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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0557

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546

Becken und Hüfte.

Wäre die Wirbelsäule steif, so müßte der Oberkörper um den Betrag aufge-
richtet werden, um welchen sich die Hilfslinie in Abb. 273b schräg gestellt hat.
Statt dessen krümmt sich die Lendenwirbelsäule an der Grenze gegen die Brust-
wirbelsäule stärker. Der Patient liegt mit hohlem Kreuz, aber mit gestreckten
Beinen im Bett (ausgleichende Lordose). Die Vorhebung im Hüftgelenk ist
„maskiert". Ein Griff unter den Rücken belehrt den Kundigen sofort darüber,
daß das Hüftgelenk nur scheinbar gestreckt ist. Richtet man die Wirbelsäule
des liegenden Patienten gerade, so tritt sofort die latente Anteversion des
Hüftgelenkes zutage.

Im Stehen wird das hohle Kreuz benutzt, um die Fußspitze, die bei vorge-
hobenem Oberschenkel den Boden nicht erreichen würde, dem Boden zu nähern
und die ungleiche Länge der Beine möglichst auszugleichen.

Beim normalen Menschen pflegt ganz ebenso ein steil gestelltes Becken mit
einer stark ausgehöhlten Lendengegend kombiniert zu sein, sog. Lendensattel
(Abb. 274). Nur ist es bei diesem kein Zwang, sondern die für das -Gleichgewicht

Abb. 274. Beckenneigung und Lendenkrümmung, a) Steilgestelltes Becken und Lendensattel, b) Mitt-
lere Beckenneigung und mittlere Lendenkrümmung, c) Flach gestelltes Becken und „runder Bücken". (Aus

Strasser, Bd. II, S. 268.)

vorteilhafteste Kombination der meist instinktiv, aber freiwillig gewählten Becken-
neigung und Wirbelsäulenkrümmung.

Wir können die Wirbelsäule auch ohne Beckenvorneigung nach hinten biegen,
indem wir .nämlich das Becken im ganzen nach vorn verschieben, wie wir es ge-
wöhnlich bei extremer Kückbeugung des Körpers tun (Abb. 86).

Maskierte Wird das Becken seitlich geneigt, so biegt sich die Wirbelsäule vikariierend

Becken- ,

neigung nach der entgegengesetzten Seite (ausgleichende Skoliose). Auch dafür gibt
naseiteCr c^as Extrem der atypischen Beckenstellung eine gute Illustration. Bei bett-
lägerigen Kranken mit einer lange währenden Hüftgelenksentzündung gerät der
Oberschenkel des kranken Beines schließlich in dauernde Adduktionsstellung
(S. 539). Die Folge für den Kranken wäre, daß er das kranke Bein schräg über
oder unter das gesunde Bein legen müßte, wenn nicht durch seitliche Becken-
neigimg leicht das Bein ungefähr parallel dem gesunden gelegt werden könnte
(Abb. 275). Wäre die Wirbelsäule ein starrer Stab, so müßte sich der Ober-
körper entsprechend der Seitenneigung des Beckens schief einstellen. Der
Patient liegt aber in Wirklichkeit gerade in seinem Bett, weil das die bequemste
Lage ist; er gleicht die Schiefstellung des Beckens durch eine Skoliose der
Lendenwirbelsäule aus. Die Adduktion im Hüftgelenk ist also durch einseitiges
Hochziehen des Beckens so maskiert, daß die Bettlage anscheinend ganz
normal ist.
 
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