Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

DOI Artikel:
Wellmann, Rob: Moderne Kunst in Rom
DOI Artikel:
Heilbut, Emil: Biarritz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0311

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2-14

Moderne Kunst in Rom — Biarritz

Wenn sich die hiesigen Künstler nach den neuesten, gründlichen Bestrebungen, wie sie in Paris und
München gegenwärtig klar und zielbewußt zu Tage treten, umsehen würden I Von den alten Meistern nur
Sauberkeit, Solidität und große Auffassung lernen möchten! Klima und Menschen fördern den Künstler in
Italien noch immer, wie kein andres Land. — ik..

Diarntz

von Berman Lelferich

onnat ist in Bayonne geboren und diese Stadt hat
ihm dadurch eines seiner Gemälde zu verdanken, das
in der oAliss 8t. ^.ncirs hängt. Maria schwebt, von
Engeln getragen, aufwärts, und um den Sarkophag, von
reicher Bildnerarbeit im Geschmacke der Renaissance, sind
die zwölf Apostel gruppiert. Wirkungsvoll ist das Bild
wie man es erwartet, doch wahrhafter meisterlich, als man
dem Maler jetzt zugetraut hätte. Man denkt kaum, daß
der Maler des „Simson" der letzten Ausstellung früher
etwas so Gutes gemacht hätte. Es ist in der Nach-
folge der Spanier entstanden und ob es nun daher
komme, daß die Kirche im Ganzen sehr nüchtern und voll-
kommen schmucklos ist, oder daher, daß Bayonne ent-
schieden ärmer an Kunstschätzen als Paris — gewiß ist,
daß die Wirkung dieser Himmelfahrt Mariä eine unend-
lich, aber unendlich bessere, als bei dem andern Monu-
mentalbilde von Bonnat ist, das in Paris hängt und im
Pantheon zu schwarz und zu schwer im Mauerwerk klebt.

Das Bild in Bayonne erscheint inniger: hat Bonnat
an die Vaterstadt gedacht? Ist das Bild nur besser, weil
es älter, ist? Ich weiß es nicht; nur das weiß ich, daß
das Bild vielleicht gar keine Konkurrenten in der Beziehung
besitzt, gleichwertig, also in würdiger Weise die alten
Meister fortzusctzen. Das Niveau dieses Bildes ist sehr
bedeutend oder für unsre Zeit recht bedeutend; es hat eine
selbstverständliche Vortrefflichkeit; es nimmt, wie ich denke,
keinen geringeren Platz ein als irgend eine Leinwand der
spanischen Schule oder des Luca Giordano. In dem
„irgend" soll jedoch auch etwas wie eine Verringerung
der Lobsprüche liegen: das Bild ist wie ein gutes Bild
der Schule, kaum aber wie eines der führenden Meister.
Es hat etwas Unpersönliches an sich; von der Erfindung
und Ausführung gehört kaum ein Zug Bonnat an; es
gehört vielmehr alles zum überkommenen Material. Immer-
hin darf man als außergewöhnlich betrachten, wenn ein
Bild dieser Art, ein monumentales Bild, in unfern Tagen
dermaßen gefällt, daß man denkt, es hielte sich unter alten
Bildern vollkommen aufrecht. Welches monumentale Bild
unsrer Zeit macht diesen Eindruck in der That?

Ein einziger Teil des Bildes tritt wie etwas Neues
und Originelles in die Erscheinung; es ist der Apostel,
der links in der Gruppe als mittelster kniet: eine Figur,
deren Lichtführung wie von Jean Paul Laurens einge-
geben ist. Daß die Madonna der schwächste Teil der
Tafel wurde, verstand sich bei einem Maler wie Bonnat
von selbst. Als Ersatz hat einer der Apostel, einer der
ältesten, einen so herrlichen Ausdruck, erscheint mit so be-
sonders energischer Ausmeißelung behandelt, daß man
denken mag, vielleicht an den eigenen Vater könne Bonnat
gedacht haben. Ein Apostelkopf ist entstanden, der mit
einem in die Erinnerung weiterzieht und mehr als einer
der so zahlreichen Greisenköpfe aus der spanischen Schule
uns fesselt.

Das Museum von Bayonne ist noch nicht fertig,
der alte Aufbewahrungsort der Bilder abgebrannt; schon
in Bordeaux hatte ich viel von Bränden der Gemälde-
Galerien hören müssen. Es scheint, als ob die Wärme
der Meridionalen auch die Feuer bei ihnen häufiger
machte. Die Sprache in Bayonne ist furchtbar; man
versteht das Französisch, das die Leute reden, nicht mehr,
ihr Spanisch noch nicht. Sie betonen jene Silben, die
im französischen Gespräche stumm bleiben, im französischen
Gesänge leise angeschlagen werden; die Endsilben werden
von diesen Kehlen mit vollem sonoren Pathos hervor-
gedonnert, ja es ist, als betonten sie sie stärker, denn
die Vorsilben. Es klingt wie ein Übergang zum Spa-
nischen. Bayonne ist überhaupt schon recht spanisch.
Man trägt die Mütze, man bietet einen neuen Geruch
(nach in Oel Gebackenem) und man sieht schon — Esel.

H 2-

*

Darf ich dich nun, freundlicher Leser, einladen, nur
an den Strand von Biarritz zu folgen. Du siehst zwar
nichts von Kunstwerken und du machst mir vielleicht
klar, daß es meine Aufgabe nicht sei, dir von Bade-
orten zu erzählen. Aber wenn du wüßtest, wie schön
er ist! Dn kannst versichert sein, daß ich wenigstens
glaube, es gibt keinen schöneren Strand. Wenn man
von der Bahn komnit, die, als eine kleine Seitenlinie,
Bayonne mit Biarritz verbindet, wenn man von der
Bahn kommt und angelangt, das Gelände nur hinabzu-
eilen braucht, um die Hände zusammenschlagend über die
Bläue der Flut, die azurne Reinheit des Ganzen, die
entzückende Fernsicht ans den Ozean zu frohlocken — so
wirst du mir zugeben, daß es mir ganz unmöglich ist,
von diesem Erlebnis zu schweigen; auch will ich mir alle
Mühe geben, das Ereignis wie ein Knnstproblem auf-
zufassen und dir von Marinemalerei zu erzählen. Aber
verschweigen und einstecken — das siehst du wohl ein —
kann ich einen solchen Aufenthalt nicht.

Einige hellbraune Felsen, deren Linien gut geführt
sind (und nicht zu viele, nicht zu wenig würde ich sagen,
wenn ich als Kritiker für die bewährte Leistung eines
Regisseurs dieser Szene zu sprechen hätte), sperren das
Wasser in Abschnitte ein; es hebt und senkt sich in tiefem
Pflaumgrün als eine stillbewegte Straße. Die Felsen
haben in der Tiefe, wo das Wasser sie berührt, die
Farbe nassen Mooses — oben sind sie bleicher, tabak-
farben, oder wie Sand in der Farbe. Sie haben die
Form wie Riesenmuscheln, liegend, mit Gewinden oder
mit bläschenartigen kleinen Erhebungen und Kegeln. In
großen Abständen liegen sie. Das Wasser, so dunkel-
grün, wie es unter den Felsen erscheint, so hellfarben
kommt es, in breiten Wogen, hierauf dem Strande ent-
gegen; drei-, viermal holt langsam eine breite Woge aus
— ein wundervoller, labender Anblick — mit einer un-
 
Annotationen