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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Buß, Georg: Die Galerie Pumps, [2]: ein Zeitbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0284

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222

Die Galerie WumpK

Lin Zeitbild. Von Georg Vuß

(Fortsetzung)

erade im Speisesaal hingen die zahlreichen Ahnen-
bilder. Sie waren der Gegenstand der eifrigsten Auf-
merksamkeit der Herren Kritiker, soweit eben der Kaviar
und das grüne und rote Getränk noch Zeit für die
Kritik übrig ließen. Insbesondere war Herr Nathan be-
flissen, sich über die Meisterwerke zu orientieren. „Die
Dame dort in der Halskrause, wer ist sie?" — Hub er
niit vollem Munde an. Und mit unnachahmlicher Würde
cntgegnete der Hausherr: „Es ist meine selige Ur-Ur-
Großmutter. Rubens hat diese vortreffliche Dame ge-
malt. Das Bild gehört zu seinen besten Werken."
Nathan hatte inzwischen ein kleines Büchlein hervorge-
zogen und schrieb hinein: „Ur-Urgroßmutter von Pumps.
Vortreffliche Frau. Maler Rubens. Sehr schön!"
„Und dort jener Herr" — examinierte er weiter —
„mit der vornehmen Physiognomie und dem Spitzenjabot?"

— „Der dort?" — „Ja!" — „Ah, das ist mein Ur-
großvater, der Präsident. Er ist während eines Aufent-
haltes in Paris von dem berühmten Hofmaler Lud-
wigs XV. Hyacinthe Rigaud gemalt worden. George
Friedrich Schmidt hat das Bild vortrefflich radiert.
Und wieder notierte Nathan in Eile: „Urgroßvater
Pumps. Haarbeutel und Spitzenjabots. Hyacinthe Ri-
gaud. G. F. Schmidt hat ihn rasiert, offenbar ein be-
rühmter Barbier." So ging es weiter.

Habicht war mehr ein Freund von Genrebildern
und Stillleben, denn Ahnen waren ihm zuwider, weil
er streng fortschrittlich war. Ein solches Stillleben ent-
deckte er hinten in der Ecke des Saales. „Ein famoses
Bild dort" — rief er aus -— „sicherlich ein großer
Meister!" „ Sie haben das Richtige mit feinem Kennerblick
erkannt" — entgegnete Pumps -— „es ist ein Hunde..."

— hier machte er eine Pause, denn er schluckte gerade
eine Auster hinunter, und fuhr dann fort — „Köter."
Alles lachte und Nathan notierte: „Stillleben, Hahn und
Henne mit Aprikosen und Apfelsinen. Von Hunde,
scherzweise auch Köter genannt. Kritiker Schnüffler, der
wieder sein Taschenbuch vergessen hatte, notierte heimlich
mit einem Stümpfchen Bleistift auf seiner Papierman-
schette: „Stillleben von Köter, wirklicher Name aber
Hunde."

Habicht erkundigte sich endlich, ob die Pumps ein
Patriziergeschlecht unserer Stadt seien. Nichts konnte
dem Hausherrn angenehmer als diese Frage sein und
mit Stolz setzte er die Geschichte der Familie seit ihrer
Gründung in Augsburg bis zu ihrer Übersiedelung nach
Bernau und der Provinzialhauptstadt auseinander. Na-
thans Bleistift sauste über das Notizbuch, Schnüffler
schaute wütend hinüber, da der Mangel eines Taschen-

Nachdruck verboten

buches ihn hinderte, den interessanten Stammbaum des
Geschlechtes Pumps niederzuschreiben. Nur Habicht hörte
mit halbem Ohr zu, denn er hatte dort an der Wand
eine jugendliche Schönheit mit ziemlich kurzer Toilette
entdeckt, welche sein Fühlen ganz gefangen nahm.

Endlich war das Frühstück beendet, und der Haus-
herr lud zur Besichtigung des Salons ein.

Die Läden waren heruntergelassen, Gaslicht brannte
und erhöhte die Wirkung der Bilder. Auf seine Perlen
machte Herr Pumps ganz besonders aufmerksam, so be-
sonders auf einige Van Dycks und Hals, die er einst im
Kurgarten zu Kissingen für die Summe von 800 Mark
erstanden. Die Herren befragten, bewunderten, notierten.
Nathan machte leider in der Schnelligkeit aus einem
Franz Hals einen Franz Schmalz, aus einem Salvator
Rosa eine Rosa Salvator, aus einem Leyden einen
Weyden und aus einem Weyden einen Heyden. Aber
es ging fix, und Fixigkeit war bei dem Journalisten und
Kunstkritiker Nathan die Hauptsache.

Die Besichtigung war zu Ende. Herr Pumps ver-
sorgte seine Gäste noch mit brennenden Zigarren, und die
Herren stürzten nach dem üblichen Dank über den ge-
habten Hochgenuß zu den verschiedenen Redaktionen.
Nathan lief am schnellsten, denn er gedachte, einen Ar-
tikel über die Galerie noch für die Abendnummer fertig
zu stellen und, da er Korrespondent einiger auswärtiger
Blätter war, den Stoff auch für diese auszuschlachten.

Herr Pumps blieb selig zurück, denn er wußte, daß
am nächsten Tage eine fulmiante Lobrede auf seine
Galerie in allen drei Blättern der Stadt stehen würde.
Aber schon früher sollte ihm der Genuß zu teil werden,
denn Nathan hatte den Kopf zum Artikel schon tags
zuvor aufgesetzt und schrieb nun auf Mord und Leben den
Rest in der Zeit von zwei bis drei Uhr. War ein Blatt
Papier beschrieben, so hatte es ihm der Chefredakteur noch
naß unter der Feder wcggezogen und sofort zur Druckerei
befördern lassen. Um etwaige Fehler ließ sich Nathan
keine grauen Haare wachsen, „denn" — so pflegte er zu
sagen — „wer so lange in dem Rummel drin steckt wie
ich, ist gegen irgendwelche Böcke völlig abgebrüht."

Der Abend kam heran und die Leser der „Allerneuesten
Nachrichten" lasen unter der Überschrift „Die Galerie Pumps.
Von Benno Nathan" folgendes: „Einen wahrhaft er-
hebenden Eindruck macht die Thatsache, daß der Kunst-
sinn der Bevölkerung unserer Vaterstadt ganz erheblich
gewachsen ist. Hatten wir erst kürzlich Gelegenheit die
Galerie Ramsch zu bewundern, so war cs uns heute
vergönnt, die Galerie Pumps kennen zu lernen. Nur
wenige unter uns haben eine Ahnung davon gehabt, daß
 
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