nichtswürdiger
Angriffe" auf den Minister beschuldigt. Diese „Angriffe" waren
gerechtfertigt durch die harte und ungesetzliche Bestrafung vieler
gewissenhafter Katholiken, begründet durch den actenmäßigen Nach-
weis des dem Ministerium zur Last gelegten Verfahrens, hervor-
gerufen durch Hru. Lamep selbst, der den actenmäßigen Beweis
dieses Vorwurfes begehrte, ausgeführt endlich mll einer Noblesse
ulld Schonung, von der wir all den liberalen Rednern nur das
Gegentheil entdecken können. Wer so beschaffene „Angriffe"
nichtswürdig nennen kann, dessen Sinn für Recht, Wahrheit
und Anstand befindet sich unter dem Striche.
Karlsruhe, 21. April. 9. Sitzung der ersten Kammer.
(Fortsetzung der Rede des Freiherrn v. Andlaw.)
Die Bezirksämter hätten sich aber strikte an die auf dem
Wege der Verordnung vom 20. August 1864 beziehenden 2 Ent-
schuldigungsgründe gehalten oder nicht einmal immer diese gel-
ten lassen. Alle andern, wenn schon auf den höchsten ethischen,
sogar menschlichen Motiven beruhenden Entschuldigungsgründe
seien voll den Bezirksämtern unberücksichtigt geblieben. Ja noch
mehr: Ministerium d. I. und Staatsministerium Hütten auch
constant alle Recurse als unstatthaft verworfen, deren Gründe
sich nicht in dem engen, beispielsweise angeführten Kreis des
Z. 17 obiger Verordnung bewegten.
Von Wichtigkeit fei, zu betrachten, welche Ablehnungs-
gründe für nicht genügend erachtet wurden:
Die auffallend geringe Anzahl der Wähler.
Der Umstand, daß eine Wahl sogar mit einer Stimme
erfolgte, habe nach dem Commissionsbericht der 2. Kammer eine
Generalverfügung des großherzoglichen Ministeriums d. I. vom
6. Oktober 1864, Nr. 4154o, veranlaßt, nach welcher die zur
Gültigkeit einer Wahl erforderliche geringste Anzahl von drei
Wählern bezeichnet wurde.
Nach gemeiner Vernunft sollte es aber doch nicht für un-
bescheiden gelten, zu verlangen, es sollte die Anzahl der Wählen-
den doch größer fein, als jene der zu Wählenden. Hier sei es
anders gewesen: es Hütten drei Wähler in die Lage kommen
können, 4 Ortsschulrüthe zu wählen, also über die häufig ein-
getretenen Fälle hinaus, daß die Wähler außer sich selbst, noch
Änderte ihre Stimme gaben.
Das Gesetz hätte nothwendig analoge Bestimmungen aus
anderen Wahlgesetzen bezüglich der Theilnahme an der Wahl
für die gültige Wahl auch der Ortsschulrüthe aufuehmen müssen.
Eine solche Verfahrungswcise wäre viel gerechter gewesen, als
sich umgekehrt im Strafgebiete nach Analogien auf dem Wege
der Verordnuug umzusehen.
Wenn man auch aunehmen wollte, daß in der allgemeinen
Wahlnoth die Verwaltung sich veranlaßt sehen konnte, eine
Minoritätswahl von 3 Wühlern zu Gunsten des Gewählten
nach dem Satze: volonti non tit injnria für gültig zu erklären,
so erscheine die Sache in einen! ganz anderen Ächte, wenn ein
Zwang für die Annahme einer derartigen Wahl zur Anwen-
dung gebracht werde.
"Falls die drei vollgültig berechtigten Wähler etwa miß-
achtete Persönlichkeiten, nur nicht unmittelbar aus dem Zucht-
haus entlassen, oder die Folgen ihrer Verurtheilnng ihnen noch
nicht nachgelassen seien: wie dann ein ehrenhafter Bürger könne
eine solche Wahl als einen Vertraucnsausdruck seiner Glaubens-
genossen und Mitbürger betrachten und diese Wahl bei Strafe
aunehmen müssen? Welche „gesetzliche" Zumuthung dies sei!
Aus seinen Belegen gehe hervor, daß solche Wahlen mitunter
das Werk des politischen oder Privathasses waren, um dem Geg-
ner zu schadeu.
