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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Adelung, Sophie von: Maria Stuart, [2]: eine Atelier-Studie
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Maris Atuart

Line Atelier-Studie von Z. v. Adelung
(Fortsetzung aus dem vorigen Hefte)

u weißt nicht, was in dir steckt," sagte er, nach
seiner Gewohnheit ein jedes Wort mit lebhaften Be-
wegungen begleitend. „Heraus damit und zeige der
Welt endlich, was ein Hans Wart von Ulmbach vermag!
Packe dich selber bei den Ohren, mein Junge, rapple
dich auf und — der Ruhm, die Ehre und die Medaille
sind dein."

Ich schüttelte den Kopf. „All dies Geschrei und
Lärmen wegen der bevorstehenden Ausstellung verwirrt
und zerstreut mich," sagte ich; „und dann, Leo, du
weißt, ich suche seit Monaten nach einem Modell für
meine Maria — ich bin nicht wie du, Glücklicher, der
nach jedem hergelaufenen Mädel eine Göttin malt. Ich
muß ein Modell haben, das mich anregt, begeistert. Es
müßte eine Dame sein, eine wirkliche Dame, auf deren

Stirne man sich die Königskrone denken kann.

wen haben wir? Rosinetta, das Kind mit seinem
Orangenkörbchen und den schmutzigen braunen Füßen;
Fräulein Bungers, die viel älter ist, als es die unglück-
liche Königin je wurde — die blonde Anna, deren
Zöpfe es nicht vertragen, wenn man sie lossteckt — und
Paulinchen mit den krummen Beinen. Welche von diesen
allen sollte ich wohl zu meiner Maria nehmen? Nein,
mein Lieber, so bedeutende Vorteile unsere Kunstschule auch
in anderer Hinsicht aufzuweisen hat, an Modellen ist sie
nicht reich. In großen Kunststädten, Rom, Berlin,
Paris —"

Leo unterbrach mich: „Warte," sagte er, „mir
kommt ein Einfall, aber ich brauche Zeit, ehe ich dir
etwas Bestimmtes sagen kann."

Ich bedrängte ihn mit Fragen, aber er wich mir
aus. „Nein," sagte er, „wozu davon reden, ehe ich
meiner Sache sicher bin? Unterdessen kannst du dir ja
wie damals Modelle'durch die Zeitung suchen!"

Das war eine alte Geschichte, die sich zugetragen
hatte, als Wolkow noch im Antikensaal und ich in der
Naturklasse war. Schon damals war die Modellnot
groß gewesen und von dem Wunsche beseelt, mir und
den Kameraden endlich einmal einen Gegenstand zu ver-
schaffen, der uns begeistern konnte, hatte ich heimlich in
der Zeitung ausgeschrieben, daß „Mädchen und Frauen
leichte Beschäftigung gegen guten Lohn fänden" und die
Adresse unseres Ateliers angegeben.

Du lieber Himmel! Was bin ich mit diesem
Inserate geneckt und verhöhnt worden!

Ich war nämlich zu schüchtern, um das Eigen-
schaftswort „schöne" hinzuzufügen und die Art der Be-
schäftigung anzugeben. Die Folge war, daß während
der ganzen Woche darauf unaufhörlich an unserer Thür

geklopft wurde und eine nicht endenwollende Reihe von
weiblichen Wesen jeder Sorte, nur nicht die erwünschten
erschienen: Bettlerinnen auf Krücken oder am Stock,
Spitalweiblein, zahnlos und mit verbundenem Kopfe,
Lahme, Kranke und Krüppel, welche alle bereit waren,
die „leichte Beschäftigung gegen hohen Lohn" sofort zu
übernehmen. Einmal kamen sogar drei zugleich, die
personifizierten Hexen Macbeths, und ließen sich erst
nach halbstündigem hartem Kampf abweisen, als ich einer
jeden von ihnen ein Silberstück in die Hand gedrückt
hatte. Der Professor war gerade zur Korrektur da
und ärgerlich über die Störung, fragte er nach deren
Ursache. Es blieb nichts übrig, als ihm die Ursache zu
bekennen und auch er lachte mich tüchtig aus. Seither
wurde ich von den Kameraden der „blöde" Hans ge-
nannt, ein Wort, das zwei bei uns studierende Nord-
deutsche statt „schüchtern" brauchten und das allgemeinen
Jubel und Beifall hervorrief.

Das hätte mein Onkel erfahren sollen, der ohnehin
außer sich war, daß ein Baron Wart von Ulm-
bach zum elenden Farbenklexer und Bildermacher werden
wollte und lange Zeit hoffte, ich würde mich noch recht-
zeitig eines Besseren besinnen. Nicht, daß er die Kunst
verachtet hätte, aber die Künstler kamen ihm nur wie bessere
Handwerker vor, geschaffen, um das Leben auszuschmücken
und zu bereichern. Zu meinen Ansichten über die hohen sitt-
lichen Aufgaben der Malerei, die unsterbliche Schönheit
ihrer Werke, sagte er nur „Puh, puh!" und warf gering-
schätzig die Hand über die Schulter. An meinem Talente
hatte er aber noch ganz besondere Zweifel: „Ein richtiger
Künstler," Pflegte er zu sagen, „darf dreierlei nicht haben,
wenn er es zu etwas bringen will: einen alten Namen,
Geld und eine Frau." Mit dem letzten hatte es bei mir
noch gute Weile, die beiden ersten Hindernisse freilich ließen
sich nicht aus dem Wege räumen; doch war ich trotz-
dem nun einmal Maler mit Leib und Seele, und was
meinen Onkel betraf, so konnte er mir keinen größeren
Gefallen erweisen, als wenn er mich recht lange auf
mein Erbe warten ließ. Denn, erstlich hatte ich ihn von
Herzen gern und zweitens war ich durchaus nicht un-
geduldig, die umfangreiche Verwaltung der Güter selber
zu übernehmen. Nach meines Vaters Tode zog ich zur
Stadt und auf die Kunstschule. Bisher hatte ich nur
von Kunst geträumt, nun wurden die Träume zur Wirklich-
keit, welche, allen Voraussagungen des Onkels zum Trotz,
noch schöner war, als ich mir gedacht, wenn auch
vielleicht nicht ganz so idealer Art. Nie schmeckte mir
ein Mahl so trefflich wie das bescheidene Essen in dem
Restaurant zweiten Ranges, wohin ich ging, um mit den
 
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