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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Weihnachtsbücherschau
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yo tVeibnachtsbücherschau.

Kulschmann besorgten Anpassung der fertigen Initialen und
Kopfleisten an den jeweils herrschenden Stil imponiert. Sind
die in Wasmuths Offizin bergesrellten Farbendrucke vortrefflich,
so gilt es auch von den übrigen Illustrationen, meist Bau-
werken und Denkmälern der besprochenen Fürucn, so daß durch
diese Genauigkeit das Buch ein wirklich wertvolles Prachtwerk
von hohem kulturhistorischen Interesse wird.

Haben wir den Ansang des vorigen Berichtes mit Aller's
Deutschen Marinebildern gemacht, so führt uns heute abermals ein
Hamburger, Karl Müller, in seinem „Soldaten leben" auf's feste
Land (Hamburg, Borsten, Mk. 20. —). Und zwar mit einem
köstlich gesunden Humor, einer Feinheit der Charakteristik und
einem kerngesunden Lebensgefühl, daß einem unendlich wohl wird
unter dieser Gesellschaft von strammen Jungens, die da ihre
Studien im Gehen und Stehen, Fechten und schießen unter der
Leirung ihrer Korporale und Lieutenants machen. — Kein Zweifel
von all den vielen Schilderungen deutschen Lebens, über die wir auch
diesmal wieder zu berichten haben, sind diese unsere See- und
Landmacht behandelnden bei weitem die erfreulichsten, ja vielleicht
talentvollsten. Jedenfalls beweisen sie jedem, der sehen will, daß,
unser Heer dermalen noch der gesundeue Teil der Nation geblieben ist.
Das zeigt uns der bisher ganz unbekannt gebliebene und vfjenbar
noch ganz junge, aber wenn auch nicht so vielseitig, als Aller's
begabte, dafür aber noch wahrere und ehrlichere Karl Müller
in seinen herzerquickenden Schilderungen auf's unwiederlcglichste.
Wenn erst diese braven Jungens mit ihren Flinten wieder das
Wort ergreifen, so werden wir sicherlich viel besser dabei fahren.
Fragt man sich, was diese zwanzig den Soldaten vom Antreten am
Morgen, bis zum Abschied vom Liebchen am Abend vor dem
Zapfenstreich bei all seinen Verrichtungen begleitenden Blätter
so anmutend macht, so ist das nicht am wenigsten der Anblick,
wie die stramme, militärische Zucht so wohltuend und bildend
auf Geist und Körper der jungen Mannschaft einwirkt. Dank
dem Talent des gebornen Künstlers sieht man den Blättern aber
auch ganz deutlich an, wie sie vom ersten bis zum letzten selbst-
erlebt sind, ja die Darstellung einer Schleichpatrouille und ihrer
Spannung beim Erblicken des Feindes, dann der auf dem Boden
