Tibia.
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Äußerlich ist die Gegend bekannt durch das Vorspringen der beiden Enden
der Gabel unter der Haut, die Fußknöchel, Malleoli, von denen der eine,
Malleolus medialis, dem Schienbein, der andere, Malleolus lateralis,
dem Wadenbein angehört. Die Tibia ist so ausschließlich Stützorgan für die
Last des Körpers, daß bei Bruch der Tibia die Fibula einknickt, weil sie den
Körper allein nicht zu tragen vermag. Sie ist bei vielen Tieren verschwunden
bis auf das distale Ende, welches für die Gelenkgabel notwendig bleibt. Aber
beim Menschen spielt sie als Ursprungs- und Insertionsstelle für Muskeln und
Bänder eine wichtige Rolle. Die Tibia ist weitaus stärker als die Fibula. Sie
liegt medial und vorn, die Fibula lateral und hinten (Abb. 268). Letztere ist
tief in den Muskeln versteckt (Abb. 293). Der Name „Wadenbein"' kennzeichnet
dies. Das Schienbein liegt so oberflächlich, daß es mit seiner Innenfläche un-
mittelbar die Haut berührt. Hier ist der Knochen Stößen von außen sehr stark
ausgesetzt. Wie empfindlich das nervenreiche Periost ist, wissen wir alle aus
schmerzlicher Erfahrimg bei solchen Vorkommnissen.
Es gehört zu den Boxerkniffen, einen starken Mann durch Sehlag auf
das Schienbein zu überrumpeln. Direkte G-ewalten frakturieren in erster Linie
die Tibia.
Das Schienbein, Tibia, ist durch Knochenleisten verstärkt, welche Ver"
wie die Linea aspera des Oberschenkelknochens als Pilaster die Tragkraft leisten0,
des Knochens erhöhen. Die Crista anterior springt am stärksten vor; sie ist Ab2059°'
meist flach S-förmig gebogen (Abb. 295a). Beim Stehen auf einem Bein sucht
die Körperlast die Säule nach vorn durchzubiegen; dem bietet diese Leiste
besten Widerstand. Sie läuft arr der Grenze zwischen mittlerem und unterem
Drittel aus; hier liegt die schwächste Stelle des Knochens, an der er bei Frak-
turen am ehesten bricht. Die Krista hält dabei wegen der Festigkeit ihres
inneren Gefügesstand, so daß em spitzer Fortsatz am proximalen Knochenstück
vorragt (Flötenschnabelfraktur). Er wird zur erheblichen Gefahr für den Ver-
letzten, weil er von innen die Haut zu durchspießen vermag (besonders auf dem
Transport eines Verletzten, dessen Bein nicht unverschieblich mit einem festen
Verband fixiert wurde). Gewöhnlich ist das Schienbein auf dem Querschnitt
dreieckig. Arr der Spitze des Dreiecks liegt die Crista anterior, lateral die
Crista interossea und medial der weniger vorspringende Margo medialis.
Die Basis ist nach hinten gerichtet. Diese Leisten festigen die Tibia so, daß der
normale Knochen allen Durchbiegungstendenzen des Körpers selbst beim Stehen
auf einem Bein und bei starken Belastungen vollkommen gewachsen ist.
Es gibt gelegentlich noch eine vierte Leiste auf der Hinterfläche der
Tibia zwischen Musculus tibialis posterior und Musculus flexor digitorum lougus
(Abb. 293). Der Querschnitt ist dann mehr oder minder deutlich vierseitig. Der
vierte Knochenkamm ist wesentlich durch die Ausbildung des Tibialis posterior
bedingt. Bei den prähistorischen neolithischen Typen ist er besonders deutlich.
Der Querdurchmesser der Tibia tritt relativ zurück, je stärker die Crista anterior
und jener hintere Knochenkamm ausladen. Man nenn1 diese Art „Abplattung"
Platyknemie. Im allgemeinen ist die Tibia des jetzt lebenden Europäers eury-
knem, d. h. der Querschnitt ist gleichseitig prismatisch. Bei grazilen Schienbeinen
des rezenten Menschen, besonders bei Frauen, kann der Querschnitt oblong sein,
weil der Querdurchmesser wenig ausgebildet ist (falsche Platyknemie). Die Flächen
können in mannigfaltiger Weise gehöhlt oder torquiert sein.
Brüche kommen zwar nicht selten, aber bezeichnenderweise fast nur bei
Männern im besten Lebensalter vor, d. h. infolge der mit vielen schweren Körper-
arbeiten verbundenen Gefahren, besonders beim Sturz aus großer Höhe oder bei
festgeklemmten Fuß und Einwirkung von stürzender Gewalt auf den Körper.
