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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Heilbut, Emil: Etwas über die Neu-Idealisten, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0095

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Etwas über die Neu-Idealistcn

Mus Ludwig v. Nagels skffxrnbuch

iEtwaF über die AZeu-Idealisten

von Id cr IN an Idelferich

°1^as religiöse Gebiet der modernen Malerei sängt
da erst an interessanter zu werden, seitdem diese
Malerei die Bilder Hippste Flandrens abschreckend
schwach findet! Das ist gewiß eine Ansicht, welche nicht
von jedem unterschrieben werden würde, der die Kunst-
geschichten des neunzehnten Jahrhunderts gelesen hat und
in ihnen die regelmäßig weitergetragenen Berichte über
diesen Schüler von Jean Auguste Dominique Ingres
fand, der einige Kirchen von Paris, besonders aber die
Kirche Sb Vincent de Paul mit Fresken schmücktc.

Noch in der allerneuesten Auflage von Abdeckers
„Parisund seine Umgebungen" liest man, daß diese Fresken
„die besten ihrer Art" seien — vielleicht ist das
der Fall; und „selbst außerhalb Frankreichs sei
kaum ein Werk dieser Art geschaffen worden,
das an Reinheit der Empfindung, Schönheit der
Formen und Gediegenheit der Malerei Flandrins
Fresken überrage." In der That ist, was
Mandrin geschaffen hat, geschickter, formvoller
als was die Basilika in München und andre
ähnliche Kirchen aufzuweisen haben. Ist cs
indessen gut genug? ist, wenn man sagt, es sei
besser durchgcbildct als das unter dem Einfluß
unsrer Nazarener gemalte, nicht doch noch
manches auszusetzen? zu erwähnen, daß Flandrins
Fresken mit diesen Werken eine gewisse Schwäche
an Geist teilen? einen weichlichen, unintelligcnten
Zug aufweisen? ja, daß sie vielleicht eben durch
das, was in ihnen besser, als in den deutschen
Werken der gleichen Epoche erscheint, durch ihre

Form, etwas kälteres, sie noch we-
niger Entschuldigendes erhalten?
Man kann nicht leugnen, daß die
Flaudrinschen Fresken eine große
Enttäuschung bieten; und wenn die
freundlichen Leser dieses Aussatzes
mit dem Bädecker nach Paris
kommen und bei den Fresken der
Kirche St. Vincent de Paul zwei
Sterne finden, werden sie mir recht
geben und bei diesen Bildern er-
staunen, denn sie sind nicht so gut,
wie was sonst von Bädecker mit
zwei Sternen bezeichnet wird:
jeder würde ihnen die Venus von
Müo und die Sklaven des Michel-
angelo vorznziehen haben.

Mandrin, war eine nicht be-
deutende, vielleicht nicht einmal
intelligente und gewiß keine elemen-
tarer Empfindungen fähige Seele,
vielmehr so etwa, wie ein guter
Lehrer Schulaufgaben vornimmt,
dachte er an religiöse Bilder, und
ungefähr gleich gut, wie der beste
Schüler sie schreibt, malte er seine
Themen. Er hatte den Vorzug
einer reinen Seele und den der
besten Erziehung, das ist nicht zu
läugnen, doch ein Jrrthum ist es, in ihm einen be-
deutenden Künstler zu sehen; dekorativ nicht anstößig
mögen seine kirchlichen Werke genannt werden, sie sind
aber kaum sehenswert oder nur um eines Umstandes
halber sehenswert: ein gewisser blond-zarter Typus in
moderner Mädchenhaftigkeit taucht unter diesen gleich-
giltigen oder entlehnten Gesichtern auf; und dieser Typus,
ob ihn nur Mandrin erfunden oder ob er ihm aus der
eigenen Seele, unbewußt, zugeflossen sein mag — er hat
jedenfalls, weil er ganz modern ist, und weil er bei
Mandrin zuerst auftritt, mehr Wichtigkeit für seinen Ruhm
als andre Qualitäten dieses Meisters, als Köpfe und
Gestalten, welche Rekapitulationen jener alten italie-
nischen Meister sind, von denen eine Zeitlang alle, die
nach Italien kamen, so in Bann geschlagen wurden, daß
sie geglaubt haben, nichts andres bliebe einem modernen

Mus Ludwig v. Nagels skffxenbuch
 
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