liegenden und feuernden Schützen, ihr Berstürmen unter Hurrahruf,
wie die Rückkehr im strömenden Regen, haben sogar großen
dramatischen Reiz, nicht nur der Anblick ihres, durch allerhand
Schelmenstreiche gewürzten Appetits beim Essen, ihres Eifers
beim Scheibenschießen und Gewehrfcchten. Ebenso gelungen ist
die Charakteristik der einzelnen Chargen, wie überhaupt des ganzen
uncrjchülter ich feststehenden Sthls der militärischen Erziehung,
der jo wohltuend auf die Haltung de> jungen Männer wirkt. Wie
einem denn bald nichts so deutlich wird, als daß keine Nation
der Welt für miluärische Disziplin so geschaffen ist, wie die deutsche,
so daß ja selbst die Sozialdemokraten gleich wieder auf diesem
uns immer shmpatischeu Weg einlenken und ihren Staat am
liebsten in eine einzige große Kaserne verwandeln möchten! Wie
dem auch sei, das ist sicher, daß mau keine glänzendere Lobrede
auf das deutsche Heer und seine Erziehung halten könnte, als sie
in dieser grundehrlichen und naiven Schilderung desselben ent-
halten ist, die durch den wie ein silbernes Band alle einzelnen
Blätter verbindenden Frohsinn der Jugend sogar hier ganz uner-
wartet einen poetischen Reiz erhält. Die Prosa zur Poesie des vorigen
Werkes gibt dann Knötel's „Unisormenkunde" oder Beiträge zur
Geschichte der Entwicklung der militärischen Tracht (Rathenow
Babenzien Bd. It, Lies. 1—5 ä IO- Mk), die ein immerhin
interessantes Material für diesen Zweck, gut gesichtet und mit viel
Sinn sllr's Charakteristische gezeichnet, zusammmenbringen. Ganz
in die Zahl der praktischen Handbücher gehört dann die im
Spamcr'schcn Verlag in Leipzig erschienene „Kun-r des Zeichnens"
von C. Ehrenberg (Preis 0 Mk), die nch übrigens darauf be-
schränkt, dem Schüler die ersten Begriffe der Perspektive und
Anatomie beizubringen in der immerhin richtigen Einsicht, daß
Zeichnen eigentlich nichts anderes sei, als die Darstellung des
vertieften Ikaumes auf einer Fläche, wo also die Kenntnis der
Perspektive allerdings ein Haupterfordernis ist, wie zum Ver-
ständnis der Formen des menschlichen Körpers sie Anatomie.
Zu diesen Leitfaden gehört denn auch „Das Zeichnen und
Malenvon Pflanzen nach der Natur" von Moser.
(Stade, Pockwitz, Preis 1 Mk.), die ihrem nächsten Zweck, der
Anleitung von Schülern, ganz gut entspricht. Dem Maler,
Schnitzer uns Kunslinöbelfabrikanten wie dem Liebhaver bringt
dann ein hochwertvolles Material die von Jos. Albert in
München herausgegebene, von Professor L. Gmelin geleitete
Prachtwerk (Lief. I zu 6 Mk.), aus dessen prachtvollen Pyoto-

