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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Bernstein, Max: Oskars Brief
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Fitger, Arthur: Distichen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0026

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Vskars Brief. Mitgeteilt von Max Bernstein — Distichen, von Arthur Fitger

14

Hab' ich los, das Weiche und Süße! Das redet mir
Keiner aus!) — es war, unter uns, die Fanny (du
weißt ja!) — und was man auch gegen sie sagen kann,
schöner ist sie als ein altes Weib!

Übrigens Hab' ich jetzt etwas angefangen — du
würdest staunen! Es wird trotz aller Jntrignen ein
Riesenerfolg werden. Es ist nämlich eine Diana oder
so was, mit Nymphen (7 oder 8 Stück, darüber bin
ich mir noch nicht klar). Aber nicht in der steifen Art
wie Makart, der die gute Idee verpfuscht hat. Ich
fasse es ganz modern auf — na, ich sage nichts weiter!
lind wenn ich damit fertig bin, kommt eine Madonna
mit Kind. Du wirst sagen, an diesem Stoff hat sich
schon Rafael versucht und so und so viel Andre. Aber
i ch fasse es eben meiner Zeit entsprechend auf. Ganz
anders als Rafael, das kannst dn mir glauben! Die
Alten haben ihre Zeit gehabt — Fortschritt muß sein!

Obwohl ich mit den „Jungen" auch nicht ganz
einverstanden bin. Natur, Wahrheit, Freilicht — das
klingt ja alles ganz schön. Aber ich male mit Natur,
Wahrheit und Freilicht, und doch gefallen ihnen meine
Bilder nicht recht. Also muß doch das System „Natur,
Wahrheit, Freilicht" falsch sein! Ünd ich sage dir ganz
offen, daß mir die Bilder von Leuten, denen ich nichts
recht machen kann, auch nicht gefallen. Ich sehe absolut
nicht ein, warum ich mich für Leute begeistern soll, die
mir keine Anerkennung zollen. Ansprüche mache ich
nicht — aber was dem Einen recht ist, ist dem Andern
billig. Aber mich dürfen sie um Gotteswillen nicht an-
erkennen, mich müssen sie von der Ausstellung zurück-
weisen — ich könnte ja eine Medaille bekommen und
dann wäre eine weniger für die Kameradschaft da!

Ich bin überhaupt gegen Ausstellungen. Wozu?
Damit zieht man sich einfach Konkurrenz her. Ich
danke! Wofür sind die Kunsthändler da? Den Kunst-
händlern sollte übrigens verboten werden, mit Bildern
auswärtiger Maler Geschäfte zu machen. Die einheim-
ische Kunst sollte mehr geschützt werden.

Die Ausstellungen sollen der Stadt und dem Lande
zur Ehre gereichen. Wie so? Wer malt denn eigent-
lich, wir oder die Stadt und das Land?

Dann sollen die Ausstellungen anfeuern. Schöne
Logik: erst klagt man, daß viel zu viel Bilder gemalt
werden, und dann will man die Leute noch anfeuern!
Und wenn angefeuert sein muß — warum feuert mau
nicht z. B. mich an? Mich weist man eisig kalt zurück
und dafür greift man irgend einem Schotten oder Nor-
weger oder einer andern halbwilden Völkerschaft mit
Anfeuerung unter die Arme.

Dann heißt es: Durch die Ausstellungen lernen
die Künstler. Möchte wissen, wie so? Mein Alter hat
mir schon dreimal Reisen zu verschiedenen Ausstellungen
spendiert — aber ich fordere Jeden auf, mir nachzu-
weisen, daß ich auf irgend einer Ausstellung auch nur
das Allergeringste gelernt habe. Entweder die Bilder
sind nicht besser als meine — warum sind dann nicht
lieber meine ausgestellt? Oder sie sind besser — wa-
rum soll ich sie anschauen und mich ärgern?

Denn du mußt mich nicht für eingebildet halten;
ich weiß sehr gut, daß einzelne Bilder da sind, die viel-
leicht in Einzelheiten besser sind als Einiges, was ich
gemacht habe. Ich bin eben noch jung, Gott sei Dank!
Ich steige empor — einige wenige von den alten Herren
halten sich noch eine Weile, dann werden sie auch ab-
getakelt.

Für heut' genug. Wenn du mal an der Selters-
wasserbude vorbeikommst, grüße die Minna. Ist sie noch
so hübsch wie ihr Conterfei, meine „Bajadere im Mond-
schein" ?

Schreibe bald

deinem dich grüßenden

Oskar.

?. 8. Eben bckvnim' ich einen Brief von meinem Alten:
Der alte Metzer hat Bankerott gemacht! Mir thut nnr der
jnnge leid. Er hat wirklich Kunstverständnis. Was fängt er
jetzt an ? Vielleicht kann er bei einer Zeitung Unterkommen,
als Kritiker über bildende Kunst.

Distichen

von Arthur Litgcr

-ivnroich Nutz
Der Hirte

Preist ihr die eherne Kuh, die das lebende Kälbchen ge-
täuscht hat?

Das ist die göttliche Kunst, wenn uns die Bronze belügt?
Ei, da lob' ich, beim Pan, doch meine lebendigen Kühe;
Diese versprechen nicht nur, sondern sie geben auch Milch.

Myron

Reinerer Kunstsinn, Freund, beseelt dich als hundert Poeten,
Die mit fabelndem Witz wegen der Kuh mich gerühmt.
Alle bewundern sie nur die Täuschung des ehernen Rindviehs,
Aber des Werks Schönheit haben die Gchsen verkannt.

Goethe über Myrons Kuh
Tränke den Säugling die lebende Kuh: noch edlere Milch gab,
Goethe, die eherne dir; Künstler, o kommet, o trinkt!

„Götter! wie treu der Natur der Schmutz selbst! lauterste
Wahrheit!" -

wahr ist er freilich, mein Freund; sage mir, ist er auch
schön?

„Schönheit? läppische Frage, die Schönheit ist just die Wahr-
heit "

— Zweimal zweie macht vier — welch ein entzückend
Gedicht!

weil der Dichter, der Maler die Fülle der eig'nen Empfindung

Kleidet in Bilder, die er von der Natur sich erborgt,

wähnt ihr, die Nachahmung der Natur sei eben das Kunst-
werk.

Ahmt denn der Architekt, ahmt sie der Musiker nach?

wie Ein Gott sich entfaltet im bunten Gewimmel der Dinge,

So entfaltet Lin Gott sich in den Formen der Kunst.

Keiner ist Maß dem andern, doch gleichen sie beide dem
Dritten,

Höchsten, der nur durch sie uns zur Erscheinung gelangt.

Mo der schaffende Geist und die Phantasie euch in Stich läßt,

Kramt thr, als wär's ein Ersatz, brave Gesinnungen ans.

Nützlich ist die Kartoffel und Niemand mag sie entbehren;

Aber tischet sie uns nur nicht statt Ananas auf.
 
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