Der erfahrene Staatsmann Graf Hennin, welcher das
Leben nicht blos nach Theorien beurtheile, habe in diesem Hause
vergebens vor derartigen Mißgriffen mit den Worten gewarnt:
„Eine Erhebung von Geldstrafen mit Zulassung von solchen
Minoritütswahlen verletzt entschieden das Rechtsgefühl." Seinem
Antrag auf Festsetzung einer Minimalzahl von ffr oder nur ffs
der Wahlberechtigten im Verordnnngswege wurde nicht ent-
sprochen, ob wegen oder ungeachtet des glänzenden Wahl-
ergebnisses, läßt Redner dahingestellt.
Hätten sich früher Gesetzgebung und Vollziehungsbehörde
der Erwartung hiugegeben, es werde der Zudrang an die Wahl-
urne überall sehr groß sein, so wären solche Illusionen zur Zeit,
als Graf Hennin seine gewichtigen Worte sprach, längst ge-
wichen gewesen, und habe die Erfahrung auf deren volle Be-
rechtigung hingeioiesen.
Ein' zweiter, ebenso wenig berücksichtigter Ablehnungsgrund
habe in der Erklärung vieler Gewählten gelegen, sie hielten
sich nicht für befähigt, die Schule zu beaufsichNgen.
Ein charakteristisches Zeichen fei es jedenfalls^ daß in dem
Gesetze auch nicht ein einziger Unfühigkeitsgrund für öas
dürftigsten, magersten Spässe, die sogar in der Landesbase 'noch
besser stehen, was viel herßen will, wie z. B. über die Jung-
frauen von Obergimpern und die „Kaplüne von Bruchsal", nebst
einem plumpen Ausfall auf den Fürsten Löwenstein. Herr Bootz
dagegen sprach kürzer, aber weit gediegener, und es war nur
eine Stimme, daß er der eigentliche Löwe des Tages war. Es
ist dies derselbe beliebte demokratische Volksredner, der im
Jahre 48 bei der Aulaversammlung, die von „Vater" Winter,
Soiron u. s. w. abgehalten wurde, den größten Beifall erntete.
Damals schloß nämlich Soiron seine Rede mit dem pathetischen
Ausruf: „Das deutsche Volk, meiue Herreu, ist der Hauseigen-
thümer, die Fürsten dagegen nur die Miethsleute, und wenn die
Miethsleute nicht thun wollen, was der Herr will, so sagt er
einfach zu ihnen: „Zieht ans!" Großer Beifall folgte dieser
Rede, aber Herr Bootz rief von hinten: „ah was, es dauert
eben zu lange!"
Dies war das Fest der „sittlichen Entrüstung" auf dem
Heidelberger Schloß! Die Mannheimer Spanner und wohl-
riechenden Jndenbuben, die auch eiugeladen waren, blieben aus,
sowie auch die Neckarsteinacher Schiffsreiter, die Helden und
Kerntrnppcn der neuen Aera. Bis tief in die Nacht waren die
Bierhünfer angcfüllt mit lärmenden Fortschrittsmäunern, und
die patriotischen Bierwirlhe fanden Gelegenheit, ihr schlechtestes
Getränk an den Mann zu bringen. Warum sollten auch diese
Ehrenmänner aus ihrem Patriotismus nicht Kapital schlagen?
x Bom Neckar, 30. April. Vor kurzem hatten eine An-
zahl katholischer Bürger von Petersthal, Wilhelmsfeld, Schönau
und Ziegelhausen in Petersthal eine Besprechung zu dem Zwecke,
einen katholischen Männerverein aus den genannteil Orten zu
gründen, der anch seitdem ins Leben getreten ist. Diese erste
Zusammenkunft gab einem Gemeinderalh in Z. Veranlassung,
eine böswillige Anzeige zu machen, als seien von den Katho-
liken Lieder gesungen worden, die gegen die bestehende Staats-
ordnung gerichtet wären, ja sogar Majestätsbeleidigungeu ent-
hielten. Und das hat der nämlicbe Mann gethan, dessen frühere
demokratische Sünden wohl bekannt und gehörigen Ortes auf-
bewahrt sind. So lächerlich die Denunciation des Mannes anch
sein mag, so rathen wir ihm doch für die Zukunft zur Vor-
sicht; sonst könnte Flaschon ihm auch einmal ein Liebel singen.
