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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Unsre Bilder
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler - Ausstellungen und Sammlungen - Vermischtes
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vom Herausgeber — Personal- und Ateliernachrichten

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Ein stürmischer, regnerischer Himmel vervollständigt dann
noch die wilde Szene, die uns so recht deutlich den ent-
setzlichen Zustand vergegenwärtigt, dem Deutschland durch
diese überall zerstreute Soldateska verfallen war, die alles
zerstörend, wo sie hinkam, ihrerseits von den Bauern
schonungslos niedergemacht ward, wenn diese in der
Mehrzahl waren. Das köstliche malerische Talent aber,
mit dem Diez das alles unübertrefflich lebendig wieder-
gibt, versinnlicht uns diese trostloseste Zeit Deutschlands
mit einer Art von wildem Humor, der seiner Schilderung
wenigstens das gar zu grausige nimmt, da unser Abscheu
vor dem Geschilderten durch die Bewunderung des Künstlers
gemildert wird.

In bessere Gesellschaft als Diez führt uns jedenfalls
der in London wohnende Otto Scholderer durch seine
„Verhallenden Akkorde", die eine schöne Frau im Kostüm
des sechzehnten Jahrhunderts nach beendigtem Trio noch
der Mandoline entlockt. Die Nation, der sie wie die
andern beiden Damen angehört, ist freilich weniger sicher
zu bestimmen als die Zeit, da man auf Engländerinnen
oder Deutsche raten könnte, wenn man schönen Frauen
gegenüber sich nicht immer ganz merkwürdig frei von
allen nationalen Vorurteilen fühlte. So wollen wir auch
dem anmutigen Bilde gegenüber um so eher die Damen
für Engländerinnen halten, da wir ihr Musizieren ja
nur zu sehen und nicht zu hören brauchen.

Daß unsre neuere Landschaftsmalerei den Haupt-
schmuck unsrer heimatlichen Natur, den deutschen Wald,
sehr viel besser darstellen gelernt hat, als dies noch vor
zwanzig Jahren der Fall war, das ist ganz unbestreitbar.
Ja es gehört das zu den unzweifelhaftesten Fortschritten,
die sie gemacht und wie sie auch des Berliners Paul
Flicke! prächtige „Waldeinsamkeit" aufweist, die wir un-
gefähr ebenso in Thüringen als in Holstein, in Ober-
bayern und am Harz, wie im Schwarzwald finden könnten,
wo man überall dieselbe entzückende Mischung von herr-
lichen Eichen und hochstämmigen Buchen, überhaupt jenen
köstlichen Laubwald trifft, den man in so stolzer Pracht
sonst nirgends mehr in der Welt findet, da er nirgends
so sorgfältig gepflegt wird. Unser Künstler hat ihn nun
noch durch das blitzende Sonnenlicht eines Sommernach-
mittags belebt und durch ein am Rand eines Wassers
stehendes gemütliches Storchenpaar, das mit stiller Teil-
nahme die Annäherung der Frösche zu erwarten scheint.
— Jedenfalls ist es dem Künstler trefflich gelungen, das
herzerquickend frische und großartig erhabene unsres
Waldes wiederzugeben.

Den modernen, fast unverschämt zu nennenden Na-
turalismus in seiner ganzen Indiskretion repräsentiert
kein Künstler mit so viel Geist und Humor, als der in
Paris wohnende Italiener Boldini. Das sieht man
auch an dem kleinen Pariser Gamin, den er uns heute
höchst nonchalant auf ein Sopha im Stile Louis XVI.
hingereckelt vorführt, der also einem modisch-eleganten
Hause angehört, wie das auch seine langen Finger
zeigen, obwohl er mit seinem Matrosenanzug sehr schlecht
umgegangen ist und in der Langeweile des Eitzens
auf die verzweifeltsten Posen gerät. Seinem Vater
wird dieser hoffnungsvolle junge Pariser jedenfalls noch
sehr viel Geld kosten, das kann man allein mit Sicher-
heit aus diesem zu allen Lumpereien aufgelegten Gesicht
herauslesen, und mit dieser schönen Hoffnung wollen wir
uns denn auch über das ganze polizeiwidrige Arrangement

des durch und durch geistvollen Bildes trösten. — Beweist
es uns doch, daß man in den Himmel der Kunst auf sehr
verschiedenen Wegen eingehen kannj!

