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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Löher, Franz von: Deutsche Grundformen der bildenden Künste zur Karolingerzeit, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0112

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Die Grundformen der bildenden Künste zur Karolingerzeit.

ältesten sächsischen Kirchen haben auch fast durchgehends etwas Burgartiges und Hochgiebliges auf derben, ja
plumpem Unterbau. Weniger noch als bei den Süddeutschen findet sich bei ihnen eine feine Gliederung und
künstlerische Ausbildung im Einzelnen. Man war allerorten zufrieden, wenn die Grundform, diese freilich mit
mathematischer Richtigkeit durchgeführt war.

Der Antrieb aber, welchen das gesamte höhere Bauwesen in Deutschland durch Karl den Großen
erhielt, war maßgebend wie zu größerer Thätigkeit, so auch zur Anwendung von Pracht und künstlerischer Aus-
bildung. Er ließ zu seinen Kirchen- und Palastbauten in Aachen, Ingelheim, Frankfurt und Regensbnrg Säulen,
Marmor und Mosaiken, sowie Baumeister und Künstler aus Italien und Frankreich kommen. Auch unter diesen
fremden Baumeistern ist keiner so bedeutend gewesen, daß sein Name überliefert wäre, gleichwie der des Ansegis,
der wohl des Kaisers vornehmster Meister und Ratgeber in Bausachen war, oder des Artram in Regensburg,

Alfred in Salzburg, Ratgar in Fulda,
Winihard und Jsenrich zu St. Gallen.
Damals wurden in Deutschland Werkstätten
^ aller Art errichtet, wie der Architekt sie
/ wünscht, Bauhütten für die Steinmetze,
Guß- und Schmiedehäuser für Gitter,
Gießereien für Gläser und Glocken, Werk-
säle für Maler und Mosaikarbeiter. Jede
Kirche müsse ein hohes,Prachthaus werden
ausgestattet mit allem, was zum feier-
lichen Gottesdienst gehöre, aber auch voll
schöner Kunst zur Ehre Gottes und den
Menschen, — das war ein Grundsatz, der
zu jener Zeit von Ort zu Ort getragen
wurde. Jeder Höhergebildete gab sich Mühe,
einen Einblick in den Vitrnv und Vegitius
zu erhalten. Die königlichen Gewaltboten
hatten gemessenen Befehl, wohin sie nur
kamen, die Kirchen genau zu untersuchen,
ob der Bau fest und die innere Aus-
schmückung angemessen sei.

Wie ein Triumphlied tönt Angilberts
Gesang über die Aachener Bauten. „Es
müht sich die fleißige Schar Ein Teil
zerschneidet die für ragende Säulen passen-
den Steine, türmt mit Mühe die Burg.
Andre wetteifern, Felsblöcke mit den
Händen herbeizuwälzen. Sie graben das
Hafenbecken aus, errichten die tiefen Grund-
mauern des Theaters, wölben über den
Sälen ragende Kuppeln. Dort suchen
andre nach heißen Quellen, fassen das
kochend hervorsprudelnde Bad, gürten mit
Aus C. Grhrks' Skizzenbuch. Marmorstufen den prächtigen Bau. Fort und

fort wallt das Wasser auf in dampfender Hitze, entsendet seine Bäche in alle Teile der Stadt. Wieder andre
schaffen mit unsäglicher Mühe einen anmutigen Tempel für den ewigen König: zu den Sternen empor steigt
das heilige Haus mit seinen glänzenden Mauern. Entfernt davon baut ein Teil der Schar fleißig an den
Zimmern der Burg, fügt Marmorblöcke zu festem Verein. Auf Leitern in Reihen geordnet, geben einige die
Blöcke hinauf und reichen sie den fleißigen Händen der Bauenden. Andre stemmen sich gegen die Werkhütte
und wälzen sie zur Mauer. Gebeugten Nackens, keuchend unter der Last, werfen sie schwere Ballen von den
Schultern. Wagen raffeln, und zum Himmel dröhnt wirres Getön... — Andre noch richten Werkzeuge her,
schärfen nützliches Eisengerät, mit welchem der Marmor behauen und die Werkblöcke zerschnitten werden sollen."
Ein anderer Dichter, der Italiener Ermoldus Nigellus, preiset den Palastbau in Ingelheim. „Nahe den Fluchen
des reißenden Rheinstroms ist der Ort gelegen, geschmückt mit mannigfaltigen Pflanzungen und mit nährender
Flur. Dort erhebt sich ein weiter Bau, von hundert Säulen getragen. Da sind mancherlei Gänge und viel-
gestaltige Häuser, tausend Einlässe und Gänge und Tausende von Gemächern, wie sie die Kunst der Meister
und die Geschicklichkeit der Handwerker geschaffen." Wenn der Dichter sich hier poetische Übertreibungen ge-
 
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