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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Heilbut, Emil: Knaus und Dautier
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0041

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Knaus und vautier. von L. Heilbut

Ahnung Von malerischem Charakter. Hingegen entsteht
durch Vautiers Figuren und Zimmer eine heitere und
dennoch sorglich bewachte Stimmung; man mag Vautier
in seiner Wohnung haben. . . ein leise düsseldorfischcr
Zug — durch lange Kunstübung entstanden —- ist vielleicht
die einzige Manier, die man dem Künstler nachsagen und,
wenn man einer so liebenswürdigen Natur Vorwürse
machen würde, vorwerfen könnte.

Knaus ist irdischer. Er steht mit beiden Füßen auf
der Erde, und wenn er seine Farbe mäßigt, geschieht es
ans Ucberlegung. Auch ist seine Schönheit nicht ätherisch
wie die Vautiers, sondern mehr von dieser Welt; seine
Darstellung überhaupt, auch nicht greifbar wie die Wirk-
lichkeit, ist körperlicher als diejenige des Genossen. Seine
Genrebilder wirken dem Aussehen der Tinge etwas näher;
doch möchte ich glauben, daß damit gleichzeitig zu be-
merken sei, Knaus sei minder fein, minder deutsch: in
der That kann er mit modernen Franzosen komparicrt
werden, Vautier ist dafür, wenn er einige zu große
Schattenseiten aufweist,-auch zu gut, man möchte von
Vautier fast behaupten, er hätte mit andern Malern
nichts zu thun . . . Nur etwa an Passini findet er eine
Genossenschaft, welcher in seinen Aquarellen in den
modernen Knnststil einspringend, doch mit einem dem
Vautiers zu vergleichenden Drange nach Schönheit und
Reinheit das moderne Leben auffaßt uud freilich in
Italien kaum die Wirklichkeit abzuschwächen braucht, denn
dieselbe ist dort sehr schön.

Während Vautier aber zwar edelsinnig, doch nicht
intellektuell vornehm auf seiner Jugendphotographie er-
scheint, bietet Knaus auf allen Bildern, die wir kennen,
seien sie aus der Jugend oder der spätem Zeit, immer
einen klugen Anblick, mit einer schönen Stirn und mit
einem forschenden Blicke. Unbewußtes, Ideales, Welt-
fremdes gibt es in ihm nicht. Tank seinen reichen Er-
folgen viel in der Welt herumgeführt, streift er nicht
nur den Provinzialcharakter ab, sondern erwirbt auch die
reichste Vielseitigkeit; er schreitet daran, Städter mit dem-
selben Eindringen wie früher den Bauern des Schwarz-
Waldes darzustellen, und Bauern andrer Teile unsres
Landes mit gleicher Feinheit und Genauigkeit wie diese.
Er wagt sich endlich auch an im Thema ideale Schöpfungen
heran, und nicht mit der Prätension, in ihnen originell
zu sein. Originell ist nur die Grazie und Leichtigkeit
seines Vortrages dabei, die gewinnenden Manieren gleich-
sam, mit denen er sich — ein gebildeter Maler — auch
aus dieser Affaire zieht. Das Gesamte seiner Leistungen
weist aber eine solche Ausdehnung der Gebiete, daß er
nach Menzel zum universalsten unsrer Maler wird.
Besonders bezeichnend an ihm scheint mir jene merkwürdige
Art der Anmut, die er gibt und die etwas städtisch ge-
reiftes hat, z. B. bei dem Kind, das sich die Hände am
Feuer „hinter den Coulissen" wärmt; dann ist durchaus
charakteristisch, wie mancher Hintergrund so meisterhaft
wie ein Tecampssches Vorsatzstück hervorgebracht ist, und
manchmal führt Knaus auch eine alten Meistern nach-
kommende Glut und Schönheit vor. Sein ganzer Um-

fang ist aber damit noch nicht gegeben, seine Jugend ist
damit noch nicht ausgeschöpft. Dort nämlich, bei einem
Spielerbilde besonders, das in der Düsseldorfer Galerie
ist, sehen wir noch etwas andres austreten: einen gran-
diosen Zug, und, fürchtete ich nicht mißverstanden zu
werden, möchte ich sagen: einen kartonhaften Zug; in
der That zeigt das Bild eine einfache Größe in der Er-
schaffung von Typen: der spielende Bauer, das herzige
Kindchen, die zwei Schurken auf diesem Gemälde sind
so einfach und ungewöhnlich, daß diese mit Shakespeare'schem
Humor, jene aber mit der Größe des Trauerspieles
wirken; nud so hat Knaus alles besessen, was nur ge-
hegt werden kann. Von dieser Art der Stilisierung be-
deutet es etwas Ungeheures, bis zu den „feinen" Bildern,
wo mit Anwendung der Schrift alter Meister wie auf
Bildern dieser Galerie Rubens und die Späteren in einer
geistreich zarten Weise nachgefühlt werden, geschritten zu
sein und Knaus hat diesen Weg gemacht. Wenn aber
selbst nicht verkannt wird, daß in der koloristischen Stärke
wie in der Einfachheit die späteren Ergebnisse Knaus'
vielleicht nicht den frühen ganz ebenbürtig bleiben; wenn
Knaus sogar dem Verflachen, dem Salon, dem Gefall-
samen zu opfern scheint, an künstlerischem Ernste zu ver-
lieren scheint und kokettiert, so spricht er noch zum Ge-
müte in reizender Weise; und nie begeht er den Fehler,
auf Stelzen zu gehen. Die Tugend behält er; sie hat
Moriz Carriere vor längeren Jahren, wie es scheint,
als Ersatz dafür, daß Knaus kein Kaulbach gewesen, hcr-
vorgehoben — sie wird jetzt gegen jene zu betonen sein,
die Knaus zum alten Eisen zu werfen wünschen, weil
seine Technik etwas Spielendes jetzt oder seit längerer
Zeit habe.

Es ist in Knaus aber ein Kern der Natürlich-
keit, der uns durch die Technik hindurch mit den Augen
aus dem Volke aulacht! Und immer noch welche Kraft
der Charakteristik in den Porträts und den Genrebildern
einzelner Figuren! Auch haben wir einen Beweis für
Knaus' Tiefe. Denn wenn wir wissen, daß er eine ge-
naue Kontrole über sich seit langem hat und als eine
durchaus bewußte Statur trotzdem noch weiter seine Genre-
bilder malen konnte: daß er die Galerien kennt, Kunst-
freund wurde und, zwar nicht ohne Anstrengung, im
Besitze einer Produktionsfähigkeit blieb, von welcher in
seinem Fache der Naivetät anzunehmen sein würde, daß
sie auslöschte, sobald ihr Träger alle Gefahren, welche
ihr drohen, nur kennen lernt, so ist der Beweis von der
Tiefe seiner Quellen gegeben; und da nun noch immer
seine zugreifenden Genrebilder, mit ihrem tragischen In-
halt, wie mit ihrer volkstümlichen Heiterkeit, die in
unfern kartenspielenden Schusterjungen auftritt, erquicken;
und seine zarten idealen Bilder durch seine Klugheit und
sein Bewußtsein nicht, oder fast nicht gelitten haben: so
ist dieses, das Ausdauern von Knaus' Künstlerschaft bei
so vollständiger Bewußtheit, eine ganz erstaunliche Probe:
uud wir besitzen in ihm einen Maler ersten Ranges, der
in aller Welt gelten würde und bis in alle Zeit Gel-
tung behalten wird.
 
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