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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Internationale Ausstellung, [1]
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Tscharner, B. von: Die zweite schweizerische nationale Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0330

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2so Die Münchener Internationale Ausstellung, vom Herausgeber — Die zweite schweizerische nationale Kunstausstellung

Düsseldorfer Schule zum Entzücken aller Backfische produziert, bis Alfred Rethel und Knaus dem wenigstens
teilweise ein Ende machten! Aber wie sich die Phrase, die Redensart überall da einstellen, wo die Gedanken fehlen,
so tritt auch in der Malerei die Pose, das Wichtigthun überall und immer wieder aufs neue auf, wo den Künstler
die feine Naturbeobachtung oder die innige und tiefe Empfindung im Stiche lassen. Das ist nun besonders
bei allen Historien- oder religiösen Bildern der Fall, die meisten wimmeln ja davon, und daß die Naturalisten
all dieser prätentiösen Leere den Krieg erklärten, das ist jedenfalls ihr unbestreitbarstes Verdienst. Da dabei
die Franzosen im Komödiespielen auf der Leinwand wie auf der Weltbühne von jeher am meisten geleistet haben,
so ist es nur natürlich, daß die Reaktion dagegen auch von ihnen ausging. Ist es ihnen doch oft gelungen,
ebenso geziert-einfach als vorher gespreizt zu werden, wie man selbst an Millet bisweilen sehen kann, der so-
gar von Meissonier in der Natürlichkeit oft überboten wird. Freilich auch in der Nüchternheit. Besser ge-
lingt das Ungezwungene dagegen den Engländern, deren Kunst daher wachsenden Einfluß auf die unsre ge-
wonnen. Auch die Italiener haben nach dieser Seite, wie nach der aller Volksschilderung überhaupt, in neuerer
Zeit die erfreulichsten Fortschritte gezeigt, wie auch die Spauier. Jedenfalls hat die von Frankreich ausgehende
Bewegung der Naturalisten die Kunst der ganzen Welt in zwei große Heerlager geteilt, und nur der Erfolg
kann zeigen, wer Recht behält. Eines aber kann man heute schon mit Sicherheit sagen: daß keine Kunstübung,
welcher Art sie auch sei, ganz unberührt von dieser Bewegung geblieben. — Was aber schließlich überwiegen,
welche neue Tendenzen sich heraufarbeiten, welche alten Richtungen verlassen werden dürften, das kann uns
erst die bevorstehende Ausstellung zeigen, die darum für den Philosophen und Staatsmann nicht weniger
interessant werden dürfte, als für den Kunstfreund. Denn mehr als je zuvor ist die bildende Kunst nicht nur
ein Spiegel der Gegenwart, sondern auch die Verkünderin der Zukunft geworden. Vor allem wird sie uns
sagen, ob wir wirklich eine Proletarierherrschaft zu erwarten haben, wie es der Naturalismus zu verheißen
scheint, oder ob auch er, wie der Sozialismus selber, ein Korn Wahrheit in einen Centner Selbsttäuschungen
einhüllt.

Die zweite schweizerische

Von llr. L.

chon lange hatte sich in der Schweiz das Bedürfnis
nationaler Ausstellungen geltend gemacht. An Aus-
stellungen fehlt es ihr zwar nicht. Diejenige des schwei-
zerischen Kunstvereins macht jedes Jahr die Runde durch
die bedeutendern Städte; nebstdem finden an vielen,
selbst kleinern Orten lokale Ausstellungen statt und die
Permanenten Ausstellungen in Basel, Bern, Genf, Winter-
thur, Zürich u. s. w. sind stets reichlich ausgestattet.
Allein, an diesen allen beteiligen sich die hervorragendem
Schweizer Künstler je länger je weniger, da sie im Aus-
land eines größern Erfolges sicherer sind, während viele
fremde Künstler zweiten und dritten Ranges ihre Arbeiten
in die Schweiz senden. So verloren diese Ausstellungen
ihren nationalen Charakter und sanken zu einem Markte
herab, der weit davon entfernt ist, die schweizerische
Kunst zu fördern. Da dies nur durch nationale, reich-
lich unterstützte Ausstellungen erreicht werden kann, be-
schlossen die schweizerischen Buudesbehörden alle zwei
Jahre in der Bundesstadt Bern eine eidgenössische Kunst-
ausstellung zu veranstalten, die nur für neue Werke von
Schweizer Künstlern des In- und Auslandes, sowie für
fremde, in der Schweiz ansässige Künstler bestimmt ist,
und an welcher der h. Bundesrat für beträchtliche Summen
Ankäufe macht. Wie wir auf S. 346 des fünften Jahr-
ganges der „Kunst für Alle" berichteten, entsprach die
erste dieser Ausstellungen im Jahre 1890 nicht ganz den
Erwartungen. Man mißbilligte die Annahme einiger,
sehr mittelmäßiger Arbeiten und ebenso die Auswahl
der dem Bunde zum Ankauf empfohlenen Kunstwerke.

Die zweite nationale Ausstellung oder, wie sie im
Volksmunde heißt, der schweizerische Salon wurde am
1. Mai 1892 im Berner Kunstmuseum unter günstigeren

natian sie Ärmst Aufstellung

v. Tscharner

Verhältnissen eröffnet. Die Kunstkommission des h. Bundes-
rates hat diesmal die mit der Beurteilung der einge-
sandten Arbeiten betraute Ausstellungskommission in der
Weise besetzt, daß die Mitglieder in ihrer Mehrzahl
von sämtlichen angemeldeten Künstlern und nur die
übrigen durch die Kommission selbst gewählt wurden.
Von den über 600 eingelangten Kunstwerken sind bloß
beiläufig 400 angenommen worden, meistens treffliche
Arbeiten, die der Schweiz zur Ehre gereichen. Obschon
es, wie immer, nicht an schwachen und mittelmäßigen
Leistungen fehlte, und leider mehrere der bedeutendsten
Schweizer Künstler, wie Arnold Boecklin, Ben-
jamin Vautier, Anker, Bürnand, Paul
Robert, Giron, Frln. Luise Breslau, weg-
blieben, die es vorzogen, ihre neuern Arbeiten den gleich-
zeitigen großen Ausstellungen in Paris, München u. s. w.
zuzusenden, befriedigte die Auswahl im allgemeinen mehr
als bei der ersten nationalen Ausstellung. War auch
die religiöse Malerei nur durch einige wenige, ziemlich
unbedeutende Bilder, die Historienmalerei gar nicht ver-
treten, so fand sich doch reichlicher Ersatz in den Ge-
bieten des Genres, der Porträte und der Landschaft.

Unter den Genremalern nahmen Kaspar Ritter,
Professor in Karlsruhe, und Hans Bachmann, in
Düsseldorf, die ersten Stellen ein. Ritters „Appen-
zeller Stickerinnen", am Fenster im Gegenlicht unter
der Leitung der sorgsamen Mutter arbeitend, sind be-
kanntlich ein Meisterwerk stimmungsvoller Komposition
und technischer Ausführung. Ebenso schön empfunden
und harmonisch in zarter Farbenabstufung ist desselben
Künstlers „Trost im Lied", ein sinnendes Mädchen auf
einer Gartenbank, vertieft in das Spiel ihrer Guitarre.
 
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