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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Adelung, Sophie von: Maria Stuart, [5]: eine Atelier-Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0244

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Maria Stuart

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er alte Mann,
blieb lange
krank und während
der ganzen Zeit war
er geduldig und
sanft, wie nie zu-
vor, nannte mich
„seinen lieben
Hans", fragte nach
meiner Braut und
meinem Bilde und
sagte einmal über
das andre: „Ich
danke dir, daß du
gekommen bist."
Doch dann kam
wieder seine ge-
wöhnliche, gut-
mütig - sarkastische
Laune über ihn, er
schalt mich und die
Mutter und be-
teuerte, er wolle
die Tochter des
Geldsackes nie
sehen, die ich mir
als Klotz an den
Fuß gehängt habe.
Da wußte ich, daß

der Onkel auf dem Wege der Besserung sei. Zudem
hatte mich eine sonderbare Unruhe gepackt; es zog mich
unwiderstehlich zu meinem Bilde zurück. Die Ausstellung
sollte in diesen Tagen eröffnet werden. An die See zu
reisen war es zu spät, Richters mußten schon auf dem
Heimweg sein. So fuhr ich denn ab, sobald ich den alten

Ein Briefbogen

Vriginalradierung von B. Mannfeld

Maria Stuart

Eine Atelier-Studie von Z. v. Adelung

(Schluß)

Mann ohne Sorge verlassen konnte, und traf noch am
selben Abend in der Stadt ein.

Niemand wußte von meinem Kommen, aber auf der
Straße begegnete mir Rudolfinchen und stürmte auf mich
zu, als er meiner ansichtig wurde.

„Ich gratuliere, ich gratuliere!" rief er mir schon
von weitem zu. „Ist das ein Erfolg! Wir sind alle
erfreut, es ist nur eine Stimme!"

Ich blieb stehen. Etwas Sonderbares, Neues, Über-
mächtiges machte mein Herz hoch aufschlagen.

„Was ist es denn —?" fragte ich so gleichgiltig wie
möglich.

„Er weiß es noch nicht!" lachte Rudolfinchen und
drehte sich ans dem Absatz herum. „Und seit heute morgen
spricht kein Mensch von etwas anderm. Die goldene
Medaille ist Ihnen zuerkannt."

Ich stand sprachlos.

„Ihr Bild ist aber auch wunderschön," fuhr Rudol-
finchen vertraulich fort. „Ter Professor und alle sagen
es. Ich habe ebenfalls ausgestellt, eine alte Frau. Man
sagt, sie werde eine „ehrende Erwähnung" bekommen,
glauben Sie das auch?"

Allein ich lief, ohne Antwort aus Rudolfinchens
Frage, der Wohnung meines Freundes zu.

Ich fand Leo am Tische sitzend, den Kopf auf die
gekreuzten Arme gelegt. Er hörte mich nicht eintreten
und verharrte auch dann noch in dieser Stellung, als ich
dicht neben ihm stand. Daß er nicht schlief, bewies mir
das unruhige Zucken seiner Hände. Mein Freund schien
unter der Last irgend eines großen Schmerzes zusammcn-
gebrochen zu sein.

Mir fuhr ein Stich durchs Herz — was war ge-
schehen —?

Ich sah mich nach dem Bilde um: es stand noch auf der
Staffelei und ein Blick genügte, um mir alles zu erklären.

Zwischen Dilettantismus und
^ Kunst ist derselbe Unter-
schied wie zwischen Thun und
Wirken.

Der Dilettant kompliziert sich
unbewußt das Einfachste, der
Künstler vereinfacht sich bewußt
das Komplizierteste.

^leliergeöairketr

von Veinr. Glücksmana
 
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