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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Springer, Jaro: Vier neue Entwürfe zum Kaiser Wilhelm-Denkmal
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Unsre Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0017

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e vier neue Entwürfe zum Kaiser Wilhelm-Denkmal.

geistlose Wiederholungen einer ältesten Füllfigur, sie und
die allegorische. Figur auf der Rückseite des Postaments
tragen die bekannten Züge der Begasschen weiblichen Ideal-
figur, Frauen von mächtigen Formen, aber mit ordinären
Gesichtern. Gerade beim Kaiser-Denkmal erfreut das,
Wiedersehen mit den alten Bekannten vom Berliner Schiller-
Monument wenig. Gar unglücklich sind aber die Quadrigen,
die aus dem Postament herausfahren und die gehäuften
Generäle hinter ihnen in einem unmöglichen Reliefstil.
Das sind aber schließlich alles Fehler, die sich verbessern
lassen. Auch kennt man ja Begas zur Genüge, daß
ihm die Geduld und Ausdauer fehlt, einen Entwurf
sorgfältig auszuarbeiten. Bei der Ausführung im
Großen wird ihn sein Talent schon nicht im Stiche
lassen. Denn wenn er will, kann er etwas, wenig-
stens mehr als seine Konkurrenten, leider will er nicht
immer. Ganz und den höchsten Ansprüchen, die man
in diesem Falle stellen muß, genügt der Entwurf von
Begas und Ihne auch nicht. Er ist aber immer noch
der, den man am besten zur Ausführung empfehlen
möchte, weil sich seine Fehler, so grob sie auch anfäng-
lich erscheinen mögen, am leichtesten verbessern lassen.

Nnsre Bilder

vom Herausgeber

e getreuer und wohlthuender die Kunst das natio-
nale Leben schildert, um so mehr Aussicht hat sie
auf dauernde Bedeutung. Die deutsche Malerei hat nun
seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts bis zu der
des neunzehnten gerade darin herzlich wenig geleistet,
da sie in dieser Zeit immer fremde Kunstrichtungen
nachahmte und sehr wenig eigenes schuf. Erst um 1830
treten mit Peter Heß, Menzel, Enhuber, Waldmüller,
Knaus, Vautier, dann zuletzt mit Defregger, jene großen
Schilderer des heimischen Volkslebens auf, welche der
deutschen Kunst zuerst das Herz ihrer Nation erobert
haben und ihr zugleich die Ebenbürtigkeit mit der aller
andern Völker errangen. —

Wie wenig es nun mit dem Gerede auf sich habe,
daß Defreggers Kraft erschöpft sei, hat er nie glän-
zender bewiesen, als mit dem, erst in diesem Jahre
entstandenen Bilde der „Treibersuppe", mit welchem wir
so glücklich sind, den siebenten Jahrgang der „Kunst für
Alle" eröffnen zu können. Da entwickelt er in den
fünf nach beendigter Jagd um den Suppennapf ver-
sammelten Tiroler Bauern eine Kraft der Charakteristik,
die man shakespearisch nennen könnte und die jedenfalls
ausreicht, um deren Besitzer einen Platz unter den
großen Künstlern aller Zeiten zu sichern. Man muß
dabei aber nicht nur die so grundverschiedenen und zu-
gleich doch so echt deutschen Köpfe der fünf, sondern
nicht minder auch die gemessene Art der Bewegung, wie
sie den Bauern eigen, bewundern, wo nur der jüngste
„Bua" noch einige jugendliche Hitze beim Schöpfen aus
der Schüssel bethätigt, während der ihm gegenübersitzende
Alte sich bei all seiner Ruhe gewiß den dicksten Brocken
herausfischt. Der echteste Südtiroler ist dann jedenfalls
der schwarzbärtige Mann in der Mitte, und wie sein
Nachbar in die heiße Suppe bläst, unmutig, dadurch

