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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Margitay, Desider: Die Auferstehung des Lazarus, [1]: Erzählung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0383

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Die Auferstehung des Lazarus, von Desider Margitay

305


schlaffe Gleichgültigkeit aussah; allein der Ton, in welchem
er antwortete, blieb derselbe schlaffe.

— Ich glaube, daß Sie mir jetzt Ihr wahres An-
gesicht gezeigt haben und nicht länger der Narr sein
werden, mich zu Protegieren, nachdem ich Ihnen gestanden
habe, daß ich kaum jemals in der Lage sein werde, etwas
zu schaffen.

— Und meine Großmut? Der Dank, den ich als
Ihr Wohlthäter zu erwarten berechtigt war?

— Auch daran glaube ich nicht! . . . Sie ver-
schwendeten eine Unsumme Geldes, um mich, den naiven
Knaben, welcher noch Illusionen hatte, die Welt vom
Grunde aus kennen lernen zu lassen und meinem Namen
im ganzen Lande einen guten Klang zu verleihen. Sie
haben beide Zwecke erreicht. In der Gesellschaft der
champagnerdürstigen Modelle und sonstigen Frauen, wo-
hin Sie mich einführten, verlor meine Seele allen Glauben
und jede Illusion, dagegen gewann mein Name, trotzdem
ich nur Unbedeutendes produzierte, dank Ihrer Reklame,
einen volkstümlichen Klang im ganzen Lande. . . War
dies etwa Großmut Ihrerseits und schulde ich Ihnen
dafür Dank? Möglich, daß Sie solches glauben; ich da-
gegen bin andrer Meinung. Thatsache ist ferner, daß
ich Ihnen eine Summe Geldes schuldig bin, welche ich
mich bemühen werde, je eher abzuzahlen.

— Larifari! — unterbrach den Sprechenden Herr
Läszlovich, dessen Angesicht sich bereits allmählig erheiterte,
weil sein Zorn verraucht war und er überdies bedachte,
daß er es mit einem Künstler zu thun hätte, welcher
launisch, ungeduldig und nervös sein darf, gleich einer
verwöhnten Dame. — Larifari, junger Herr, mit Ihnen
kann man heute nicht sprechen!

— Weder heute, noch morgen. In Zukunft rechne
ich nicht mehr auf Ihre Großmut, und wenn sich die-
selbe mir freiwillig darböte, ich würde sie zurückweisen.
Nehmen Sie es ferner zur Kenntnis, daß ich Ihre Villa
noch heute verlasse ....

— Und wo zum Teufel gedenken Sie eigentlich hin-
zugehen? — wollte der Protektor fragen, allein er
unterdrückte diese Regung des Spottes, lächelte nur vor
sich hin, und verließ, eine Operettenmelodie vor sich hin-
summend, mit würdevollen Schritten das Atelier.

Wer eine launische Geliebte oder einen verzogenen
Protege hat, muß sich auf solche „Rückzüge" verstehen.
Herr Läszlovich schien eine große Übung darin zu besitzen,
den rechten Zeitpunkt für derlei zu wählen ....

Der zurückgebliebene Künstler blickte dem Fort-
gehenden nicht einmal nach, sondern ging mit großen
Schritten im Atelier auf und ab, wobei er den Kopf
auf die Brust senkte und verzweifelte Blicke nach rechts
und links warf, wie jemand, der einen großen Entschluß
ausführen möchte. Dann blieb er Plötzlich vor der Lein-
wand stehen, auf welcher der arme Lazarus im Sarge
lag, nahm ein Messer zur Hand, welches vor der Mappe
auf dem Tische lag", und wollte sein Zerstörungswerk
mittelst desselben beginnen.

Eben, als das Messer dem ruhig daliegenden La-
zarus auf die Brust gesetzt wurde, öffnete sich die Thür
des Ateliers und herein trat ein 50 bis 60 Jahre alter,

(Die Fortsetzung

provinzmäßig gekleideter Herr von jovialem Aussehen,
welcher ohne weiteres die Frage stellte:

— Herr Aladär Zelizy?

— Der bin ich.

— Freut mich aufrichtig! Übrigens hätte ich Sie
ohnehin erkannt, denn ich sah Ihr Bild bereits unzählige-
mal in illustrierten Zeitschriften ... Da ich jedoch
meinerseits nicht so berühmt bin, so nehme ich mir die
Freiheit, mich vorzustellen: Ich heiße Lorenz Zobor,
werde jedoch im allgemeinen „Onkel Lenczi" genannt.
Was meine sonstigen Qualitäten betrifft, so kann ich
mich rühmen, heiteren Gemüts und ein trefflicher Kumpan
zu sein. Bin hieher gekommen, um einen tüchtigen Maler
zu acquirieren, welcher nicht etwa mich konterfeien soll
— dieser graue Schnurrbart wiegt solche Mühe nicht
mehr auf! — sondern mein Töchterchen. Wäre der Herr
vielleicht in der Lage, mir Jemand anzuempfehlen?

— Sehr gerne! Sind wir doch gottlob in genügender
Anzahl vorhanden. Und da ich für derlei Arbeit sogar
selbst einige Neigung besitze . . .

— Wirklich? Sie müßten jedoch nach Zobor mit-
kommen.

— Um so besser!

II.

Als Aladär am Morgen des drittfolgenden Tages
vom ersten Stock, wo seine Zimmer lagen, in den Parterre
gelegenen Speisesaal des Zoborer Schlosses ging, um
daselbst mit der Familie gemeinschaftlich das Frühstück
einzunehmen, fand er daselbst bereits ein junges, lieb-
liches Mädchen, welches mit der Zubereitung des Thees
beschäftigt war. Ihre mandelartig geschnittenen Augen
drückten Klugheit aus, die roten Lippen Frische und
Gesundheit, wofür auch die rundliche Fülle der Glieder
zeugten. Die sammtartige Weiche des Teints und das
lange aschblonde Haar trugen auch nicht wenig dazu bei,
das Gewinnende der ganzen Erscheinung zu erhöhen.

Als der junge Maler in den Saal trat, war „Onkel
Lenczi" noch nicht daselbst anwesend. Das junge Mädchen
jedoch ging dem Ankommenden ohne Befangenheit ent-
gegen, reichte ihm die weiße Hand zum Willkomm und
sprach:

— Ich begrüße Sie!... Mein Name ist Madelaine
Zobor. Es ist durchaus nicht nötig, daß Sie sich vor-
stellen, denn dieser lästigen Verpflichtung enthoben Sie
bereits die illustrierten Blätter.

— Ihre Worte verpflichten mich sehr.

— Weshalb denn?

— Weil ich denselben entnehme, daß Sie so gütig
waren, mein Porträt Ihrer Aufmerksamkeit zu würdigen.

— Ich that es, weil Sie — ich will Ihnen damit
durchaus nicht schmeicheln — einen sehr interessanten
Kopf besitzen.

Aladär verbeugte sich mit höflicher Kälte.

— Es ist so sehr interessant, fuhr Madelaine fort,
daß, als mein Vater mir mitteilte, Sie würden hieher
kommen, ich voll Freude ausrief: „So werde ich denn
endlich auch das Original sehen!"
m nächsten Hefte)
 
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