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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0197

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186

Bauch.

nach der Seite die dorsalen und ventralen Muskelbänder der einen Körperseite
gemeinsam gegen diejenigen der anderen Seite arbeiten. Entscheidend ist
jedoch, daß der Körper bei diesen Bewegungen durch seine Schwere wirksam
wird, sobald er die labile Gleichgewichtslage der aufrechten Körperhaltung
verläßt. Es ergibt sich deshalb das scheinbare Paradoxon, daß die Rumpf-
beuge nach vorn in Wirklichkeit durch Rüc ke nmuskeln ausgeführt wird,
weil sie allein dem Gewicht des Rumpfes entgegenwirken können. Die
geraden Bauchmuskeln geben zur gewollten Rumpfbeuge nach vorn nur
den Anstoß und verkürzen sich nur so weit, daß ihre Länge der jeweiligen
Stellung angepaßt ist. Die Rückenmuskeln sind also die aktiven Muskeln
für die ruhige, aufrechte Stellung, welche durch Vornüberstürzen am
meisten gefährdet ist, wie bei den Stehversuchen eines Kindes. In der Ruhe-
stellung ist alles so im labilen Gleichgewicht, daß die Rückenmuskeln und
die ebenfalls benötigten Gesäßmuskeln (Glutaeus maximus) schlaff sind.
Aber bei der geringsten Störung gleichen sie durch ihre Kontraktion das Über-
gewicht nach vorn aus. Umgekehrt wird die Rumpfbeuge nach hinten (Exten-
sion) durch die geraden Bauchmuskeln ausgeführt und die Rückenmuskeln
geben nur den ersten Impuls. Bei der Rumpfbeuge nach der Seite wirken die
dorsalen und ventralen Muskeln der gegenüberliegenden Körperhälfte ge-
meinsam. Dies ist aber alles anders, sobald der Körper aus der Horizontal-
lage (Rücken-, Bauch- oder Seitenlage) in eine dieser Stellungen überzugehen
versucht. Dann ist das Körpergewicht mitzuheben; in diesem Falle arbeitet
immer diejenige Muskelgruppe, nach welcher die Bewegung hinführt.

Aus der Bettlage richten alle geraden Bauchmuskeln auf (im Verein mit den
schrägen Bauchmuskeln, siehe unten). Diese Bewegung ist ohne Zuhilfenahme der
Arme schwierig und oft für schwere oder geschwächte Menschen unmöglich. Die
volle Wirkung der Bekti und die Lage der Zwischensehnen ist bei ihr am schönsten
durch die Haut zu beobachten (Abb. 106). Abnormitäten der Bekti (Diastase)
werden sofort sichtbar.

Doppel- Die beiden schrägen Bauchmuskeln jeder Seite unterstützen die beiden

einseitige geraden (Rekti und Quadrati), wenn die rechts- und linksseitigen Muskeln,
^ObHquialso aue vier Obliqui gemeinsam wirken. Die Obliqui externi ziehen mit
großer Kraft den Brustkorb nach vorn und nähern Brustkorb und Becken ein-
ander; die Obliqui interni greifen, wenn die Rumpfbeuge nach vorn im
Gange ist, mit dem oberen, aufsteigenden Teil an den Spitzen der unteren Rip-
pen an und ziehen sie nach unten und rückwärts (Abb. 120). Beide Bewegungen
knicken den Rumpf nach vorn ein wie ein offenes Taschenmesser; sie sind be-
sonders wichtig in allen Fällen, in welchen dies gegen die Körperschwere ge-
schehen muß (Erheben aus der Horizontallage, Turnen). Bei der Rückneigung
des aufrechtstehenden Menschen werden die Rekti, welche das Gegengewicht
halten, von den Obliqui externi unterstützt (Abb. 86); die Interni können in
diesem Fall nicht mitwirken.

Ganz anderes leisten die schrägen Muskeln, wenn sie beim aufrecht stehen-
den Körper einseitig benutzt werden. Der Obliquus externus und internus
der gleichen Körperseite sind dann Antagonisten und nicht Synergisten wie bei
der Rumpfbeuge nach vorn. Bei der einseitigen Aktion kommt die Drehung
des Körpers um die eigene Achse zustande (Torsion, Abb. 87). Der rechts-
seitige Obliquus externus z. B. dreht die Vorderfläche des Rumpfes nach der
linken Seite hinüber (Vornehmen der rechten Schulter) und setzt die Spiral-
bewegungen fort, die am Rücken vom linken Splenius und von den rechten
transversospinalen Muskeln ausgeführt werden kann (Abb. 57). Der rechts-
seitige Obliquus internus macht die entgegengesetzte Torsi oft (Drehung der
Vorderfläche des Rumpfes nach der gleichen Körperseite, Zurücknehmen der
rechten Schulter). Wirken aber rechter Externus und linker Internus zu-
 
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