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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Adelung, Sophie von: Maria Stuart, [4]: eine Atelier-Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0225

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Maria Stuart

Line Atelier-Studie von Z. v. Adelung
(Fortsetzung aus dem vorigen Hefte)

.»Endlich war der ersehnte Augenblick gekommen und

Stephanie sah wirklich liebreizend in der alten, steifen
Tracht aus. Ich war selbst entzückt, erstaunt über Er-
warten und fing mit Feuereifer zu arbeiten an. Doch
Stephanie konnte nicht lange in einer Stellung bleiben,
bald begann sie zu schwatzen, drehte den Kopf nach der
Seite, wo Frau Richter gähnend an einer Handarbeit
saß, dann wieder ließ sie zerstreut die Augen über die
Wände des Ateliers gleiten.

„Darf ich Sie bitten, den Kopf ein klein wenig auf
die linke Schulter zu neigen — so!"

„Mein Gott, ist das aber langweilig!" sagte sie
schon nach zwei Minuten und verzog das Gesicht, wie es
kleine Kinder thun, wenn sie schwollen. „Legen Sie doch
das beklexte Holzding da weg und lassen Sie mich
die steife Halskrause ein wenig abnehmen, sie erdrosselt
mich ja!"

So ging es fort, nur kurze, allzukurze Augenblicke
hatte ich das liebliche Bild vor mir, sobald Stephanie
sprach, war jede Illusion zerstört; und sie sprach viel.

Das nächstemal ging es nicht besser. Die Jungfer
war mitgekommen, da Frau Richter verhindert ivar und
Stephanie drehte sich in einem fort nach dem Mädchen
um, irgend eine Frage bezüglich der Toilette an dasselbe
richtend.

Ich war verzweifelt. Meine gehobene Stimmung,
und was noch schlimmer war — meine Ruhe drohten
mich zu verlassen.

Da klopfte es. Die Kollegen waren mir seit meiner
Verlobung sorgfältig aus dem Wege gegangen; wer konnte
es sein? Ich ging an die Thür.

„Ah, du bist es! Er darf doch eintreten? Mein
Freund Leo Wolkow — meine Verlobte, Fräulein Richter."

Stephanie grüßte mit sichtlichem Vergnügen, fast
schien es, als werde sie ein wenig rot dabei. Erinnerte
sie sich der Begegnung, wo Wolkow sie so snns ceremonie
gegrüßt hatte?

„Setze dich mal her, Leo, da, und unterhalte meine
Braut ein wenig. Oder warte, noch besser! Hier ist
Rizzios Schemel, nimm die Mandoline auf deine Kniee
— so — wahrhaftig, beim Apoll! Einen bessern Rizzio
könnte ich nicht finden! Daß mir die Idee auch nicht
früher kam! So im dreiviertels Profil. . . ."

„Wo man von meinem Gesichte nichts mehr sieht,"
ergänzte Wolkow, sich nachlässig auf dem gelbseideuen,
betroddelten Kissen ausstreckend, „ich danke".

„Man sieht noch ein gut Stück von deinem einen
Auge," tröstete ich, „und nun, bitte". Stephanie setzte
sich zurecht und es wurde still im Zimmer. Zuweilen

fiel ein Wort von Leos Lippen — ich hörte es kaum.
Ich war ganz in meine Arbeit versunken; die mühsame
Spannung, in welcher ich mich bisher befunden, um meiner
Arbeit gerecht zu werden und meine Verlobte zur selben
Zeit zu unterhalten, verschwand. Ich vergaß die ganze
Welt und sah nur die Gruppe vor mir. Wie anmutig
Maria war, ganz so wieder, wie ich sie im Traume ge-
sehen; mein Pinsel flog und mit ihm die Viertelstunden.

Endlich trat ich zurück und musterte mein Werk.

Ich nickte befriedigt. „Wolkow, versprich mir, daß
du das nächstem«! wiederkommst — es malt sich weit
besser so."

„Ist es dir ernst?"

„Jawohl, ich bitte dich darum."

„Nun gut," sagte Wolkow, wie es mir schien, etwas
zögernd. Er ging, nachdem er sich verabschiedet und ich
begleitete meine Braut nach Hause.

Mein Bild gedieh von dem Tage an. Ich ließ Leo
keine Ruhe, er mußte das gepuffte, atlasgeschlitzte Sammet-

kostüm Rizzios auprobieren und cs stand ihm vortrefflich.
Es war wunderbar, wie die beiden sich in ihre Rollen
gefunden hatten. Manchmal Plauderte Leo, meistens saßen
sie aber schweigend da und immer natürlicher, immer
besser wurde ihre Haltung. Was ich Stephanie gar nicht
hatte beibringen können, das leichte Vorwärtsneigen des
 
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