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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Ein kunstgeschichtlicher Brief von Sulpiz Boisserée
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Hirth, Georg: Die Vererbung des Talentes und Genies, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0215

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ISS Lin kunstgesch. Brief von Sulpiz Boisseree. Nitgeteilt von Prof. Or. ks. m. — Die Vererbung des Talentes u. Genies

einer für die deutsche Malerei hoffnungsreichen Zeit, in der Cornelius, Overbeck und die andern zu Rom ihre
ersten größeren Werke hervorbrachten, glänzender als irgend etwas. Kurz vorher, 1811, hatte Cornelius in
Frankfurt seine Bilder zum Faust vollendet.

Die Baukunst kam, weil sie mehr von äußeren Bedingungen abhängt, zuletzt zur Entwickelung. Erst
nach dem Frieden 1815 erhielten Klenze und Schinkel große Aufträge. Sie begründeten die bei aller, besonders
aber bei dieser Kunst so sehr wesentliche Technik aufs neue. Diese war in den langen Kriegszeiten ganz in
Verfall geraten, und Weinbrenner, der einzige deutsche Baumeister, der selbst während jener Zeit einige öffent-
liche Gebäude aufzuführen hatte, vernachlässigte die Technik gänzlich.

Nun gab sich aber auch immer mehr der günstige Einfluß kund, den der Schutz eines kunstliebenden
Fürsten für die Förderung sämtlicher Künste haben mußte. Der Kronprinz von Bayern hatte schon 1807 den
ersten Gedanken zur Anlage einer Reihe von Büsten berühmter Deutschen für eine Walhalla gefaßt. Im
Jahre 1812 kaufte er die in dem Jahr vorher ans der Insel Aegina entdeckten Giebelbilder und legte damit
den Grund zu einer Sammlung antiker Bildwerke, welche er 1815 durch Einkäufe in Paris n. s. w. sehr
erweiterte, und 1818 begann er den Bau der Glyptothek. Das Gedicht dieses für die Kunst begeisterten Fürsten,
1818 in Rom an die deutschen Künstler, ist durch die seitdem stattgefundene Ausführung seiner staunenswürdigen
Entwürfe zu einer wahren Weissagung geworden.

Nächst München hat sich in Berlin ein Mittelpunkt für deutsche Kunst gebildet. Indessen wurden zu
Berlin lange nur die Baukunst und die Bildhauerei für Denkmale angewandt, während man in München stets
alle Künste zugleich in Thätigkeit setzte. Jetzt ist das freilich anders geworden, wie denn überhaupt der jetzt
regierende König von Preußen dem König von Bayern als ein würdiger Wetteiserer zur Seite getreten ist.

Da seit jenem Jahr 1818, wo auch die ersten Wiederherstellungsarbeiten am Kölner Dom begannen,
alles noch in lebhafter Erinnerung ist, was Künstler, Regierungen, Kunstvereine und einzelne Kunstfreunde
gewirkt haben, so bedarf es keiner weiteren Fortführung dieser Andeutungen. (Anmerkung: Aus persönlichem
Interesse bemerke ich noch, daß Schorn im Jahre 1818 zuerst mit seinen Studien der griechischen Künstler auftrat.)

Nun wollen wir zum Schluß noch einen Blick zurückwerfen und die Hauptpunkte zusammenfassen,
welche sich bei der Entwickelung der deutschen Kunst in unsrer Zeit am wirksamsten zeigten.

Es waren die Sammlungen und die Schriftsteller, wodurch der Sinn geweckt, die wahre Anerkennung
und Würdigung der griechischen, italienischen und unsrer altvaterländischen Kunst herbeigeführt wurde. Hier-
mit aber eröffnete sich die Bahn zu neuen künstlerischen Bestrebungen; begabte Künstler und mächtige fürstliche
Beschützer standen auf, und indem diese hohe Aufgaben stellten, erhielten die Künstler Anlaß, sich ausznbilden,
ihre Kräfte in vollstem Maß zu versuchen. Ohne den Schutz fürstlicher Kunstfreunde, und besonders unsres
bayerischen Herrn, würde die neue glänzende Entwickelung nicht haben statlfinden können, denn was wir er-
lebten, war eine Wiederherstellung der Kunst, und diese ist, da es doch zulcht auf Ausführung großer Werke
ankommt, immer von solcher Gunst abhängig; sie unterscheidet sich darin, wie überhaupt in allen Bedingungen,
wesentlich von der ursprünglichen Entstehung. Die Kunst bedarf zwar immer des Schutzes der Mächtigen; in-
dessen wo sie ursprünglich entsteht, geht sie auch ohne besondere persönliche Begünstigung allmälig aus dem
Bedürfnis des Gottesdienstes und der öffentlichen Sitte hervor, ihre Aufgaben stellen sich da größtenteils von
selbst, und sie wird von allen Ständen des Volkes, von Hohen und Niedrigen gleichmäßig gefördert und getragen.

Bonn, den 15. Dezember 1846. Snlpiz Boisserse.

Die Vererbung dcF E.alentcF und DenieF

von vr. Georg Birth*)

ir können darauf verzichten, nach einer genauen Unter-
scheidung zwischen Talent und Genie zu suchen. Das
letztere ist ohne das erstere nicht möglich; ein großes Talent
kann ein kleines Genie sein, aber niemals ein großes Genie
ein kleines Talent. Das Talent ist immer die positive

*) Wir entnehmen mit gütiger Erlaubnis des Versagers
diese interessante Abhandlung einem vor kurzem erschienenen, im
höchsten Grade anregenden Buche des bekannten Münchener Kunst-
ästhetikers vr. Georg Hirth: Aufgaben der Kunstphgsiolvgie,
(München und Leipzig, G. Hirths Kunstverlag. 2 Bde. 6 Mk.).
Wir kommen auf das Werk, welches über die Aufnahme und
innerliche Verarbeitung von Sinneseindrücken jcharfdurchdachte
Untersuchungen enthält, noch in einer besonderen, von autoritativer
Seite geschriebenen Besprechung zurück. D. Red. d. K. f. A.

Voraussetzung; im Komparativ wird es „genial", was oft
in höflicher Übertreibung zugelassen wird; das eigentliche,
sehr seltene „Genie" aber bildet den Superlativ, die höchste
Potenz. Es ist aber nicht blos die natürliche oder göttliche
„Begabung", die wir damit benennen, sondern diese muß
in bestimmtem Umfang zu Tage getreten sein, muß eine
gewisse Reife erlangt und entsprechende Früchte getragen
haben. Darin liegt das Schwankende der Begriffe: der
Erfolg wird mit der Begabung verschmolzen. Insbesondere
ans dem Gebiete der Künste ist das Genie daher nicht
denkbar ohne höchste Meisterschaft; nur dadurch wird
es diskutabel, daß es die Kraft, das höchste zu leisten,
auch wirklich bewiesen hat. Tenn solange dieser Beweis
 
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