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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Heilbut, Emil: Etwas über die Neu-Idealisten, [2]
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86

Von Hermann Helferich.

kcnner jene sind, die im innern Herzen etwas für ihn
fühlen und durch das Herz zu ihm hingebracht werden
und nicht den späteren Adepten des vergangenen Idealis-
mus gleichen, die so, wie sie sind, wurden, weil ihre
Lehrer es ihnen beigebracht hatten, so zu malen, wie sie thun.

Wir finden Bekenner dieser neuen Jdealstimmung,
die dennoch nach dem Gesetz der Aktion und Reaktion
sich leicht genug aus der Nachbarschaft mit dem Natura-
lismus erklären läßt, auch in England und Deutschland.
Wenn wir chronologisch Verfahren wollen, so muß die
Reihenfolge sein: England, Frankreich, Deutschland: zu
dieser Stimmung war cs in England zuerst gekommen,
wie ja gleichfalls der Naturalismus dort früher als in
den andern Ländern auf den Schild erhoben worden war.
In England folgte der ersten Epoche der „Präraffaeliten",
den Zweiten, in deuen die Vorgeschrittenen realistisch waren,
die Epoche der poetischen Prärafsaelitcn, Burne-Jones an
der Spitze dieser Gruppe; und ohne Partei zu nehmen,
war ihr zugehörig der bewundernswerte Watts mit seinen
Schöpfungen voll antodidaktischer Ungeschicklichkeiten doch
voll einer sehr starken Begabung. In Deutschland hat
indessen dieser Neu-Jdealismus spät, aber sehr bedeutend
Anbau gefunden: durch den merkwürdigen Genius von
Max Klinger.

Nun sind hier immer nur einige der Führer genannt
worden und weder ist die Zahl derer, die sich ähnlichen
Schöpfungen zuneigeu, nur annähernd durch diesen Bericht
erschöpft, noch der Wert der einzelnen Führer mehr als
gestreift worden. Jeder aber würde verdienen, Gegenstand
einer viel ausführlicheren Betrachtung zu sein. Ich weiß
gar nicht (und will es gar nicht wissen), welchen Wert
ihnen das uns nachfolgende Geschlecht beimessen wird. Es
ist möglich, daß ihre Werke als Kunstwerke nicht voll
mitzählen. Selbst dann aber noch würden sie uns
und auch den Historikern, die ein späteres Geschlecht für
uns erstehen lassen wird, wichtig sein: als Anzeichen einer
Stimmung unter uns, die nach Ausdruck ringt und deren
Trieben der Naturalismus allein nicht genügt hat. Möglich
ist, daß die Musikknnst allein diesen Stimmungen und
Trieben voll mitzahlende Werke verdankt hat und daß
ebensolche Versuche in der Malerei und in der Literatur
zu »clletsci'oeuvre« noch nicht geführt haben, noch führen.
Möglich ferner, daß, was die Malerei anlangt, es sogar
für diesen Zweig besonders wenig Chancen gibt, daß,
was die Verlaine, Maurice Barres und Maeterliuc
schreiben oder später schreiben werden, noch immer Literatur
sein mag, während die Malerei über die interessanten
Beschäftigungen des Puvis, des Moreau, des Watts, des
Klinger später endgiltig vielleicht sagt, mehr als »clilsttauti»*
seien diese Künstler nicht gewesen. Alles das sei voraus-
gesetzt und zugesprochen: in diesem schlimmsten Falle
selbst würde unsre Sympathie für sie keine geringere
sein können und wir würden nicht aufhören können,
ihnen für Genüsse, die sie uns gaben, dankbar zu bleiben,
denn sie waren uns ein deutlicher Ausdruck unseres Ge-
fühlslebens, sie, die Stimmungen so gut als ihnen mög-
lich war übersetzten, welche nur unseren Tagen augehört
haben und für welche sonst ein Ausdruck in der Malerei
nicht vorhanden ist. Muß, was unser Gefühlsleben in-

*) „Dilettant!" in diesem Sinne sind nicht die üblichen,
vielmehr solche Männer, die an allem, was existiert, eine Teilnahme
haben, ohne fanatische Anhänger zu sein.