(Es ist bezeichnend genug, daß in einer Menge voll Städtchen
und Dörfern, wie viele Briefe darthun, die Leute in Unter-
suchung genommen werden wegen des harmlosen Liedels vom
„Boten aus der Palz". Sollte es denn wirklich scholl so weit
gekommen sein, daß man das „Gothathum", d. h. die gothaisch-
kleindeutschen Professoren und ihren Rattenschwanz mit unserer
Staatsordnung als eins bezeichnet? Nein, das ist unmöglich,
das wäre der lächerlichste Blödsinn; deßhalb nur lustig weiter
gesungen: „Zum Teufel mit dem Gothathum!" Der Bote.)
O LaderUurg, 29. April. Heute ging auch vou hier
eine Zustimmung Zu der Protesterklärung der Hubbader Katho-
liken - Versammlung an die Erste Kammer ab, die von 106
kachm. Männern unterzeichnet war.
/X Mosbach, 27. April. Heute ging von hier eine
Protestadresse mit 200 Unterschriften gegen die Zwangscivilehe
nach Karlsruhe ab.
-st- UlbstadL, 28. April. Heute ist eiue voll l66 hiesigen
Bürgern unterzeichnete Adresse gegen die Zwangesvilehe an die
erste Kammer abgcgaugen.
§ Bruchsal, 27. April. Die Andlaw'sche Ministerallklage
zeigt cs wieder klärlich, wie gut es ist, daß die confervanve
Partei in Baden endlich einmal eine eigene, eiue unabhängige
Presse besitzt. Während alle neuärarischen Blätter sich mit mage-
ren Auszügen aus Freiherr v. Andlaw's Rede begütigen und
den wahren Sachverhalt durch giftige Raisonuemeuts entstellen,
ist es allein der Bad. Beobachter, der durch Wiedergabe des
Ganzen Jedermann in den Stand setzt, sich ein selbstständiges
Unheil zu bilden. Am bequemsten macht es sich aber wiederum
der Preßlakai aus dem Kraichgau. Er tröstet seine genügsamen
Leser mit der „Huldigung", welche dem Staatsrath Lamep für
die ihm am 21. Avril gewordenen „nichtswürdigen An-
griffe in Gestalt eines Fackelzugs" bereitet wurde, mit der
„neuaufloderndeu Begeisterung des ganzen Landes für den Mann
seines vollen Vertrauens, für seinen Liebling — August
Lamep." Fast wäre man versucht auszurufen: Wie haißt? —
Wir können bezüglich dieses, den ganzen Staatsrath mit Vor-
und Zuname umfassenden Lobspruches nur wiederholen, was wir
dem Kraichgauer scholl einmal zu verstehen gegeben haben: So
entschuldbar es auch ist, wenn man demjenigen, welchem man
seine Existenz verdankt, herzlichst gewogen ist, zugethan meinet-
wegen bis Zur Verliebtheit, so unanständig wird diese Zärtlich-
keit, wenn sic anfüngt rücksichtslos und dumm zu werden. In
diesen Fehler verfällt aber der Kraichgauer, indem er Hrn. Lamep
Zu Liebe Audlaw und seine Gesinnungsgenossen „nichtswürdiger
Angriffe" auf den Minister beschuldigt. Diese „Angriffe" waren
gerechtfertigt durch die harte und ungesetzliche Bestrafung vieler
gewissenhafter Katholiken, begründet durch den actenmäßigen Nach-
weis des dem Ministerium zur Last gelegten Verfahrens, hervor-
gerufen durch Hru. Lamep selbst, der den actenmäßigen Beweis
dieses Vorwurfes begehrte, ausgeführt endlich mll einer Noblesse
ulld Schonung, von der wir all den liberalen Rednern nur das
Gegentheil entdecken können. Wer so beschaffene „Angriffe"
nichtswürdig nennen kann, dessen Sinn für Recht, Wahrheit
und Anstand befindet sich unter dem Striche.
Karlsruhe, 21. April. 9. Sitzung der ersten Kammer.
(Fortsetzung der Rede des Freiherrn v. Andlaw.)
