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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Pecht, Friedrich: Die Münchener internationale Ausstellung von 1892, [3]
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Brandes, Otto: Die Pariser Salons 1892, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0371

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vom Herausgeber — Die pariser Salons ^892. Von Gtto Brandes 293

Henningseu einen allerliebsten „Weihnachtsmarkt", von Haslund die zwei kleinen Buben des reichen Kunst-
freundes Jacobsen, von Achen das rührende Bildnis einer alten Frau, von Hildegard Thorell das eines
jungen Mädchens, von Michael Ancher das Bildnis seiner Frcufl und noch besser das zweier Seeleute,
köstlicher Theerjacken, und Paulsens Bild des Malers Fröhlich. Unter den Landschaftern ist dann durch die
Lichtfülle und feine Abtönung fesselnd Thorenfelds Sommertag an der Ostküste Jütlands. Einen so mächtigen
Eindruck wie voriges Jahr vermag aber diese achtbare Kunst eben doch nicht immer hervorzubringen, dazu ist
ihr Wirkungsfeld zu klein.

Ungefähr dasselbe gilt auch von Schweden, das ebenfalls einen ganzen Saal mit seinen Bildern gefüllt,
das es aber doch nicht vergessen machen kann, daß die besten Schweden im Ausland, in München, Paris,
Düsseldorf leben, da die Heimat sie nicht ernähren kann- Von dem Vorhandenen ist Cardons Bildnis des
Herrn Rydberg, von Elisabeth Keyser das ihrer Mutter, von Björck das einer andern alten Frau, von
Wallander die Darstellung eines Vogelmarktes zu rühmen. Einen rechten Eindruck hat man aber auch von
dieser Produktion noch weniger als von der dänischen, dazu fehlen die Hauptwerke. Was aber ein einziger
großer Künstler für seine Nation vermag, das kann man an Antokolsky am besten sehen, dessen Bildwerke
uns russische Art besser kennen lehren, als es ein ganzer Saal von Malern zweiten Ranges vermocht hätte.
Bekanntlich lebt Antokolsky aber schon seit vielen Jahren in Paris und hat dort sein Russentum ebenso
ausgebildet, wie die vielen Ungarn, Polen, Schweden, Norweger, Dänen ihren spezifischen Nationalcharakter
in Paris, München, Rom erst recht heransarbeiteten. Ja man muß sogar entschieden bezweifeln, daß ihnen

dies in der Heimat und derenZschwer auf den freien Flug des Geistes drückenden Verhältnissen nur überhaupt

so gelungen wäre. Mußte sich doch selbst ein Matejko erst in Wien und Paris zu dem machen, was er ge-
worden ist. Dazu braucht man aber nicht nur Talent, sondern man braucht auch Charakter!

(Die Fortsetzung im nächsten Hefte)

Die Pariser Halon§ 1892

von Gtto Brandes

enn die Einrichtung des Salon Meissonier keinen
andern Nutzen gehabt hat, als das Niveau der
künstlerischen Produktion im allgemeinen zu heben,
da müßte man den Gründern desselben dankbar sein.
In dem Ausstellungs-Palast der Champs Elysees sind
die ersten vortrefflichen Salons der Rivalen wie ein
Blitz gefahren, und wenn man anfänglich auch nicht aus
dem alten Schlendrian herauskonnte, so hat man sich doch
jetzt zu einer Höhe aufgerafft, die eigentlich dem Salon
des Marsfeldes nichts nachgiebt. Nehmen wir die alten,
zu jedem Aufschwung unfähigen „Hors Concours" ans
dem Industrie-Palast heraus, und stellen wir uns aus
den Bildern eine Sammlung von 1000 Stücken zusammen,
so schlägt dieses Mal der Salon der Champs Elysee
seinen Kollegen ans dem Marsfelde. Vergebens suchen
wir daselbst ein Bild von der Genialität Detailles
(Abzug der Garnison von Huningen), vergebens Por-
träts wie die Roybets, vergebens eine Landschaft wie
die Liepvres, vergebens ein Bild von der Intensität
des Ausdrucks wie das Surands (die Versuchung). Immer
noch bleibt der Salon des Champs de Mars wohl der
Sucher nach Neuem auf stofflichem wie auf technischem
Gebiete, aber auch das Neue in der Kunst fließt nicht
in jedem Jahre in unerschöpflicher Weise. Die Kunst
reflektiert die äußeren und inneren Beschäftigungen der
Zeitgenossen. Es ist daher nur natürlich, daß wo diese
nicht eine ausgesprochene Richtung einschlägt, auch die
Kunst indifferent bleibt. Es scheint, daß es mit dem über-
triebenen Naturalismus zu Ende geht, hier und da treten
die Vertreter des Gegenteils, die Apostel des Mystizis-
mus in Wort und Schrift auf. Diese noch schwankende
Richtung hat der Salon des Marsfeldes wohl aufge-
griffen, aber er hat nur das Äußerliche erfaßt. Tie

Künstler, die sich an mystische Stoffe gemacht haben,
kriechen wie der noch nicht flügge Schmetterling an dem
Boden hin. Sie glauben, wenn sie eine hysterisch aus-
sehende Figur, der sie den Namen Christus beilegen, in
Situationen malen, wie sie die Bibel erzählt, wenn sie
die Umgebung ihres Christus in modernen Gewändern
malen, daß sie dem Zuge her Zeit folgen. Sie haben
von Uhde die Formel für ihre Bilder entlehnt, nicht
den Geist, wie wäre das auch möglich. Hierfür wäre
bei den Franzosen eine vollständige philosophische Revo-
lution erforderlich. Kann man erwarten, daß die Ateliers
der Pariser Meister und die Kunstschulen, in denen man
bisher Gott und die Welt blaguiert hat, in denen der
Ausdruck jedes innigeren Gefühles mit ätzendem Spotte
behandelt worden, in denen der Gassenhauer jedes auf
sich selbst Zurückziehen, jede reine Flamme der Inspiration
erstickte, plötzlich von der untilgbaren Sehnsucht nach dem
Idealen gepackt, und wenn dies selbst der Fall wäre,
im stände sind, diese reizenden Gedanken auszugestalten?
Vielleicht sind die Künstler im nächsten Jahre schon in
der Klärung dieser Ideen weiter gekommen. Heuer gährt
es noch, und wenn ein Christus im blaugeblümten Schlaf-
rock mit verklärten Blicken in einer Familie, die unter
dem Schatten eines Mahagonibüffets, um den Frühstücks-
tisch, im bürgerlichen Hauskostüm unsrer Zeit-versammelt
ist, das Brod bricht, zu dem das Dienstmädchen den
gekochten Schinken aufträgt, so wirkt das mehr komisch
als erhebend; nicht anders geht es mit einem Christus,
der die Pariser Rangen im Tuilerien-Garten „zu sich
kommen" läßt und wieder ein andrer Christus am Kreuze,
im Lichte Geißler scher Reform ist grotesk. Was soll
denn ein solches Kunstwerk? Es soll doch zu uns sprechen,
uns rühren, uns packen, schütteln, ja geschüttelt wird
 
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