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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Brandes, Otto: Die Pariser Salons 1892, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0391

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Z09

Die Salons 1892

von Gtto Brandes (Paris)

(Schluß)


s ist bedauerlich, daß man bei der Fülle des
Materials auf die Pastellmalerei so wenig Zeit zum
Studium verwenden kann. Dieselbe wird immer be-
liebter und die Meister beschränken sich
nicht mehr aufs Porträt. Geradezu Er-
staunliches ist es beispielsweise, was
Lhermitte durch den Stift auf land-
schaftlichem Gebiete leistet. Die Reihe
der Pariser Pastell - Porträtisten ist um
einen durch den jungen Münchener
Künstler Burger vermehrt worden. Er
hat sich gleich auf den ersten Anlauf hin
die Thüren des Meissonier Salons durch
ein Porträt der Frau Saint Cere (früher
Anna Lindau) und ein Porträt der
württembergischen Hosschauspielerin Du-
mont erzwungen. Das letztere Bildnis
ziehe ich vor. Beides steht aber nicht
auf der Höhe der wirklich hübschen
Sachen, die der Künstler, nachdem er
einmal Pariser Kunstluft gründlich ge-
schnappt, geschaffen, noch im Atelier-
Hat. Bei großem Flciße und tapferer
Arbeit wird Burger sicherlich hier Fuß
fassen.

Im Genrebild fehlt es entschieden
an Erfindung und vor allem an Humor.

Es wird immer nur gegessen, getrunken,
begraben und geheiratet. Allzuoft haben
wir es mit dem Diner der Armut zu
thun, bei dem Mutter und Schwestern
zu grinsten des arbeitenden Vaters und
der jüngsten Geschwister verzichten, eine
Stimmuugsmalerei des knurrenden Ma-
gens. Es ist ordentlich beruhigend, wenn
wir die dampfende Suppenschüssel bis
zum Rande gefüllt und die Hausfrau mit
nervigem Arme zur Verteilung der lieben
Gottesgabe an die hungernden Tischge-
nossen bereit sehen. Ein vergnügtes
Mahl ist Moslers figurenreiches Hoch-
zeitsbild aus der Bretagne, das aus der
Berliner Jubiläums-Ausstellung zur Ge-
nüge bekannt ist, und sich hier im Salon
durch die Frische der Auffassung und
hervorragende malerische Qualitäten viele
Freunde erworben hat. Weniger angenehm
dinirt die junge Ehefrau, die der Mann
schmachvoll wohl zum erstenmale im Stich gelassen und
die sich dem leeren Couvert gegenübersieht, eine niedliche
Idee, die mit vielem Geschmack und feinem Empfinden
von Rosset-Granger verarbeitet ist. Mutterpflichten
und Mutterglück heißt die andere Saite auf der Geige
des Genrebildes. Carriere, der bekanntlich seine Figuren
wie in einem Dampfbade malt, hat unter dieser nebel-
haften Atmosphäre ein größeres reizvolles Bild »Klater-
niter geschaffen, in welchem die Mutter ihr Kind in
inniger Umarmung küßt. Die Bewegung und die Aktion

des Küssens sind meisterhaft festgehalten. Wenn man
nur den Dampfhahn abschrauben könnte! Israels hat
eines seiner holländischen Interieurs ausgestellt. Die

In der Lirchr. von Fritz Strobentz

VI. Intern. Kunstausstellung zu München 1892

Mutter, mit dem Kinde auf dem Arme, ist mit einer
Handarbeit beschäftigt, ein Fensterbild, aber Israels fängt
an, mit hellerer Palette zu arbeiten und das thnt ihm
und uns gut. Liebermann, der Holland als Feld seiner
Vorwürfe wählt, hat ein sehr schönes Bild — so vermute
ich wenigstens — geschaffen, das er „der Markt" taufte.
Beim Einpacken des Bildes ist ihm nur ein kleines
Malheur passiert. Er hat sich vergriffen und eine Lein-
wand geschickt, auf die ihm die Palette mit allen ihren
Farbenklexen gefallen war. Da hier und da diese Klexe
 
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