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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Buß, Georg: Die Galerie Pumps, [2]: ein Zeitbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0285

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Die Galerie Pumps, von Georg Buß

223

Herr Johann Friedrich Pumps, dem unser Gemeinwesen
schon so vieles zu verdanken hat, ganz in der Stille eine
Gemälde-Sammlung angelegt hat, deren Inhalt zu dem
Bedeutendsten gehört, was die großen Meister der Ver-
gangenheit geschaffen haben. Angesichts dieser herrlichen
Werke eines Rembrandt, Rubens, Franz Schmalz und
wie alle diese Koryphäen des Pinsels heißen, durchbebt
wohl jeden ein Schauer der Ehrfurcht, denn der Genius
großer Menschen strahlt aus diesen Schöpfungen wie eine
Sonne in lichten Strahlen hernieder. Seltenheiten ersten
Ranges enthält die Galerie. Sogar ein Hunde, der
bekanntlich scherzweise auch Köter genannt wurde, ist vor-
handen. Man sieht, der Besitzer hat mit feinem Ver-
ständnis und mit bedeutenden Opfern an Zeit und Geld
gesammelt. Viele Museen könnten sich glücklich schätzen,
wenn sie ähnliche Schätze besitzen würden. Prächtige,
wunderbare Werke der Malerei enthält besonders die
Ahnengalerie des Besitzers. Die Pumps sind ein altes,
hochangesehenes Patriziergeschlecht, deren Wurzeln in
Augsburg zu suchen sind. Die alten Angehörigen dieses
Geschlechts sind auf Grund ihrer bedeutenden und be-
vorzugten Stellung und eines angestammten Kunstsinnes
sowohl in ihrer Vaterstadt wie auf ihren Reisen in Ita-
lien, Holland und Frankreich häufig mit den hervorragend-
sten Meistern der Malerei in nahe Berührung gekommen
und haben sich, da ihnen die finanziellen Mittel reichlich
zur Verfügung standen, von diesen Koryphäen des Pinsels
malen lassen. Erbe dieser Kleinode ist der jetzige Chef
des Geschlechts geworden. In seinem Speisesaale aßen
wir zur Vorbesichtigung Geladenen und genossen die
lichte Schönheit, welche diesen Meisterwerken entstrahlt."

In dieser Weise ging es die beiden langen Spalten
hindurch, für Nathan ein fetter Bissen. Sein kritisches
Talent bewährte er, indem er bald die Beine zu kurz,
bald zu lang, bald zu steif, bald zu krumm, diese Farbe
zu dunkel, jene zu hell, diese Nase zu kupferrot, jene zu
karmesinrot fand. Alles klang sehr gelehrt, sehr erfahren,
besonders wo NathanWorte wie „Kolorit", „Lokalfarbe",
„pastös", „Luftperspektive" und ähnliche Kunstausdrücke
eingeflochten hatte. Die Leser, welche das Nathansche
Produkt lasen, fanden dasselbe wissenschaftlich, gediegen!
Ja, es war sehr gediegen.

„Der Nathan ist ein Teufelskerl," brummte Herr
Pumps, als er die Abendnummer zur Hand nahm und
dort zu seinem Erstaunen bereits zwei lange Spalten
über die Galerie gedruckt fand. — „Der Kerl muß in
der That mit Dampf schreiben — binnen einer Stunde
zwei lange Spalten!" Mit freudig verklärter Miene
vertiefte er sich in den Hymnus, welcher auf seinen Be-
sitz und sein Pseudogeschlecht angestimmt war. Seine
Miene wurde nur ein wenig finster, als er die Meta-
morphosen von Hals in Schmalz, von Wehden in Leyden
und von Leyden in Heyden las. Er nahm das Werk
von Frt. E. Schmier-ab zur Hand und sah nach, ob Nathan
vielleicht doch Recht habe. Aber Nathan hatte Unrecht.
Dann las er die Zerlegung des Namens Hundecoeter in
Hunde und Köter. Das war etwas toll. „Wa—a—a—as?
Ist der Kerl verrückt oder hat er einen Witz machen
wollen? Solch ein verdammter Tintenklexer ist zu allem

fähig! Der Aufsatz ist nicht schlecht, sogar gut, sehr
gut, aber diese Name», diese Namen sind scheußlicher,
wie — wie mein roter Liqueur."

