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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Das Kunsthistorische Museum in Wien: eröffnet am 17. Oktober 1891
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Unsre Bilder
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ss Das Aiinstlsistorischc Museum in Ivien. von U. v. vinccnti — Unsre Lildcr. vom Herausgeber

Veronese durch sieben neue auf 29 Nummern gebracht. Die neuen Tizian sind: ein kleines Bildnis
Karls V., das lebensgroße Porträt der Lavinia Sarcinelli (des Meisters Tochter) und eine „Nymphe mit Schäfer".
Bei den übrigen italienischen Schulen ist die Vermehrung eine geringere; als ein großer Gewinn gleichwohl
kann für die florentinische Schule der neue Signorelli: „Mariä Verkündigung", ein großes, trefflich restauriertes
Temperabild betrachtet werden.

Unter den Niederländern hat besonders die vlämische Schule Neues aufzuweisen und zwar von Rubens,
dem Höllen- und dem Bauern-Brueghel, Snayers, van der Hoecke; die eigentlichen Niederländer haben durch
Jan van Eyck, Jan Vermayen, Patenier, den Scheusalmaler Bosch, die Holländer durch Lucas van Leyden,
Savery, Hans Vries und — wie ich dafürhalte — auch durch einen Govaert Flinck (Niederländerin in reichem
spitzenverziertem Kostüm) Zuwachs erhalten. Interessant ist das lebensgroße Bildnis der Markgräfin Jsabella
von Mantua, welches der jugendliche Rubens nach Tizians Original kopiert hat, grausigschön des Meister
Kompagniebild mit Snyders, das lebensgroße, abgehauene Medusenhaupt mit gleißendem Schlangenhaar. Der
Rubenssaal ist das Juwel der Bildersammlung; nicht umsonst hat sich der Kaiser beim Betreten der Galerie
sofort nach ihm erkundigt. Von den 44 Rubens, die wir besitzen, sind hier die Perlen nntergebracht, unter
welchen die Altarkomposilioneu („Jldefonso" re.) in neuen portalähnlichen vergoldeten Prachtrahmeu (nach
Haseuauers Entwürfen) strahlen. Nächst diesen großen Rubensbildern haben noch Dürers Allerheiligen-
bild, Rafaels „Madonna im Grünen" und Morettos „Heilige Justina" neuen Rahmenschmuck erhalten,
worunter jener für das Dürerbild von dem Nürnberger Bildhauer Geiger nach dem Originalrahmen im
Germanischen Museum mit großem Geschick angefertigt wurde. Großes Interesse erregen auch die Kriegsbilder von
Snayers (30 jähriger Krieg) und die beiden Vermayen-Säle mit den Colossal-Gouachen, welche den Tuniszug des
fünften Carl darstellen. Im Saale der deutschen Goldgrundmeister, welcher das herrlichste Seitenlicht genießt,
findet sich Neues von Dürer („Das Leben Mariens"), einige Holbein-Bildnisse aus der Ambraser Sammlung, ein köst-
licher Lucas Cranach („Das Paradies"), ein großes Familienbildnis von Zoffani (Großherzog Leopold von
Toscana und seine Familie). Unsre Übergangsmeister sind ebenfalls bereichert und der farbenkräftige Kremser
Schmidt erscheint sogar zum erstenmale. Einen höchst erfreulichen Zuwachs haben auch unsre Modernen
erfahren. Meister Rahl beispielsweise ist mil zwei machtvollen Historien aus dem Depot zum Licht erstanden.
Die Aquarellen - Sammlung im zweiten Stock endlich, welche obwohl erst zwanzig Jahre alt, bereits
452 Nummern zählt, soll uns einmal ganz besonders beschäftigen. Überhaupt konnte in dem Vorstehen-
den nur ein ganz allgemein orientierendes gedrängtes Bild unsres Kunstpalastes und seines köstlichen Inhaltes
geboten werden, eine vorläufige Markierung dieser Großthat im Wiener Kunstleben, durch welche sich nicht
allein der geniale Erbauer und Schmücker, sondern alle seine Mitarbeiter, Künstler wie Gelehrte, Kunst-
arbeiter wie Gewerbetreibende, ein unvergängliches Verdienst für Groß-Wien und dessen Zukunft erworben
haben. Wie ein Strahlenpunkt brichts durch Gewölk und dem goldenen Scheine werden nicht allein Kunst-
gläubige, sondern auch Wissens- und Schaudurstige aus allen Zonen der Erde zustreben, um sich mit Schön-
heit zu sättigen, sich zu erheben, sich zu begeistern.

Unsre Bilder

vom Herausgeber

ZLsesignation" nennt Moslcr-Pallcnberg seine im
Stil der Tassoschen aufgcfaßte, d. h. schwermütig
schmachtende Prinzessin. Leider werden wir nicht genauer
darüber belehrt, ob ihr Tasso noch gar nicht erschienen,
oder schon wieder gegangen ist, wie man letzteres aus
dem auf dem Boden liegenden, mit einem Totcnkranz und
einer Tranerschleife umwundenen Palmzwcig zu ihren
Füssen, sowie aus den zerstreut herumliegeudcn Lorbeer-
blättern wohl schließen möchte. Um so mehr als die
doch gewiß nicht umsonst herbeigeflogenen beiden Amorine
so lebhaftes Mitgefühl mit der Dame zeigen, die bei
ihrem Unglück indeß noch eine merkwürdige Fassung be-
wahrt zu haben scheint. Ter Palmzwcig gilt also viel-
leicht einem längst Gestorbenen, wofür auch die tückische
Miene des vordersten der beiden kleinen Schlingel spricht,
der durchaus nicht die Absicht aufgegeben zu haben scheint,
der schönen Dame gelegentlich noch einen Streich zu
spielen, die trotz aller Resignation doch mit solcher Sorg-

falt noch Toilette gemacht, also aus das Gefallenwollen
keineswegs verzichtet hat. In süßer Dämmerung, unter
blühenden Rosen und Orangenbäumen sitzend, resigniert
sich eben noch etwas schwerer als sonst, besonders wenn
man sich noch im Besitze von so viel Jugend und Schön-
heit wie vornehmer Geburt weiß, und so wollen denn
auch wir nicht alle Hoffnung auf einen Tröster für die
einsame Prinzessin anfgebcn. Daß sie noch ganz der alten
soliden Düsseldorfer Art als ein spätes, aber um so
wohlthuenderes Erzeugnis halbverklungener Romantik an-
gehört, kann das Interesse für sie nur erhöhen.

Der allcrneuesten, zwischen Grau und Grün bedenk-
lich schwankenden naturalistischen Richtung unsrer Malerei
gehört dagegen Paul Schads „Fronleichnamsprozession"
bei einem allbayerischen Dorfe an, die zu dem vorigen,
vornehin parfümiert duftenden Bild durch ihren nichts
weniger als an Orangenhaine, sondern an frisch ge-
mähte Wiesen erinnernden Duft, den denkbar größten
 
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