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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler - Preisausschreiben - Ausstellungen und Sammlungen - Vermischtes - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt -
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Personal- und Ateliernachrichten

Z4S

Dir Irhkr Etappe. von Jank Malczewski

VI. Intern. Kunstausstellung I8st2 zu München

Personal- und Nkelier-Nschvichkrn

8. Karlsruhe. Professor Kanoldt hat die vier
großen dekorativen Landschaften, die er in das Treppenhaus eines
hiesigen Privatbaues zu malen hatte, vollendet. Wie bereits
früher schon einmal kurz erwähnt, stellen sie die verschiedenen
Epochen der Architektur dar, das erste als Typus antiker Bau-
werke einen säulengetragenen Tempel, der die Felsen über dem
brandenden Meere krönt. Ganz besonders hier zeigt sich Kanoldt
in seiner ausgesprochensten Eigenart, während man ihn in den
andern teilweise von neuen Seiten kennen lernt. Dies gilt von
dem nächsten Bilde, einer Ansicht der alten Stadt Bacharach am
Rhein, aus der Vogelperspektive. Hier repräsentiert die Werner-
kapelle die Gotik, während die Stadtkirche romanische Formen
zeigt; der Rhein mit seinen rebentragenden Bergen schließt hinten
die Szene ab. Das dritte ist eine malerische Bearbeitung des Schlosses
Baden, dessen uninteressanter Flügel durch eine hochaufgebaute
Bogenhalle im Renaissancestil ersetzt ist, während die übrigen Seiten,
wie das Dagoberttürmchen und die Stadtvedute der Wirklichkeit ent-
sprechen. Das vierte und letzte charakterisiert die Formen des
Rokoko, die einzelnen Motive sind der Villa d'Este entnommen.

— München. Gabriel Max arbeitet gegenwärtig an
einem großen Werke, dessen Grundgedanken ihm Goethes „Braut
von Korinth" eingegeben hat. Der Künstler stellt die Vermählung
des Gespenstes mit dem athenischen Jüngling dar, den Vampyr-
kuß, der aus dem blühenden Körper des Lebendigen Blut über-
führt in die starren Adern der Todten. Des Morgens allererste
Zeichen melden sich an: dämmerige Lichtreflexe, die mit dem gelb-
lichen Schein der unstät flackernden Lampe streiten. Zwischen den
Vorhängen, die den Hintergrund abschließen, wird schattenhaft
ein Weib sichtbar: des Mädchens Mutter. Eine dämonische
Stimmung spricht aus dem Bilde. Ein zweiter Entwurf des
Werkes faßt den Gegenstand anders auf: Da liegt der Jüngling
todt auf dem Bette, die geisterhafte Frauengestalt aber sitzt ihm
zur Seite das Haupt dem Beschauer entgegengckehrt, und ein
Tropfen Blut hängt an ihrer Lippe. Ii224i

— Die Königin Viktoria von England hat Professor
H. v. Angeli, der sich gegenwärtig in London befindet, um
ein Porträt des Lord Salisbury zu malen, den Auftrag erteilt, für
sie ein Porträt des Königs Karol von Rumänien für Windsor-
Schloß zu malen. 112771

— München. Dem Hofmaler Otto Recknagel in München
ist der herzoglich koburg-gothaische Professortitel verliehen worden.

t--.. Düsseldorf. Am 21. Juli starb im 68. Lebensjahre
nach längerem Leiden die ausgezeichnete Genremalerin Ernestine
Friedrich sen, eine höchst eigenartige und hervorragende Er-

vie Uunst für All- VH

scheinung unter den deutschen Malerinnen, deren Sittenbilder aus
dem Leben der Masuren, das sie gründlich kannte und studiert
hatte, insbesondere bedeutend sind und ihren wohlverdienten Ruf
begründeten. Ernestine Friedrichsen ist am 29. Juni 1824 in
Danzig geboren; sie kam Ende der fünfziger Jahre nach Düssel-
dorf und genoß hier bei Frau Prof. Maria Wiegmann, einer
Schülerin von H. Stucker und Karl Sohn, den ersten Kunst-
unterricht. Dann wurde sie Schülerin von Wilhelm Sohn und
von Rudolf Jordan; des letzteren Kunstart und Richtung war
von entscheidendem Einfluß auf Ernestine Friedrichsen. Sie
schloß sich diesem großen, bahnbrechenden Meister der Genre- und
Sittenmalerei an und schlug in seinem Hause bleibend ihr Atelier
auf. Nichtsdestoweniger entwickelte sich ihr starkes und eigen-
artiges Talent durchaus frei und selbständig. Der Berührungs-
punkt ihrer Kunst mit derjenigen ihres Meisters Jordan war die
Vorliebe beider für die Sittenmalerei aus dem Volksleben in
ernstem und heiterem Genre, die beide mit gleicher Innigkeit,
Wahrheit und Schlichtheit zum Ausdruck zu bringen wußten.
Während Rudolf Jordan mit unwandelbarer Beharrlichkeit sich
dem Studium der Fischer- und Lootsenbevölkerung der französischen
und niederländischen Nordseeküste widmete und in den gefahr-
vollen Beschäftigungen dieses im steten Kampfe mit den Elementen
gestählten Menschenschlages die Vorwürfe zu seinen bekannten
Bildern fand, wählte Ernestine Friedrichsen mit Vorliebe ihre
Motive aus dem Leben der Masuren, jenes Volksstammes, der
seine eigenartigen Sitten und Gebräuche getreu bewahrt und
dessen Volkslieder von einer innigen Vaterlandsliebe zeugen und
einen poesievollen, melancholischen Reiz haben. Hervorragende
Bilder dieser Art von ihr sind „Kirche in Masuren", „Polnische
Flößer", „Sonntagsspaziergang", masurisches Genrebild, „Pol-
nische Insurgenten in einen Keller geflüchtet", „Aus dem No-
madenleben polnischer Flößer" rc. Die stimmungsvollen Bilder
dieser Art sind ihre vorzüglichsten Arbeiten; sie zeigt in denselben
ihre feine treffende Beobachtung des Volkslebens, psychologischen
Scharfblick und innige Empfindung; es sind ausdrucksvolle Sitten-
bilder von bleibendem Wert. Auch aus Holland und Italien,
wohin sie Studienreisen unternahm, holte die Künstlerin ver-
schiedentlich Motive. Die bemerkenswertesten Bilder dieser Art
sind „Jüdische Teppichflicker in Amsterdam", „Freitagabend im
Amsterdamer Judenwinkel", „Römische Kinder zur Zeit des Karne-
vals", „Auf Capri" rc. Auch diese Bilder sind ethnographisch
und künstlerisch interessant und wertvoll. Nicht minder werden
ihre Porträts geschätzt, ° die Ernestine Friedrichsen viel malte. Sie
war eine Künstlerin von seltener und feiner Begabung, die einen
hervorragenden Platz in der Düsseldorfer Künstlerschaft einnahm
und deren Werke ihren bleibenden Kunstwert haben. li27ch

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