Personal- und Mrlirr-Nachrichkrn

b. gl. Michael v. Munkäcsy ist gegenwärtig mit der
Ausarbeitung der Studien und Skizzen für sein nächstes großes
Bild beschäftigt, welches, in der Länge von 14 und in der Höhe
von 8 Metern, die Hauptwand des großen Sitzungssaales im
neuen ungarischen Parlamentsgebäude schmücken soll, das am
Donauufer in Budapest langsam seiner Vollendung entgegenreist
und das monumentalste, künstlerisch bedeutendste Architekturwerk der
magyarischen Hauptstadt zu werden verspricht. Munkäcsys Wand-
gemälde dürfte ein würdiger Schmuck dieses architektonischen Juwels
werden. Das nationale Thema — mit Rücksicht auf die bevor-
stehende Feier des tausendjährigen Bestandes des ungarischen
Staatswesens wurde „Die Besitzergreifung Ungarns durch den
großen Arpäd" zum Gegenstände des Bildes gewählt — regte
den Meister fruchtbar an; er machte gelegentlich seines letzten
Aufenthaltes in der Heimat im Nationalmuseum gründliche
Waffen- und Trachtenstudien und brachte im Skizzenbuche auch
manchen charakteristischen Magyarenkopf und manche typische Land-
schaft mit nach Paris, wo er sich sofort an die Arbeit machte.
Da sein Prachtatelier in der Avenue de Villiers, das zu den
erlesensten Sehenswürdigkeiten von Paris gehört, zur Aufstellung
so großer Leinwänden keinen geeigneten Raum enthält, hat
Munkäcsy das Jnterimsatelier in Neuilly, einem dörflichen Vor-
örtchen von Paris, in welchem er das Deckengemälde für das
Wiener kunsthistorische Hofmuseum malte, beibehalten und gedenkt
da an Stelle des bisherigen schlichten Holzpavillons ein stilvolles
und allen künstlerischen Bedürfnissen entsprechendes Riesenatelier
errichten zu lassen. Indessen arbeitet er bereis mit gewohntem
Eifer an dem großen Werke, dem er die nächsten drei Jahre
widmen will; Zeichnungen, Grisailles uvd Farbenskizzen in allen
Größen, die bald einzelne Gestalten, bald landschaftliche Details,
bald Kostümliches, bald das ganze Thema behandeln, erfüllen
jetzt Wände und Räume seines Pariser Ateliers und vermehren
sich täglich, was keinen verwundern kann, der Munkäcsys Ge-
wissenhaftigkeit kennt. Aus einzelnen der Studien läßt sich be-
reits eine Ahnung des Gemäldes schöpfen, welches sich da vor-
bereitet. Es wird wohl das sigurenreichste Bild des Meisters
werden, reicher an Gestalten noch als die beiden Christusbilder,
in denen Munkäcsy schon eine Probe seines Vermögens gegeben,
die Masse künstlerisch zu bezwingen, übersichtlich zu gruppieren
und charakteristisch zu beleben. Arpäd, der große Eroberer des
Ungarlandes, bildet — auf stolzem Rosse dargestellt — die Haupt-
gestalt des Bildes, eine interessante, kraftvoll imponierende Helden-
erscheinung, umgeben von seinen Magyaren zu Fuß und zu
Pferd, Schwerter, Lanzen und Banner schwingend, eine begeiste-
rungserfüllte und begeisternde Gruppe von größter Mannigfaltig-
keit und einem ureigenen, rassenhaften Reize. Vor Arpäd steht
in demütiger und doch edler Haltung inmitten seiner Krieger,
Knechte und Frauen der bezwungene Häuptling der Avaren, die
das Land bis nun inne hatten, und überreicht dem Sieger als
Zeichen der Unterwerfung ein Heubündel, einen Wasserkrug und
andre Symbole der Huldigung. Diese Massengruppen erfüllen
eine perspektivisch glücklich gelöste weite Pußtafläche, die
weit im Hintergründe Bäume und Zelte abschließen, welche in
das überaus farbige Bild neue, wohlthätig abstimmende Töne
bringen. Der historische Vorgang, welcher trotz seiner inneren
Bedeutsamkeit des dramatischen Nervs völlig entbehr!, ist an-
sprechend, klar und fesselnd dargestellt, und einzelne Gestalten
werden wohl Munkäcsy auf der Höhe seiner Charakterisierungs-
fähigkeit zeigen. — Interessant ist, daß dasselbe Thema augen-
blicklich auch einen andern ungarischen Künstler beschäftigt. Ter
hochbegabte Arpäd v. Feßty, der sich insbesondere durch seine
Wand- und Deckenbilder für den Budapest« Justizpalast als her-
vorragender Geschichts- und Monumentalmaler bewährt hat,
arbeitet an einem riesenhaften Panoramengemälde, welches zur
Feier des ungarischen Milleniums in Budapest zur Aufstellung
gelangt, in einem für diesen Zweck zu errichtenden Prachtbau,
dessen Schöpfer der Architekt Feßty, ein Bruder des Malers,
wird. Die Stadtverwaltung hat in Berücksichtigung der natio-
nalen Idee den Grund für das Gebäude unentgeltlich bewilligt.
Auch Arpäd v. Feßty hat in den Landesmuseen und in Sieben-

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