Unter Torsion der Tibia versteht man die Tatsache, daß der größte Quer- So?- „
durchmesser des distalen Tibiaendes gegen den des proximalen Endes einen Winkel "Torsion
bildet. Der Knochen ist in den genannten Pachtungen am stärksten gewachsen,
nicht wirklich in sich gedreht. Beim Xengeborenen ist der Winkel = 0. Möglicher-
weise ist die postfötale Änderung der größten Querschnittrichtung eine Folge der
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Äußerlich ist die Gegend bekannt durch das Vorspringen der beiden Enden
der Gabel unter der Haut, die Fußknöchel, Malleoli, von denen der eine,
Malleolus medialis, dem Schienbein, der andere, Malleolus lateralis,
dem Wadenbein angehört. Die Tibia ist so ausschließlich Stützorgan für die
Last des Körpers, daß bei Bruch der Tibia die Fibula einknickt, weil sie den
Körper allein nicht zu tragen vermag. Sie ist bei vielen Tieren verschwunden
bis auf das distale Ende, welches für die Gelenkgabel notwendig bleibt. Aber
beim Menschen spielt sie als Ursprungs- und Insertionsstelle für Muskeln und
Bänder eine wichtige Rolle. Die Tibia ist weitaus stärker als die Fibula. Sie
liegt medial und vorn, die Fibula lateral und hinten (Abb. 268). Letztere ist
tief in den Muskeln versteckt (Abb. 293). Der Name „Wadenbein"' kennzeichnet
dies. Das Schienbein liegt so oberflächlich, daß es mit seiner Innenfläche un-
mittelbar die Haut berührt. Hier ist der Knochen Stößen von außen sehr stark
ausgesetzt. Wie empfindlich das nervenreiche Periost ist, wissen wir alle aus
schmerzlicher Erfahrimg bei solchen Vorkommnissen.
Es gehört zu den Boxerkniffen, einen starken Mann durch Sehlag auf
das Schienbein zu überrumpeln. Direkte G-ewalten frakturieren in erster Linie
die Tibia.
Das Schienbein, Tibia, ist durch Knochenleisten verstärkt, welche Ver"
wie die Linea aspera des Oberschenkelknochens als Pilaster die Tragkraft leisten0,
des Knochens erhöhen. Die Crista anterior springt am stärksten vor; sie ist Ab2059°'
meist flach S-förmig gebogen (Abb. 295a). Beim Stehen auf einem Bein sucht
die Körperlast die Säule nach vorn durchzubiegen; dem bietet diese Leiste
besten Widerstand. Sie läuft arr der Grenze zwischen mittlerem und unterem
Drittel aus; hier liegt die schwächste Stelle des Knochens, an der er bei Frak-
turen am ehesten bricht. Die Krista hält dabei wegen der Festigkeit ihres
inneren Gefügesstand, so daß em spitzer Fortsatz am proximalen Knochenstück
vorragt (Flötenschnabelfraktur). Er wird zur erheblichen Gefahr für den Ver-
letzten, weil er von innen die Haut zu durchspießen vermag (besonders auf dem
Transport eines Verletzten, dessen Bein nicht unverschieblich mit einem festen
Verband fixiert wurde). Gewöhnlich ist das Schienbein auf dem Querschnitt
dreieckig. Arr der Spitze des Dreiecks liegt die Crista anterior, lateral die
Crista interossea und medial der weniger vorspringende Margo medialis.
Die Basis ist nach hinten gerichtet. Diese Leisten festigen die Tibia so, daß der
normale Knochen allen Durchbiegungstendenzen des Körpers selbst beim Stehen
auf einem Bein und bei starken Belastungen vollkommen gewachsen ist.
Es gibt gelegentlich noch eine vierte Leiste auf der Hinterfläche der
Tibia zwischen Musculus tibialis posterior und Musculus flexor digitorum lougus
(Abb. 293). Der Querschnitt ist dann mehr oder minder deutlich vierseitig. Der
vierte Knochenkamm ist wesentlich durch die Ausbildung des Tibialis posterior
bedingt. Bei den prähistorischen neolithischen Typen ist er besonders deutlich.
Der Querdurchmesser der Tibia tritt relativ zurück, je stärker die Crista anterior
und jener hintere Knochenkamm ausladen. Man nenn1 diese Art „Abplattung"
Platyknemie. Im allgemeinen ist die Tibia des jetzt lebenden Europäers eury-
knem, d. h. der Querschnitt ist gleichseitig prismatisch. Bei grazilen Schienbeinen
des rezenten Menschen, besonders bei Frauen, kann der Querschnitt oblong sein,
weil der Querdurchmesser wenig ausgebildet ist (falsche Platyknemie). Die Flächen
können in mannigfaltiger Weise gehöhlt oder torquiert sein.
Brüche kommen zwar nicht selten, aber bezeichnenderweise fast nur bei
Männern im besten Lebensalter vor, d. h. infolge der mit vielen schweren Körper-
arbeiten verbundenen Gefahren, besonders beim Sturz aus großer Höhe oder bei
festgeklemmten Fuß und Einwirkung von stürzender Gewalt auf den Körper.
Unter Torsion der Tibia versteht man die Tatsache, daß der größte Quer- So?- „
durchmesser des distalen Tibiaendes gegen den des proximalen Endes einen Winkel "Torsion
bildet. Der Knochen ist in den genannten Pachtungen am stärksten gewachsen,
nicht wirklich in sich gedreht. Beim Xengeborenen ist der Winkel = 0. Möglicher-
weise ist die postfötale Änderung der größten Querschnittrichtung eine Folge der