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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Hirth, Georg: Die Vererbung des Talentes und Genies, [1]
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Unsre Bilder
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von vr. Georg Hirth — Unsre Bilder, vom Herausgeber

ls?

organisiert hatten.*) Es scheint hier ein ähnliches Gesetz
zu walten, wie bei dem individuellen Verfall der Ge-
dächtnisse; man könnte es als „Reversionsgesetz der
Vererbung" bezeichnen; „in den einzelnen Grund-
gedächtnissen siegt bei der Fortpflanzung die-
jenige Organisation, welche die größere ange-
borene Coercitivkraft besitzt." Eine zarte Rücksicht-

nahme auf die Schoßkinder unserer Zivilisation, auf
unsere Ideale und Genüsse, können wir von der Natur
nicht erwarten; und es ist vielleicht gut so, daß die
Bäume der geistigen Treibhauskultur nicht in den Himmel
wachsen, und daß wir zu unserer Selbsterhaltung ge-
zwungen sind, immer wieder zu den natürlichen Quellen
der Kraft zurückzukehren.

(Der Schluß im nächsten Hefte)

Unsre Vtlder

vom Herausgeber Nachdruck verboten

I^iewiß ist die „Karnevalsszene" Fr. Aug.

Kaulbachs, mit der wir heute unsie
Bilderserie eröffnen, in ihrer ganzen Gestalt
gewiß alles eher denn malerisch. Dafür zeigt
sie um so deutlicher das große Talent des
Künstlers, das Charakteristische eines jeden
der fünf Geschwister, die sich in ihrem Pierrot-
Kostüme und ihren gleichmäßig schwarzen
Augen und Haaren fast zum Verwechseln
gleichen, dennoch trotz der großen Familien-
ähnlichkeit so fein zu unterscheiden. Kann
man doch das schalkhafte Lächeln des Mäd-
chens zur Linken, den Knaben trotz des Stamm-
halters in der Mitte, die verhältnismäßige
Ruhe seines sich an ihn lehnenden Bruders
und die Fideliiät des rechts Sitzenden wie
die Beobachtungslust des neben ihm Stehen-
den so genau herausfinden, wie das eben nur
ein Meister zu erreichen vermag. Der Haupl-
reiz des Ganzen bleibt aber die vollendete
Unbefangenheit aller der Kinder, ja nach
dieser Seite der Natürlichkeit hin ist das Bild
ein vollkommenes Meisterstück und wirkt selbst
trotz des abgeschmackt entstellenden Kostüms
erquicklich. Dasselbe zeigt uns aber auch
wieder einmal recht deutlich, wie gewagt
alle Darstellung von Theater- und Masken-
szenen durch die Kunst ist, da diese ihren
Reiz bloß im rasch vorübergehenden, durch
die Bewegung die Phantasie anregenden be-
sitzen, was beim Malen wegfällt, wo man
dann sofort den kleinen oder größeren Wider-

*) Sehr lehrreich sind die merkwürdigen Er-
gebnisse einseitiger Kreuzung. Ribot („Die Erb-
lichkeit") schreibt: „Wenn ein Weißer sich mit einem
Neger vermischt, mit dem Erzeugnisse dann wieder
ein Weißer u. s. f., so sieht man, wie bei jedem
neuen Geschlechte der weiße Tvpus mehr und mehr
überwiegt. Der reine (weiße) Schlag erscheint in der
sün ften Geschlechtsfolge wieder. Wenn aber die ein-
seitige Kreuzung von Negern vollzogen wird, so be-
darf es noch weniger Zeit, um den vollen Neger-
typus wieder zürückzusühren: er erschemt schon in der dritten
Generation wieder." Zweifellos erstreckt sich die Typenvererbung
nicht bloß auf die Hautfarbe, sondern auf den ganzen Menschen, ja
vielleicht noch mehr am die psychischen als auf die rein körperlichen
Eigenschaften. Der Einfluß der länger geschonten Grundgedächt-
nisse ist evident. Aus diesem Grunde ist es vollkommen richtig,
wenn Michelet von den französischen Königen, deren Ahninnen
fast alle deutschen Ursprungs waren, sagt, daß sie eigentlich Ger-
manen seien. Dasselbe gilt vom russischen Regentenhaus und
fast allen anderen.


Daphnis und Chlor, von R. Lollin

spruch zwischen der Person und ihrer Rolle unangenehm
empfindet, der einem ganz entging, so lange sie sich be-
wegte und sprach.

Weil nun die Natur niemals Komödie mit uns
spielt, wie die Menschen fast alle, darum erquickt sie uns
so unendlich. Besonders aber im Walde, wo sie noch
so ganz unberührt und unentweiht erscheint, während wir
sie im Feld oder gar im Garten schon überall vom

Die Kunst für Alle VII.

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