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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Unsre Bilder
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Unsre Bilder, vom Herausgeber

24?

Unsre Vilder

vom Herausgeber

uf der Münchener Ausstellung des vorigen Jahres
wurden die Beschauer durch die berühmte „Pro-
zession in Gastein" unsres Menzel und das den gleichen
Vorgang in der Bretagne behandelnde größere Bild des
bekannten französischen Bauernmalers Jules Breton
„Der Ablaß zu Kergoat" unwillkürlich zu Vergleichen
herausgefordert. Da trat denn die ungeheure Über-
legenheit des deutschen Meisters, sowohl in bezug auf
das rein malerische Talent, als nicht weniger in Betreff
der intellektuellen Bewältigung des Stoffes und seiner
Gestaltung zu einem merkwürdig charakteristischen Knltur-
bild unsrer Zeit in einem österreichischen Gebirgsorte
so schlagend heraus, daß unsre Kunst gewiß nie einen
glänzenderen Sieg über die unsrer Nachbarn errungen
hat, als mit diesem reizenden Werk. Wer hätte je ein-
mal eines jener herrlichen Kirchenfeste mitangesehen,
wie sie im Sommer überall in Tirol abgehalten werden,
und wäre nicht entzückt gewesen über die Poesie der-
selben, hätte nicht gestaunt über die vollendete Geschick-
lichkeit, mit der die katholische Kirche die Kunst in ihren
Dienst zu nehmen und die Gemüter der Menschen da-
durch an sich zu fesseln weiß! Gerade diese Pracht mit
ihren im goldnen Sonnenschein funkelnden Fahnen und
Kreuzen, brennenden Kerzen und vergoldeten Laternen,
den brokatenen Gewändern und Spitzen und ihrer Kon-
zentrierung auf den unterm Thronhimmel mit dem
Allerheiligsten, das den Mittelpunkt des Ganzen bildet, ein-
herschreitenden Priester, hinter welchem dann das fromme,
gläubige Volk betend und kerzentragend folgt — gerade
diesen hochpoetischen, in der mit Blumen bestreuten
engen Dorsgasse wie eine Offenbarung aus höherer Welt
wirkenden, triumphierenden Prunk hat Menzel unüber-
trefflich in seinem Bilde versinnlicht. Man meint, das
Glockengeläute und Böllerschießen, das laute Beten der
Menge und die feierlichen Klänge der Musik zu hören,
die uns zusammen mit dem Weihrauchdampf und Alpen-
blumenduft in eine Art von seligen Andachtsrausch ver-
setzen, dem kein Anwesender sich ganz zu entziehen ver-
mag. Besonders wenn man dann noch die sonnbeschienenen
Berge und Wälder, Alpen und weißen Gletscher oben

über die niedrigen Häuser hereiuschauen sieht und sich
in uns das Gefühl unsrer Kleinheit den übermächtigen
Naturgewalten gegenüber in jene Demut verwandelt, die
bei diesem so prachtvoll mannhaften Bauerngeschlecht,
das da fromm und bieder an uns vorüberzieht, doppelt
ergreifend wirkt. Aber der Künstler hat sich damit nicht
begnügt, uns diese vollkommen in sich abgeschlossene
katholische Bauernschaft in ihrer echten Poesie zu zeigen,
wie das Breton bei seinen bretonischen Bauern unge-
fähr so auch gethan, wenn er sie auch mehr finster und
fanatisch als fromm und heiter zeigt, wie Menzel die
seinigen. Nein, dieser stellt ihr nun die ganz stock-
moderne, gründlich verschiedene Welt der anwesenden
Badegäste gegenüber und charakterisiert diese in ihrem
Verhalten zu der sich vor ihr abspielenden Szene nicht
weniger scharf. So sehen wir vorne dicht bei der
Prozession einen österreichischen Kavalier, der wohl früher
gedient hat und jetzt noch ganz Schnurrbart ist, mit
äußerlichem Anstand und innerer Gleichgültigkeit da-
stehen. Hinter ihm lehnt aber ein Berliner Referendar,
der im Gefühl der ungeheuersten Überlegenheit der
Prozession gleichgültig demonstrativ den Rücken kehrt,
freilich ohne für die Schönheit der Szene irgend ein
Auge zu haben. Ganz vorne ein norddeutscher Verleger
oder Geldprotz, der es nicht für nötig findet, seinen Hut
abzunehmen, mit seinen mehr neugierigen und aufge-
klärten als hübschen Damen. Hinter ihnen mit ent-
blößtem Haupte der verstohlen skizzierende Maler selber,
und dann eine Gruppe andächtig Knieender bis zu der
oben in den Kirchhof einlenkenden Prozession hin.
Dieser Gegensatz der modernen Welt charakterisiert nun
nicht nur den Badeort, sondern auch das Verhältnis der
Gebildeten zum Katholizismus in unvergleichlicher Weise
und vollendet so ein Bild, das ebenso malerisch reizvoll
als kulturhistorisch hochinteressant, darum ein Meister-
stück ersten Ranges für alle Zeiten bleibt. —

Offenbar ist es der gekrönte Herr Papa, allem nach
Heinrich IV., der auf des Engländers Morris Bild
dem jubelnden Volke seinen Erstgebornen zeigt und den-
selben als „ersten Prinz von Wales" proklamiert. Die

Die Kunst für All- VII

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