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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Margitay, Desider: Die Auferstehung des Lazarus, [1]: Erzählung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0382

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502

Die Auferstehung de§ TazaruF

Erzählung von Deflder Margitay

Nachdruck verboten

i.

err Läszlovich entstieg seinem Wagen und ging mit be-
quemer Nachlässigkeit, wie es sich für einen 50 Jahre
alten Junggesellen paßt, welcher mehrere Millionen im
Vermögen hat und jeden Tag ein Paar Jaquemalehand-
schuhe abnützt, die Treppe zum zweiten Stock des Villen-
gebäudcs auf der Andrassystraße hinauf. Dann blieb er
auf dem Flurgange vor einer Thüre stehen, auf welcher
ein schwarzcmaillicrtes Täfelchen mit goldenen Buchstaben
verkündet, daß hier das Atelier des Malers Aladär
Zelizy sich befinde. Er zog an der Klingel und — damit
seine Erscheinung um so imponierender sei, preßte er das
Monocle vor das Auge, warf den Kopf in den Nacken
zurück, und harrte so voll Selbstbewußtsein, bis man ihm
die Thür öffnen würde.

Dieses geschah alsbald und vor Herrn Läszlovich
stand ein schlanker junger Mann mit gelbbraunem Teint,
der den müden Blick seiner schwarzen Augen auf den
Ankömmling richtete.

— Ah, guten Morgen, junger Herr, guten Morgen!
Wie haben wir geschlafen? — Mit diesen Worten schob
Läszlovich den jungen Mann bei Seite, um in das Atelier
eintreten zu können. —- Und wie wars heute Nacht?
Sind wir wieder Studien nachgegangen? .... Des-
halb nur nicht unwirsch sein! Ich sage durchaus nicht,
daß es nicht gut gethan sei; ganz im Gegenteil: bin so-
gar ich derjenige, welcher behauptet, daß der Künstler
das Leben kennen und jeden sich darbietenden Becher des
Genusses bis auf die Nagelprobe leeren muß, ehe er an
eine bedeutende Schöpfung auch nur denken kann . . .
Allein, beim Himmel! Sie nehmen meinen diesbezüglichen
Rat allzu wörtlich! Wie ich sehe, liegt Lazarus noch
immer im Sarge und Christus tritt noch immer nicht
vor ihn hin, um ihn von seinen Toten auferstehen zu
heißen.

Dabei wies der Sprechende auf eine große Lein-
wand hin, auf welcher der im Sarge liegende Lazarus
in skizzenhaften Umrissen zu sehen war, indeß seitwärts
sich einige Konturen undeutlicher Figuren verschwommen
zeigten.

— Möchten Sie mir nicht sagen, mein junger
Freund, wann wir endlich die Ehre haben werden, auch
den Wunderthäter Christus zu sehen? . . . Denn wenn
seine Ankunft allzu lange auf sich warten läßt, so dürfte
der arme Tote die Sache satt bekommen und einmal
ohne Abschied das Weite suchen.

Der braune junge Mann zuckte gleichmütig mit den
Schultern.

— Kann schon sein! — erwiderte er, ohne daß
ihm die Witzeleien des Herrn Läszlovich auch nur ein
Lächeln entlockt hätten.

— Kann sein? . . . Sie wollen doch nicht etwa
damit sagen ...

-— Ich will es in der That!

— Daß Sie das Bild nicht vollenden werden?

— Daß ich das Bild nicht vollenden werde!

— Und weshalb nicht?

— Weil! . . . Ich glaube nicht mehr an dieses
Märchen und mich langweilt jede derartige Komödie.
Was ich male, soll entweder wahr sein, oder ich nehme
überhaupt niemals mehr den Pinsel zur Hand.

Herr Läszlovich stieß voll Zorn das Monocle von
sich und fing an zornig zu lachen.

— Was Sie nicht sagen! . . . Bitte, möchten Sie
mir nicht mitteilen, was Sie eigentlich für wahr halten,
und was das besagen will, mein sehr geehrter Herr
Aladär Zelizy, daß Sie in Zukunft lieber keinen Pinsel
mehr in die Hand nehmen?

Der „sehr geehrte Herr" Aladär Zelizy zuckte zum
zweitenmal mit den Achseln:

— Ich halte Christus für unwahr, in dessen Zügen
ich ausdrücken sollte: Liebe deinen Nächsten mehr als dich
selbst. Ich halte Lazarus für unwahr, denn ich glaube
nicht an die Auferstehung, auch dann nicht, wenn sie
nur symbolisch genommen werden soll. Es gibt keine
Rückkehr, keine Auferstehung aus der Sünde! Ich halte
auch die Thränen derjenigen für unwahr, welche an dem
Sarge Lazarus' weinen, denn ich glaube weder an ver-
wandtschaftliche, noch an sonstige Liebe.

Das Angesicht des Herrn Läszlovich erglühte im Zorn.

— So? Schau doch, schau nur? ... An etwas
glauben Sie doch? An den Champagner und die roten
Lippen der diversen Modelle! Zum Teufel, junger Herr,
die werden Sie doch nicht verleugnen! Auch mit diesen
habe ich Sie bekannt gemacht, als ich aus dem jungen
talentvollen Anfänger einen weltberühmten Künstler
zu machen beschloß, weil ich hoffte, daß mit dem meines
Protege auch mein Name unsterblich würde . . . .
Hoffentlich werden Sie doch von diesen roten Lippen
nicht behaupten wollen, daß sie nicht verdienen, gemalt
zu werden? . . . Und mir ist es gleichviel, ob Sie
Orgien oder Mysterien malen, nur fordere ich, daß Sie
überhaupt malen! . . . Sie halten mich doch nicht etwa
für einen solchen Narren, daß ich Sie noch ferner hin
mit aller Bequemlichkeit versehe und die Reklametrommel
für Sie rühren lasse, wenn ich dessen sicher bin, daß
aus Ihnen nicht eine Berühmtheit zu machen ist, mit
welcher man in Verbindung auch meinen Namen nennen
wird! . . . Also heraus damit, woran glauben Sie?

Das braune Gesicht Aladärs schien für einen Moment
die rötliche Färbung der Erregung anzunehmen, in seinen
großen schwarzen Augen blitzte etwas auf, was nicht wie
 
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