Das waren des kugelrunden Männchens Reflexionen.
Endlich rief er die wohlbeleibte Gattin. Sie sorgte im
Verein mit Johann, dem Diener, und Inste, der kunst-
verständigen Köchin, für die Reinigung der Räume und
auch der Bilder. Die Auffrischung der letzteren geschah
gewöhnlich in Abwesenheit des Hausherrn derart, daß
mittelst eines feuchten Lappens über sämtliche Ahnen
und übrigen Sujets hinübergefahren wurde. Madame
bezeichnte diese Reinigung mit dem Kunstausdruck „Fir-
nissen". Triumphierend las der Gatte seiner biederen
Hälfte Nathans Aufsatz vor. Strahlend hörte die Haus-
frau zu. Ihr erster Gedanke war: „Ja, was wird die
hochnäsige Kommerzienrätin Meyer, was die Schulze und
die Sauerbrei sagen, wie werden sie sich ärgern!" Beim
Schluß des Vortrags lautete ihr Urteil geradezu be-
geistert. Dann wurde beraten wegen der Druckfehler
oder besser gesagt, wegen Nathans Böcke. Das End-
ergebnis war, daß sich Pumps an den Schreibtisch setzte
und folgenden Brief an den Herrn Chefredakteur der
„Allerneuesten" schrieb:

„Hochverehrter Herr! Wollen Sie meinen tiefge-
fühltesten Dank für den vortrefflichen, sachverständig und
mit scharfem kritischem Verständnis geschriebenen Aufsatz
Ihres geehrten L. bl. in der heutigen Ausgabe Ihres
hoch geschätzten Blattes entgegennehmen. Innige Be-
friedigung empfinde ich über das Lob, welches meinem
Sammeleifer zu teil geworden ist. Dasselbe soll mich
anspornen, auf dem betretenen Wege zu Nutz und From-
men der Kunst weiter zu wandeln. Diesem Dank gegen
Sie und Herrn L. bl. füge ich die Bitte hinzu, eine Be-
richtigung nachfolgender Druckfehler in der nächsten Nummer
gütigst Nachfolgen zu lassen. Statt „Schmalz" muß es
heißen „Hals", statt „Heyden" — „Weyden" und statt
„Leyden" — „Heyden". Auch ist die Trennung Huude-
Köter, wie sie Herr Nathan wohl scherzweise vorgenom-
men hat, nicht üblich, vielmehr Pflegt man beide Worte
zu einem einzigen zusammen zu ziehen und Hondecoeter
zu sagen. Verzeihen Sie, wenn ich Sie mit dieser kurzen
Berichtigung behellige. Im Übrigen verbleibe ich mit
ausgezeichneter Hochachtung und in tiefer Verehrung Ihr
ergebenster Johann Friedrich Pumps."

Auch Nathan hatte seinen Artikel bereits gelesen.
„Er liest sich gut, ganz flott", meinte er im Stillen.
Nur der Ümstand, daß er in der Eile geschrieben: „In
seinem Speisesaale aßen wir zur Vorbesichtigung Gelade-
nen" war ihm unangenehm und niit geflügelter Eile
sandte er daher der Redaktion nachfolgende Berichtigung:
„In dem Artikel Pumps der Abendausgabe von Dienstag,
den 12. März, ist leider ein sinnentstellender Druckfehler
enthalten: es muß Zeile 56 statt „aßen" heißen „saßen".

In der Morgen-Nummer waren alle diese Berich-
tigungen zu lesen, und zwar so, als ob auch die Pumps-
schen von Nathan, dem kunstverständigen Kritiker, her-
rührten. Als dieser den Rattenschwanz der von Pumps
herrührenden Verbesserungen las, ging ihm eine Leuchte
auf, was für „Blech" er geschrieben.

(Die Fortsetzung im nächsten Hefte)
 
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