Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

DOI Artikel:
Wellmann, Rob: Moderne Kunst in Rom
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0309

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Moderne Kunst in Rom

242

läßt ihr euch nicht in solch schöner, einfacher Tracht malen! Jetzt rasch, bevor sie schlimm wird! Und ihr
Künstler, ist solch ein feines Profil, edles Oval, schlanke Gestalt, mit vornehmer, ruhiger, anspruchsloser
Bewegung nicht viel darstellungswürdiger, als ein schmutziger Knabenkopf, eine schließlich ja ganz nette Genre-
gruppe von wieder schmutzigen Kindern, oder wenn ihr ernst werdet, dann muß es ein stinkender Leichnam sein
und sonstige sozialistische Vorwürfe. Ja ganz recht, ich weiß ja, was ihr mir darauf antwortet: sitzen sollen
sie nur diese schönen Damen, aber sie wollen ja nicht, haben keine Geduld und die Berufsmodelle sind eben
keine Damen. Und hat man einmal das Glück, eine elegante Dame künstlerisch darstellen zu können, dann ist
das so unendlich fein und schwierig, viel schwieriger als alles bis dahin Versuchte, daß es unbefriedigt schülerhaft
ausfällt. Aber wieder versucht, muß es doch besser werden? Ja, wenn die Damen Ausdauer hätten! — Da
finden wir zwei Knaben, der eine mit Ziegenbeinen, auf die er sich bückend mit den Händen stützt, während
der andere über seinen Rücken den Bocksprung wagt, mit Angst und Schauer vor seiner eigenen Kühnheit im
Gesicht gut zum Ausdruck gebracht. Ein schön studiertes, fein durchgearbeitetes Werk, ein Bronzeguß. Der
Künstler heißt Haverkamp, ein junger deutscher Pensionär aus der Villa Strollfern.

Manchen guten Gedanken finden wir noch, einen wirkungsvollen Studienkopf, eine gut angelegte
Büste u. s. w., aber es ist nicht durchgeführt, nicht studiert. Es ist als gute Anlage schon in Gips oder gar
in Bronze gegossen und dann kommt man zu dem natürlichen Schluß, daß der Künstler aus Eitelkeit auf seine
interessante Manier u. dgl. kleinliche Beweggründe, das Ding für abgeschlossen und würdig der Erhaltung
durch Guß gefunden hat. Wir treten in den zweiten Saal und finden eine Knabengruppe, die uns die Um-
gebung doch vergessen läßt: Auf einem alten korinthischen Säulenkapitäl sitzen zwei wunderschöne Knaben, der
eine schlingt den Arm um die Schulter des andern und stützt sein Haupt auf die andere Achsel, so sehen die
beiden Köpfe aneinander gelehnt in die Ferne auf einen Gegenstand mit Aufmerksamkeit und Interesse. Das
der Ausdruck der Köpfe. Die Gruppe ist in Marmor ausgeführt, durchaus gründlich studiert, mit Gefühl und
Ernst, die Formen fest und schneidig gemeißelt, eine hervorragende Arbeit nicht dieser Ausstellung allein, sondern
jeder anderen, wo sie noch erscheinen wird. Und sie ist auch von Haverkamp. Man fühlt großes Interesse
und Sympathie für einen Künstler, der solches geschaffen! —

„Helvetier lassen die Römer durchs Joch gehen", von einem Schweizer, Herrn Brandenberger, ist
eine gründliche Arbeit, mit viel Gewissenhaftigkeit und Streben gemacht. Der Künstler hat die Arbeit in Wien
modelliert und was daran mangelt, ist eben, daß man Helvetier und Römer in Wien nicht so unmittelbar und
typisch wiedergeben kann, als den Römer in Rom und den Helvetier in der Schweiz.

Die übrigen Skulpturen sind alle weniger bedeutungsvoll und ernst aufgefaßt. Es sind da noch manche
Porträts, Medaillonreliefs, die sich durch feine Behandlung des Marmors und auch Feinheit der Linien und
Fäden auszeichnen und doch fehlt allen etwas. Wenn ich vor solchen Arbeiten stehe, denen man eigentlich
nichts Schlechtes nachsagen kann, dann bin ich verzweifelt, denn beleidigen kann man sie nicht und doch ist
dahinter nichts von einer Liebe und Begeisterung des Künstlers.

Neben den zwei Sälen der Skulptur schließen sich zwei Säle der Aquarellisten an. Von dem verstorbenen
Faustini sind eine Reihe von religiösen Entwürfen und Studienköpfen zu diesen Skizzen. Diese „Geburt Christi",
„Anunciata", „Die Frauen vor dem Kreuze" u. s. w. sind in byzantinischem Sinn und Stil aufgefaßt. Modern
darin ist die feine und natürliche Bewegung der Menschen. Aus diesem wenigen erkennt man, fühlt man den
großen Künstler. Erhabene Einfachheit, poetisch-religiöse Empfindung und natürlich-dramatische Handlung
wehen uns aus dieser echten Kunst an. Und doch ists nicht bloße Nachahmung alter Meister. Es ist ein
durchaus moderner Mensch, der mit diesen Arbeiten uns fesselt und in Feiertagsstimmung versetzt. Die
Natürlichkeit ists. was darin modern ist. Die Antike, die Byzantine, die Renaissance waren in ihren höchsten
Leistungen anspruchslos natürlich und in der Wahrheit und Natürlichkeit berühren sich die fernsten Zeiten und
fühlen sich dort verwandt. —

Unter dem übrigen finden wir dann Studien, größere abgeschlossene Motive, sogar manches, was zum
Bild sich nähert. Ausgezeichnet, mit ungeheuerer Übung aquarelliert, aber dem einen fehlt es an Gefühl, dem
andern an Gründlichkeit. Da sieht man Ehrlichkeit der Zeichnung, aber unempfundene Farbe und umgekehrt.
Nur Charlandi kann, wenn er will, alles. Er hat wunderschöne Farbe. Eine unglaubliche Sicherheit und
Raschheit des Vortrages, doch wird er oft schlauderisch. Seine Auffassung ist die eines großen, einfachen
Künstlers. Bravourstücke der Behandlung (aber auch nur äußerer Glanz, denn ist darin etwa das Gefühl,
welches Gerome in seine orientalischen Bilder hineinlegen kann?!) sind G. Simonis Aquarelle, Szenen aus
dem Orient. Aber seine Straßenansicht aus Rosina ist sein bestes. Eine lebendige Impression regen Menschen-
getriebes in einer Gemüsestraße, wie man das nur von Menzel gewöhnt ist, aber deßwegen noch lange nicht
Menzel I —

Scipione Simonis Ansichten aus italienischen Dörfern um Rom herum sind sehr schön studiert,
aber es mangelt ihnen wahre, feine Farbe. Sehr schön in Farbe und großer, ruhiger Auffassung ist noch
eine Mondidylle von Raimondo Pontecorvo. Unter dem übrigen sehr viel gutes noch, aber nichts bedeutendes.
 
Annotationen