teressirt, kunstwertlich auch vortrefflich sein, um Beachtung
zu finden? Man sollte meinen, daß man von der ästhe-
tischen Makellosigkeit abstrahiren könnte, wenn in den
Bildern andere Qualitäten sind, die mit großer Eindring-
lichkeit wirken und verstanden werden. Wir könnten uns
selbst für Nicht-Kunstwerke interessieren, wenn gewisse Dinge
in ihnen so gesagt sind, daß wir sie verstehen. Aber dieser
Weg des Denkens ist etwas gefährlich und ich breche ab;
man möchte nicht den Symbolisten zu nahe kommen, wenn
auch noch weniger ihnen nahe treten möchte! Und in
letzter Linie würde eine solche Denkweise ja zur Nicht-
achtung der Erfordernisse von Kunstwerken führen.

Wie dem allen auch sein mag, ein junger Herr
Josephiu Peladau, der sich selbst den Sär Peladan
nennt, der Romane und Kunstkritiken schreibt (die Kritiken
sind sogar ganz gut), der, wie ich glaube, eine Mischung
von Talent und Charlatanismus ist (Mischung von
und '§) dieser junge Herr hat eine Liga gegründet, die er,
als wäre sie eine Fortsetzung einer Einrichtung, die im
Mittelalter bestanden, die Liga vom Roseukreuz benamste.
Er fordert zur Gründung eines dritten Salons auf (in
Paris, das bekanntlich seine zwei Salons hat), behauptet,
schon achtzig Künstler etwa gewonnen zu haben und hat
die Blamage gehabt, daß Puvis de Chavaunes, — den
er unter diesen achtzig nannte — ihm einen Korb gege-
ben und nicht bei ihm ausstellcn will.

In der That läßt sich recht, recht viel gegen den
Herrn Peladan einwendcn. Es thut mir umsomehr leid,
daß in den Bestrebungen des jungen Herrn ein gut Teil
Charlatanismus ist, als in dem Kerne seiner Ausführ-
ungen manches Richtige ist. Aber alles, was dieser
Schriftsteller von Magie schreibt, hat mit dem keinen
notwendigen Zusammenhang) was in den Gemütern von
uns und manchen Zeitgenossen nach Ausdruck trachtet.
Sich Bilder zu machen von allem, was an Mythen die
Welt Schönes gesehen; dieses Mythcnhafte selbst bis
zum Mysticismus zu durchdringen mit einer unserm Ge-
schlecht eigentümlichen Zartheit und mit so viel Pretiösem,
als man will; doch ganz fern davon zu sein, an diese
Kunstversuche wie an ein Evangelium zu glauben: das
ist ja doch der Neu-Jdealismus in der Kunst. Seine
Werke sollen die Anzahl unsrer Gefühle bereichern, uns
Sensationen geben, die wir sonst nicht erhalten, das ist
alles, was sie sollen. Der Salon des „Sar" Peladan
wird wahrscheinlich an der zu gewaltsamen Art seines
Autors scheitern: zu erwarten, man glaube diese Sachen
wirklich; denn Anempfindendes ist neben dem einzelnen
Grausigen, was die Neu-Jdealisten zu erzählen haben,
doch bei ihnen vorherrschend und milde Duldung aller
Sensationen der wahre Untergrund ihres „Dilettanten"-
Daseius zu sehr, als daß sie nicht von den allznfesten Forder-
ungen des SLr Peladan, seiner zu positiven Weise
und außerdem seinem an den Zirkus erinnernden Lärm
sich sagten, daß, trotzdem Peladan manches ausdrückt,
was auch sie fühlen, er nicht gerade ihr Modell ist.
In jedem Fall wird, wenn der Salon, was man noch
gar nicht bestimmt wissen kann, vielleicht für ein Jahr
zu Stande kommen sollte, diese Ausstellung etwas „Sugge-
stives" — um das Wort zu bringen, das eine so große
Rolle bei den dekadenten Herren spielt — zeigen; man
hat selbst daran gedacht, diese Ausstellung durch „Abende"
Soiräen zu verstärken, an denen Fugen von Bach und
Wagners Parsifal vierhändig jenen ein bischen unbe-
 
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