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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Bernstein, Max: Oskars Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0025

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GMarF Brief

Mitgeteilt von Mar Bernstein

Mein Lieber!

/Endlich komm' ich dazu, dir zu schreiben und deine

Frage zu beantworten, wie mir's in München ge-
fällt. Ich muß dir sagen: recht mäßig. Du kennst
mich ja: du weißt, ich mache keine Ansprüche. Wenn
ich eine elegante Wohnung und ditto Atelier habe und
fidelc Gesellschaft in jeder Beziehung (du verstehst mich!)
— dann bin ich zufrieden. Und Anerkennung verlang' ich
nicht mehr, als mir gebührt. Na, Wohnung und Atelier —
großartig, einfach großartig! Hat aber auch ein schönes
Stück Blech gekostet. Aber du kennst meinen Alten, er-
gibt gern (mir wenigstens) und kann's ja auch. Und
was heißen ein paar Tausend mehr oder weniger?
Wenn ich mal loslege, später, wenn ich erst in den
Strudel reinkomme, dann verdien' ich auch! Aber wie!!

Also Wohnung und Atelier — das ist in Ordnung.
Aber im Übrigen —! Meine Geschichte mit der Jury
weißt du ja schon. Reden wir nicht mehr davon. Es
ist ja auch lächerlich. Wenn blinde Menschen Jury
spielen wollen, so ist das einfach lächerlich, das muß mir
Jeder zugeben, darüber läßt sich überhaupt nicht streiten.
Wahrscheinlich haben sich die Leute gesagt: Der junge
Mann kommt aus einer kleinen Stadt hieher und will
so und so Viele tot machen, die schon so und so lang
hier sind —- Leiden wir nicht! Muß unterdrückt wer-
den! Und meine „Badenden Mädchen" und meine
„Alpenfee" werden zurückgewiesen! Zu — rück—ge —
wies—enü Warum? Gründe werden nicht angegeben.
Wohlfeil, wenn man keine hat. Du weißt, ich mache
keine Ansprüche — aber vor meinen badenden Mädchen
ist mein alter Onkel, wie ich noch zu Hause war, eine
geschlagene halbe Stunde gestanden wie angeleimt —
ein Mann von 63 (ich glaube sogar 67, aber die Tante
sagt 63 — na, mir kann's egal sein) Jahren! Ich
habe ihm zwar gesagt, es sind Meergöttinnen, Antike,
Mythologie u. s. w., aber das thut ja nichts zur Sache,
der Effekt war da! So empfindet der Laie mit seinem
gesunden unverbildeten Gefühl! Und erst meine Alpen-
fee— weißt du, wer mein Modell dazu war? Nanni!
Und ich kann sagen, sie ist getroffen. Aber wie! Die
ganzen vier Wochen, während sie außer Stelle war, ist
sie mir gesessen. Und jetzt ist meine Alpenfee zu schlecht
für die Ausstellung. Das nennt man „Lohn des Fleißes",
da soll Einer noch Lust zum Arbeiten haben! Ter ärgste
Kitsch wird ausgenommen, mit Handkuß — aber meine
Alpenfee, Gott bewahre! Und das nennt sich „Isar-
Athen"! Ich bitte dich um Gotteswillen, sage mir das
Eine: Wo haben die Leute ihre Augen? Ich verstehe
es einfach nicht. Ich habe ihnen geschrieben: sie sollen
mir gefälligst Nachweisen, warum meine Bilder nicht so

gut wie andre sind, sie sollen mir das klar machen, daß
ich es einsehe, dann will ich nichts mehr sagen —
denn Ansprüche mache ich nicht. Keine Antwort! Ein-
fach, als ob ich gar nicht geschrieben hätte. Die Herren
machen sichs bequem, nicht? Und dann werden sie noch
in den Zeitungen belobt, ihre Mühe, Opferwilligkeit,
Verdienste um die Kunst u. s. w. u. s. w. Möchte
wissen, wie so? Wenn sie zu bequem sind, Einem ruhig
etwas klar zu machen.

Ja, ja, die Herren „Kenner"! Interessant ist,
wie sie sich widersprechen. Ter eine Herr Professor
sagte mir neulich, als er endlich die Gnade hatte, meiner
Einladung in mein Atelier, dieses Prachtatelier! Folge
zu leisten: „Von Zeichnung will ich nichts sagen, aber
malen müssen Sie noch lernen." Und was sagt mir ein
andrer Herr Professor? „Tie Malerei — na ja! Aber
auf's Zeichnen würde ich an Ihrer Stelle mehr Mühe
wenden." Buchstäblich! So widersprechen sich diese
Zöpfe ! Und das will eine „Knnstmetropole" sein!

Übrigens, die Jüngeren sind auch nicht viel besser.
Wenn ich an Zuhause denke: wie da meine Verwandten
und meine Freunde gekommen sind und meine Bilder
angeschaut und sich mir gegenüber ausgesprochen haben
— aber wie! Ich erinnere mich z. B. an den jungen
Meyer — er ist nur ein Commis, im Geschäft von
seinem Vater (der übrigens meinem Alten einen schönen
Brocken schuldig ist) — aber er hat eben Empfindung,
und er hat nicht nur mir, sondern auch meinem Alten
gegenüber sich ausgesprochen: daß seit Jahren ihn nichts
so berührt hätte wie meine „indische Tänzerin". So ein
Wort, das aus dem Herzen kommt, Hab' ich von meinen
hiesigen Bekannten überhaupt noch nicht gehört. Neulich
Hab' ich einem halben Dutzend von ihnen (arme Kerls,
die kaum zu knabbern haben) Sekt geschmissen, aber wie!
Ta ging endlich Einem das Herz auf und er hat mir
gesagt, daß ich mir jedenfalls im Lauf der Zeit eine
Stellung erringen werde. Er war sonst sehr zurück-
haltend, um so mehr freute mich dieser Ausspruch. Im
Wein ist Wahrheit. Im Ganzen aber fehlt es mir hier
an der rechten Aufmunterung und Anerkennung. Jntri-
guen überall! Meine „Ägyptische junge Bettlerin" kommt
in den Kunstverein. Schön. Aber was hängen sie
gegenüber? Natürlich etwas Neues (irgend ein altes
Weib ist's, glaub' ich) vou irgend einem berühmten
Professor und natürlich wird das angeschaut und nicht
meines. Ter Name thut eben alles, auf die Sache
kommt's gar nicht an. Von Schönheitssinn ist beim
Publikum keine Rede, bei den Malern noch weniger.
Ich habe mir meine Bettlerin so zwischen 18 und 20
gedacht, ein Prachtmädl, weich und süß (du weißt, das
 
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