vom kserausgeber

graphien man sich leicht überzeugen kann, wie nahe unser Kunst-
gewerbe schon seinen alten Vorbildern in der Residenz bereits
gekommen und welch herrliches Material beide dem Dekorateur bieten.
Der Kunstgeschichte bient mit ungewöhnlichen Mitteln und ebenso
sorgfältiger als reicher Ausstattung durch über 1000 Illustra-
tionen in Holzschnitt, Autothpie und Farbendruck D. Alb.
Kuhn's „Allgemeine Kunstgeschichte," (Einsiedeln,
Benziger u Co., Preis der Lieferung 2 Mk) Das vorliegende
erste Heft dieses vom streng-katholischen Standpunkt aufgefaßten,
vom Papst überdies ausdrücklich apprvbirten Werkes ist ganz
geeignet, innerhalb dieser freilich sehr starken Beschränkung der
wissenschaftlichen Freiheit eine gründliche, achtbare Arbeit er-
warten zu lassen.

Ganz der Spezialforschung auf einem dem Verfasser be-
sonders vertrauten Gebiet gehört dagegen A ndreas Schlüter
von Kornelius Gurlitt, (Berlin, Wasmuth. 8 Mk.) Hat
sich Gurlitt in wenigen Jahren durch die Freiheit und Unab-
hängigkeit seines Urteils wie durch seine Sachkenntniß auf dem
Gebiet der Baukunst und Bildnerei einen wohlbegründeten Ruf
erworben, so betätigt er diese Eigenschaften auch in der vor-
liegenden Lebensbeschreibung eines unserer bedeutendsten Künstler.
Er giebt in diesem gediegenen, durchweg auf Autopsie beruhenden
Buche aber nicht nur eine Biographie des Künstlers selber die
bei der Dürftigkeit und Unsicherheit des Quellen-Materials nur
sehr ungenügend hätte ausfallen können, sondern er zeigt uns
die ganze Zeit und den Schauplatz seiner Thätigkeit und läßt
denselben förmlich aus denselben herauswachsen. So bemerken
wir kaum die Armut der schriftlichen Nachrichten und selbst das
verhältnißmäßig so kleine Material an unzweifelhaften Arbeiten
des Bildhauers wie Architekten. Dazu reicht es indeß doch um
uns zu zeigen, daß wir es hier mit einem Künstler ersten Ranges
zu thuu haben wenn auch kaum um uns ein recht bestimmtes
Bild seiner künstlerischen Persönlichkeit zu geben. Einzelnes,
was ihm Gurlitt zuschreiben zu müssen glaubt, bleibt auch trotz
der im Ganzen sehr wertvollen Autothpie», die von sämmtlichen
Werken gegeben werden, immer noch zw ifclhaft. Um so unbe-
streitbarer ist freilich der Charakter, der Größe und Macht, der
LeS Rcichthums der gestaltendckdenden Phantasie bei allem was
ihm gehört, obwohl man auch da noch immer im Zweifel bleibt
was eigentlich dem sehr bedeutenden Können der Zeit überhaupt
und was ihm ganz allein eigen. Wie dem auch sei, Gnrlitt's
geistvolle, von aller gelehrten Pedanterie weit entfernte, ja von
einer gewissen Liebenswürdigkeit getragene Arbeit, macht unserer
Kuustforjchung wie ihm setbcr alle Ehre, und man kann sie
Allen, die sich für diese Zeit inleressiren nicht genug empfehlen.
Eine recht liebenswürdige Monographie des so früh der
Kunst entrissenen Malers Hellqvist gibt dann Heinrich
Wilcke (Berlin, Conrad) was um so verdienstlicher ist als er
den von einem tragischen Geschicke Dahingerafften gar nicht per-
sönlich gekannt zu haben scheint. Darf man hier noch einmal
von „Remb randt alsErzi eher" (Hirschseld, Leipzig, 2 M)
zu reden anfangen? Ein Buch, dessen sieben und dreitzigsle Auf-
lage nach kaum einem Jahr bereits vorliegt, ist immer ein
Gegenstand der Aufmerksamkeit für den Kultur-Geschichtsschreiber
auch wenn es dem Verfasser nicht gelungen, es trotz vielen
Aeuderungen von dem unnötigen Schwulst zu befreien. Er gibt
aber nicht nur Schwulst sondern auch sehr richtige und geistvolle
Gedanken, und hat wenigstens eine bestimmte Empfindung für
das, was uns not thue, wenn er auch nicht im Stande ist sie
in konkrete Vorschläge umzusetzen. Anregend und b lebend hat
er doch erwirkt und das ist mehr als man von gar vielen Geg-
nern sagen kann. Solcher Anregun ien bietet gar manche auch
die „S chweizerische Rundschau," herausgegeben von Prof.
Vetter in Bern, (Verwaltung der Sch. R., jährlich 12 Hefte
15 Mk.), eine Monatschrift, auf die wir hier ausmerksain machen,
weil sie das ganz eigenartig Schweizensche Kunstleben diese
wunderliche Zusammensepung von deutschen, französischen und
italienischen Einflüssen mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt.
Und es verdient dieselbe auch vollständig, da diese schweizerischen
Künstler eenau wie die Poeten alle fremden Einflüiie fast immer
mit einem selbständi,cn, spezifisch schweizerischen Geist zu durch-
dringen verstanden haben. Gilt dies schon von der alten Geuser-
schule des Calüme, gegenüber der französischen, so gilt es noch
mehr von den Böklin, Füssli, Steffan, Stabil u. A. gegenüber
der deutschen Kunst, der sie immer ein Theil gesunder schweizeri-
scher Derbheit aber auch Phantasiesülle und Humor beizumischeu
vermochten.

(Der Schluß im nächsten Hefte.)
 
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