Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

DOI Artikel:
Wellmann, Rob: Moderne Kunst in Rom
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0308

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VII. Jahrgang. Heft 16

iz« Mai 1892

„Tie Kunst sür Alle" erscheint in halbmonatlichen Hesten von 2 Bogen reich illustrierten Textes und 4 Bilderbeilagen in Umschlag geheftet. Bezugspreis im
Buchhandel oder durch die Post lRcichspostverzeichnis Nr. 3517. daher. Verzeichnis Nr. 406. k. u. k. österr. Zeitungsliste Nr. 15S3) 3 M. 60 Pf. sür das Vierteljahr

f6 Hefte); das einzelne Heft 7S Pf.

Moderne Kunst in Rom


iifaug März wurde im äußerlich sehr schönen und
^ fertigen, innerlich auch großartig und schwungvoll

gedachten, aber sehr leer und unfertig aussehenden Aus-
stellungspalast in der via. nationale zu Rom die
Jahresausstellung der societa clei cnltori s ainatori
und der socista ckei Lignarellistt eröffnet. Der schöne
Bau ist innerlich deßwegen nicht fertig, weil ihm noch
jeglicher plastischer und malerischer Schmuck fehlt und
das fühlt man in Rom noch unangenehmer als sonstwo,
wie öde und anmutlos ein architektonischer Raum ohne
das Mitthun der beiden Schwesterkünste auf uns ein-
wirkt. Und welche Aufgaben harren der römischen
Künstler! Das würde wieder Schwung und Größe in
deren Schaffen hineinlegen. Als ich am Eröffnungs-
nachmittage die Ausstellungsräume betrat, fand ich ein
dichtes Gedränge der feinsten Gesellschaft von Rom hier
bereits versammelt und noch immer strömten die feinen
Damen zum Portal herein, legten Mäntel und Schirme
ab und zeigten sich im feinsten Anzuge. Stattliche
Römerinnen in reichbeladener Toilette mit edel ge-
wachsenen Töchtern. Deutsche Laute ertönten von an-
genehmen Erscheinungen und freundlichen Gesichtern.
Einfach und in feinste, teuere Ware gekleidete Eng-
länderinnen. »I inAlssi kanno roka knonissiina«
meinte nachher meine paärona, aber »ls pick Keils
sono le ^.rnerieane«. Ich war nun andrer Meinung,
aber sie gab nicht nach. Der Schnitt moderner
Damenkleidung ist in ein glückliches Stadium getreten. Einfachheit und Solidität wird angestrebt und das
ist viel! Wie schön und schwungvoll fallen die Falten an der Gestalt herab, durch keinen angeklebten
Querputz unterbrochen. Schlanke und volle Gestalten kommen zu sinnlich schöner, reizender Erscheinung und
die Boa verstehen sie alle mit Chic zu winden und zu schlingen. Das nette Hütchen sitzt so vorzüglich auf
dem einfach geschlungenen Haar! Doch ich soll ja über die Kunstwerke da schreiben! Und ich bin doch selber
ein junger Künstler, ach nein, leider nur als Mann in jungen Jahren, für den Künstler ist das Alter hoch
genug. Aber kurz, ich meine, ich sollte mich als Künstler nicht um das Publikum kümmern, sondern um die
Kunstwerke, die doch mit soviel Schlauheit und berechnendem Geschmack auf den Postamenten rings an den
Wänden aufgestellt sind. Lauter Büsten! Studienköpfe, Porträts. Ein langsamer Blick ringsumher genügt,
um mir zu sagen, dieses schöne Publikum und da es meistens Damen sind, und nur Damen, die geschmackvoll
sind, hat größere künstlerische Qualitäten, als diese Werke da an den Wänden. O, ihr schönen Damen, warum

Skudirnkoxf. von Paul De vigne

3t

Kunst für Alle VII.
 
Annotationen