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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0122

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Bandverbindungen der Wirbel.

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besonders wirksam ist, weil es am weitesten von den Wirbelzentren entfernt
liegt. Am Halsteil gewinnt es besondere Bedeutung. Denn dort setzt es sich
von der Vertebra prominens aus als hohe, zwischen die Gabeln der Halsdornen
"und zwischen die beiderseitigen Nackenmuskeln eingefügte Platte bis zur Schädel-
basis fort: Ligamentum nuchae (Abb. 139b).

Bei Tieren spielt das Nackenband eine besondere Bolle, weil dort das Schädel-
gewicbt an der Wirbelsäule keinen Unterstützungspunkt hat, sondern durch die
Muskeln frei getragen werden müßte, wenn nicht im Nackenband eine automatische
Feststellung bestünde. Es ist bei ihnen aus unzähligen elastischen (gelben) Fasern
gebildet, welche parallel angeordnet sind (Abb. 65) und selbst einem Raubtierschädel
mit seinen großen Zähnen und Knochenwiderlagern oder dem behörnten Wider-
käuerschädel das Gleichgewicht zu halten vermögen, indem sie an enormen Dorn-
hebeln und dem weit ausladenden Hinterhaupt ansetzen (Abb. 80 a). Will
das Tier den Kopf bewegen, so vermag der aktive Muskelzug, solange er wirkt, das
Gleichgewicht zwischen Kopfgewicht und Zug des Nackenbands zu stören. Hört
er auf, so ist automatisch der Schädel in der betreffenden Stellung ausbalanciert.
Auch hier wird Muskelkraft, welche stär-
keren Nahrungsverbrauch voraussetzt und dem
Körperhaushalt teurer zu stehen kommt als
Bänderwirkung, nur während der Bewegung
verwendet und in den Ruhestellungen gespart.
Beim Menschen balanciert der Kopf bei auf-
rechter Körperhaltung auf der Wirbelsäule.
Deshalb ist unser Nackenband nur ein Budi-
ment. Sind wir genötigt den Kopf länger in
anderer Stellung zu halten, so haben die
Nackenmuskeln die Last zu tragen. Bekannt
sind die Nackenschmerzen bei Rekruten in-
folge des ungewohnten Helmgewichtes. Das
Nackenband ist aber als dünne Platte zwi-
schen den tiefen Nackenmuskeln immer noch
deutlich und setzt sich bis zur Oberfläche der
Rückenmuskulatur fort (zwischen die Trapezii).
Die einzelnen elastischen Fasern entspringen
an den Halsdornen und von der ihnen ent-
sprechenden Krista des Hinterhauptes. Im
übrigen ist die Platte beim Menschen mehr
ein lockeres Septum zwischen den beider-
seitigen Muskeln, in welches jene elastischen Fasern büschelförmig einstrahlen.

Auch zwischen den Bogen der Wirbel verlaufen elastische (gelbe) Bänder,
Ligg. intercruralia (Abb. 64). Sie lassen nur für den Durchtritt von Gefäßen
und Nerven jederseits ein Loch frei, Foramen intervertebrale, welches
den Einschnitten der beiden Nachbarknochen entspricht (Incisurae vertebrales,
Abb. 45—49). Diese elastischen Züge tapezieren den Zwischenraum zwischen
den knöchernen Bogen so aus, daß in keiner Stellung Quetschfalten entstehen
können, wie es bei Bändern aus straffem Bindegewebe möglich wäre. Die ela-
stische Faser ist, solange sie an beiden Enden Befestigung und Halt hat, in jeder
Stellung gerade und verbindet die Befestigungspunkte auf dem kürzesten Wege.
Es ist zum Schutz des Rückenmarkes und der ihm aufliegenden Gefäße wichtig,
daß die Wand des Rückgratkanales in jeder Stellung glatt und faltenfrei bleibt.
Die inneren Widerstände, welche die elastischen Zwischenbcgenbänder der
Dehnung entgegensetzen, kommen auch der Hemmung von Bewegungen der
,,Körpersäule" zugute. Insofern unterstützen sie die obengenannten Band-
apparate, die aus straffem Bindegewebe bestehen.

Elastische und straffe Fasern, welche in jedem Bindegewebe gemischt vor-
kommen, sind bei der Wirbelsäule in spezialistischer Weise weitergebildet, indem
reines elastisches Gewebe den Vorrang bekommt, wo es wesentlich auf die innere
Eigenschaft ankommt, Dehnungen wieder auszugleichen (Zwischenbogen-
bänder, Nackenband), reines straffes Gewebe dagegen, wo bloß passiver Wider-

Kollagenes Binde- Teillingsstelle einer

gewebe (vot) elastischen Faser

Querschnitte elastischer Fasern (gelb)

Abb. 65. Nackenband, Rind. Quer-
schnitt; elastisches Bindegewebe, Färbung
mit Pikrinsäure, Fuchsin, Hämatoxylin
(van Gieson). Kollagene Fasern rot,
elastische Fasern gelb (hier ist die gelbe
Farbe künstlich; die natürliche Gelbfärbung
ist ganz schwach und makroskopisch nur
bei großen Massen von Fasern deutlich).
 
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