Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

DOI Artikel:
Unsre Bilder
DOI Artikel:
Weihnachtsbücherschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0099

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Unsre Lllldcr. vom Pcransgebcr — kveihnachtsbüchcrschau. vom perausaeber

73

Ein Fächrrblatk. von Paul S chu ltze-Naum bürg

So weiß uns Joris überall die Empfindung zu geben,
daß wir uns auf klassischem und nicht auf romantischem
Boden befinden.

Um so nnklassischer mutet uns dann des Spaniers
Garrido „Erster Schritt in die Welt" an, den er offen-
bar einen jungen Engländer thuu läßt und gleich in ein
sehr gefährliches Boudoir hinein, dessen Inhaberin Mühe
hat, ihr Lachen über die Befangenheit des jungen Helden
zu verbeißen, der noch nicht einmal den Blut hat, ihr
sein mitgebrachtes Bouquet zu überreichen. Sie wird
indessen wohl seine Erziehung erfolgreich übernehmen,
denn auf erfahrene Damen wirkt blöde Jugendeselei gar
oft anziehend, und diese ist noch jung genug, um sich auch
durch solch schüchterne Verehrung geschmeichelt zu fühlen.

Aus der parfümierten Atmosphäre eines Pariser Bou-
doirs führt uns der Wiener Tarn aut in die gesunde Mit-
tags schwüle eines wohlhäbigen steyrischen Gebirgs-
fleckens. Trotzdem der Sonnenschein brütend auf den
Dächern liegt, weht uns doch Kühlung genug von dem
Fluße im Vordergrund her an, um uns der unendlichen
Harmlosigkeit und Friedlichkeit des Örtchens zu freuen

und seines direkt an den wohlgenährten Herrn Pfarrer
erinnernden dicken und behaglichen Kirchturms mit der
Zwiebelmütze auf dem Kopf. Dicht daneben steht offen-
bar das Wirtshaus, der stattlichste Bau des Ortes, dessen
rauchender Kamin uns wohlwollend zum „Mittagsmahlen"
einladet, wie die Österreicher sagen, eine Einladung der
wir als gute Deutsche natürlich unweigerlich folgen, nach
dem wir uns des Naturgefühls der ganzen Szene ge-
freut.

Unter unfern Textbildern haben wir heute noch
auf den Fächer Paul Schultz e's, eines Schülers Fer-
dinand Kellers, besonders aufmerksam zu machen, welcher
die Überraschung eines alten Klausners durch denunvermutet
hereingezogenen Frühling darstellt, dessen Wonne hier noch
durch eine unfern frommen Herrn belauschende Lichtelse gar
sehr verstärkt wird. Möge sie diesen frommen Mann nicht
gar zu sehr ins Gedränge bringen, dessen Suppentopf ohne-
hin hinten auch schon am Überlaufen scheint! Die an-
mutige und sinnvolle Erfindung läßt uns hier ein echtes
Talent hoffen, wie es denn auch auf der Karlsruher
Fächerausstelluug bereits ausgezeichnet ward.

W cchnachtDüch er s ch au

vom Perausgeber

ir kommen heute zum gedicgenslen Teil unsrer Aufgabe:
den verschiedenen Reproduktionen alter Kunstwerke, denn
hier kommen der Lösung dieser Aufgaben die ausserordentlichen
Fortschritte, welche unsre Zeit in allen Arten der Truck-Techniken
gemacht, ganz vorzugsweise zu Gute. So wüßte ich wirklich
nicht, wie man alle Handzeichnnngen in allen ihren Eigenheiten,
gleichviel ob sie mit Rötel, Kohle oder Bleistift gezeichnet oder
mit der Feder hingeschrieben oder getuscht seien, täuschender bis
selbst auf die Eigenart des jeweiligen Papiers Wiedergaben
könnte, als dies in den von der Verl agsan sta lt für Kunst
und Wissenschaft publizierten:

Handzeichnungen alter Meister aus dem Kvnigl.

^ *) siehe Pest H

vir «unst für All- V!I.

Kupserstichkabinet zu München, herausgegeben von Direk-
tor Schmidt, 7. Abt., L Preis 60 M., gelungen ist. Die Täuschung,
daß man das Original vor sich habe, ist da in den meisten Füllen
vollkommen, und wer sich über den von den unsrigen so ganz ver-
schiedenen Charakter der alten Handzeichnungen unterrichten will,
kann nichts besseres thnn, als sich dies Werk anschafsen. Roch
mehr wäre dies aber den staatlichen Zeichnungsschulen zu Vor-
lagen zu empfehlen, damit die Schüler sehen können, wie man
eigentlich skizziere» sollte. Denn darin sind sich alle diese
von den verschiedensten großen Meistern mit den mannigfaltig-
sten Mitteln hergestellten Entwürfe und Studien vollkommen
gleich; daß sie die größte Wirkung mit den einfachsten Mitteln
hcrvvrzubringen suchen, und mit dein geringsten Zeitverlust,
während man in unser» Zcichnungsschulen gewöhnlich das

io
 
Annotationen