von Zaro Springer — Unsre Bilder, vom Herausgeber

eine kostbare Zeit verlieren zu müssen, das ist schon
gar prächtig gegeben. Kaum weuiger vortrefflich ist die
Schilderung der beiden Dackerln, von denen der eine
sich vertrauensvoll an den ihm wohlgesinnten Bueben
wendet, während der zweite mit dem tiefsten Interesse
in den Suppentopf selber blickt. Hinten scherzen dann
zwei nicht weniger sicher der Natur abgestohlene Jäger
mit der auf Repliken offenbar auch gut eingeübten Köchin
in dem russigen Gemach und vollenden so ein Bild echt
deutscher Art, wie man ihm von gleich schlagender und
zugleich wohlthuender Wahrheit kaum ein zweites in
unsrer dermaligen „Ausstellung von Kunstwerken aller
Nationen" an die Seite zu setzen wüßte, wie vieles
Treffliche sie auch sonst enthalte. Tenn was allen diesen
so verschiedenen Gesichtern gemeinsam, das ist die Ehr-
lichkeit und Treue, welche die Deutschen auch heute noch
vor den meisten andern Nationen voraus haben.

Aus unsrer Alpenwelt in die Ferne nach Spanien
entführt uns dann Alexander Wagner und zwar gleich
in die blutige Arena eines Stiergefechtcs, also jenes
spezifisch nationalen Vergnügens, das für die Spanier so
durchaus bezeichnend ist. . Daß Wagner das nicht nur
höchst lebendig und dramatisch, sondern auch treu schil-
dert, kann man leicht aus den ähnlichen Bildern Benlli-
ures, Arandäs u. andrer sehen, welche dies wilde
Schauspiel und seine Helden auch schon dargestellt. Die
packende Dramatik des Vorgangs selber findet aber erst
das entsprechende Echo in der Darstellung der ungeheu-
ren Zuschanermcnge, die hier fast noch leidenschaftlicher
mitspielt als die Kämpfer selber und deren Klatschen
und Jauchzen der Szene erst die rechte Würze gibt.
Gerade diese Mitwirkung zu schildern, ist Wagner aber
vortrefflich gelungen, so wenig Sympathie auch diese
ganze Volksbelustigung uns einzuflößen vermag.

Ob seines köstlichen Humors jedenfalls viel wohl-
thuender berührt die Einkehr eines alten „Kentauren in
einer Dorfschmiede" Oberitaliens von Böcklin. Wie
der zottige Halbmensch da seinen verwundeten Fuß dem
fast nicht weniger rauhhaarigen Schmied zeigt, das ist
um so drolliger als beide ihre schweizerische Abkunft
kaum verläugnen, so wenig als die stark italianisierten
Nachbarsleute, die das langhaarige Ungetüm da mit
aufgesperrten Mäulern angaffen. Sieht man vollends
das ganz Prachtvoll, wie von dinem alten Venetianer kolo-
rierte Original in unsrer Ausstellung, so gewinnt es
eine solche Plastik und Überzeugungskraft, daß man
meint, die Szenp müsse sich notwendig ganz genau so
in irgend einem tessinischen Gebirgsnest zugetragen
haben, und unser,Maler sei ein Kneipbruder des borstigen
und jedenfalls auch durstigen Ungeheuers gewesen.

Genau das Gegenteil der Atmosphäre der halb-
wilden Hufschmiede atmet man in der süß duftenden,
nach Mathisson und nicht nach Homer oder Ovid schmecken-
den Parkszene „Im Herbst" von Franz Simm ein,
der seit einigen Jahren ein solcher Liebling unsres
Publikums geworden, daß seine kleinen Perlen auf
unfern Ausstellungen von den gierigen Käufern allemal
zuerst gefischt werden. Und mit vollem Recht, denn ihr
milder Glanz ist vollkommen ächt! Oder könnte man sich
etwas feiner empfundenes, tiefere Schwermut atmendes
denken, als diese adelige Frauengestalt, die da umgeben
von fallenden Blättern den letzten Brief des Geliebten
liest, vor er ins Feld gezogen, aus dem er immer noch
 
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