Die Bezirksämter hätten sich aber strikte an die auf dem
Wege der Verordnung vom 20. August 1864 beziehenden 2 Ent-
schuldigungsgründe gehalten oder nicht einmal immer diese gel-
ten lassen. Alle andern, wenn schon auf den höchsten ethischen,
sogar menschlichen Motiven beruhenden Entschuldigungsgründe
seien voll den Bezirksämtern unberücksichtigt geblieben. Ja noch
mehr: Ministerium d. I. und Staatsministerium Hütten auch
constant alle Recurse als unstatthaft verworfen, deren Gründe
sich nicht in dem engen, beispielsweise angeführten Kreis des
Z. 17 obiger Verordnung bewegten.
Von Wichtigkeit fei, zu betrachten, welche Ablehnungs-
gründe für nicht genügend erachtet wurden:
Die auffallend geringe Anzahl der Wähler.
Der Umstand, daß eine Wahl sogar mit einer Stimme
erfolgte, habe nach dem Commissionsbericht der 2. Kammer eine
Generalverfügung des großherzoglichen Ministeriums d. I. vom
6. Oktober 1864, Nr. 4154o, veranlaßt, nach welcher die zur
Gültigkeit einer Wahl erforderliche geringste Anzahl von drei
Wählern bezeichnet wurde.
Nach gemeiner Vernunft sollte es aber doch nicht für un-
bescheiden gelten, zu verlangen, es sollte die Anzahl der Wählen-
den doch größer fein, als jene der zu Wählenden. Hier sei es
anders gewesen: es Hütten drei Wähler in die Lage kommen
können, 4 Ortsschulrüthe zu wählen, also über die häufig ein-
getretenen Fälle hinaus, daß die Wähler außer sich selbst, noch
Änderte ihre Stimme gaben.
Das Gesetz hätte nothwendig analoge Bestimmungen aus
anderen Wahlgesetzen bezüglich der Theilnahme an der Wahl
für die gültige Wahl auch der Ortsschulrüthe aufuehmen müssen.
Eine solche Verfahrungswcise wäre viel gerechter gewesen, als
sich umgekehrt im Strafgebiete nach Analogien auf dem Wege
der Verordnuug umzusehen.
Wenn man auch aunehmen wollte, daß in der allgemeinen
Wahlnoth die Verwaltung sich veranlaßt sehen konnte, eine
Minoritätswahl von 3 Wühlern zu Gunsten des Gewählten
nach dem Satze: volonti non tit injnria für gültig zu erklären,
so erscheine die Sache in einen! ganz anderen Ächte, wenn ein
Zwang für die Annahme einer derartigen Wahl zur Anwen-
dung gebracht werde.
"Falls die drei vollgültig berechtigten Wähler etwa miß-
achtete Persönlichkeiten, nur nicht unmittelbar aus dem Zucht-
haus entlassen, oder die Folgen ihrer Verurtheilnng ihnen noch
nicht nachgelassen seien: wie dann ein ehrenhafter Bürger könne
eine solche Wahl als einen Vertraucnsausdruck seiner Glaubens-
genossen und Mitbürger betrachten und diese Wahl bei Strafe
aunehmen müssen? Welche „gesetzliche" Zumuthung dies sei!
Aus seinen Belegen gehe hervor, daß solche Wahlen mitunter
das Werk des politischen oder Privathasses waren, um dem Geg-
ner zu schadeu.
Der erfahrene Staatsmann Graf Hennin, welcher das
Leben nicht blos nach Theorien beurtheile, habe in diesem Hause
vergebens vor derartigen Mißgriffen mit den Worten gewarnt:
„Eine Erhebung von Geldstrafen mit Zulassung von solchen
Minoritütswahlen verletzt entschieden das Rechtsgefühl." Seinem
Antrag auf Festsetzung einer Minimalzahl von ffr oder nur ffs
der Wahlberechtigten im Verordnnngswege wurde nicht ent-
sprochen, ob wegen oder ungeachtet des glänzenden Wahl-
ergebnisses, läßt Redner dahingestellt.
Hätten sich früher Gesetzgebung und Vollziehungsbehörde
der Erwartung hiugegeben, es werde der Zudrang an die Wahl-
urne überall sehr groß sein, so wären solche Illusionen zur Zeit,
als Graf Hennin seine gewichtigen Worte sprach, längst ge-
wichen gewesen, und habe die Erfahrung auf deren volle Be-
rechtigung hingeioiesen.
Ein' zweiter, ebenso wenig berücksichtigter Ablehnungsgrund
habe in der Erklärung vieler Gewählten gelegen, sie hielten
sich nicht für befähigt, die Schule zu beaufsichNgen.
Ein charakteristisches Zeichen fei es jedenfalls^ daß in dem
Gesetze auch nicht ein einziger Unfühigkeitsgrund für öas