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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Pecht, Friedrich: Das Album des Prinzregenten Luitpold von Bayern
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Heilbut, Emil: Ein französisches Provinzial-Museum, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0132

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;oo Das Alb. d. prinzregenten Luitpold v. Bayern. vom Herausgeber. Lin franz. Prov.-Museum. von 6. Helferich.

vor allem durch ihre anspruchslose Liebenswürdigkeit — Eigenschaften, in denen dieselbe unstreitig mehr leistet
als alle ihre viel feierlicheren und aufgebauschteren Vorgängerinnen. Diese Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit,
das Ungesuchte, tief Gemütliche, wie die Beseelung an sich ganz äußerlicher, symbolischer und allegorischer Stoffe
sind aber uralte, deutsche Eigenschaften und Neigungen, sie finden sich schon beim Meister Stephan oder Martin
Schön und Dürer genau so, wie bei noch gar vielen Blättern unseres Albums, nicht nur bei den eben besprochenen
zwei Meisterwerken. Sie müssen uns auch entschädigen für die Abwesenheit alles Erhabenen, Heroischen in unserer
«Lammlung, ja ich möchte fast lagen in der deutschen Kunst der Gegenwart überhaupt, die nun einmal allem
Pathetischen durchaus abgeneigt ist. Offenbar im richtigen Bewußtsein, daß man allerdings auch nur zu leicht
leer und theatralisch gespreizt wird, wenn man sich dennoch darauf einläßt. Ohne Zweifel wird das nicht immer
so bleiben, einstweilen aber können wir uns immerhin damit begnügen, daß das frische Naturgefühl unserer Kunst
so wenig als der Humor abhanden gekommen ist, oder die Neigung alles zu beseelen, ja daß sie nach dieser Seite
wie nach der des rein Malerischen hin sogar entschiedene Fortschritte gemacht, jedenfalls manche neue Gebiete
erobert hat.

Lin französisches Vrodmzial-Museum

von Dermal! Helferich

^>>ie Neigung zur Zentralisation, von der Frankreich be-
herrscht wird, thut natürlich seinen Provinzstädten
unrecht: Jeder Franzose, der auf seinen Esprit hält, glaubt
sich fast in der Verbannung, wenn er darauf angewiesen
ist, in der Provinz zu leben. Denn selbst in einer größern
Stadt der Provinz leben, heißt für Franzosen so fern
von Paris sein, als wären sie in einem Dorfe und in
der entsetzlichsten Wüstenei. Auch fehlt es in der That diesen
Provinzstädten an jenem ausgesprochenem Lokalgeiste, den
nicht nur die großen unter den Nebenstädten bei uns
pflegen. Sie haben in Frankreich kein Leben für sich,
sind nur ein Abklatsch von Paris, ihre Straßen machen
einen so gleichgültigen, nivellierten Eindruck, man fühlt so
sehr, wie diese Leute nur deshalb in diesen Städten leben,
weil sie müssen — daß auch der Fremde, der nicht von
der französischen Leidenschaft, nur in der Riesenstadt leben
zu können, angesteckt ist, das Leben in den Provinzial-
städten nicht genießt. Die Brüder Goncourt schildern als
das traurigste vom traurigen, als das einsamste vom ein-
samen, das ödeste und verlassenste und dümmste einen
Marktplatz in einer Provinzstadt, wie er ohne Verkehr in
der Mittagssonne schlummert . . . und auf einem feinen
Ölgemälde des Malers Cazin sieht man einen Nachmittag
in einer Provinzialstadt: wie über die öde Straße ein
wohlgeordneter Zug von Zöglingen eines Priesterseminars
schreitet und sonst kein Mensch auf diesen Pflastersteinen
sichtbar wird, zwischen denen das Gras wächst und selbst
die Steine zu gähnen scheinen.

Über die Bedeutung von Bordeaux verliere ich kein Wort;
man weiß, eine wie große Handelsstadt es ist und daß
seine Straßen, wenn sie auch zu breit sind im Verhältnis
zur Zahl der Leute, doch weit entfernt von aller Öde
sind, und man weiß auch, daß die Stadt eine recht sehens-
würdige Cathedrale besitzt, und die Mairie in einem schönen
Garten; daß aber hinter der Mairie in diesem schönen
Garten ein Museum der Stadt Bordeaux ist, wissen von
den Bordelensern vielleicht nicht alle. Es ist nicht zu
sagen, in wie geringem Grade diese flachen und lang-
weiligen Säle der Bedeutung einer so großen Stadt ent-
sprechen. Ein Museum einer ähnlichen Stadt Deulsch-
lands würde zeigen, daß es mit mehr Aufmerksamkeit
besichtigt wird. Während meines Besuches sah ich Nie-
mand, obgleich der Inhalt der Sammlung so groß ist,
daß sie zweier Gebäude benötigte, eines an jeder Seite
des Gartens: aber eben deshalb kann sich immer dann ein
Bordelenser in dem einen Gebäude befunden haben, während
ich in dem andern war.

Von den Bildern alter Meister habe ich hier nicht
zu reden: unter ihnen befindet sich eine auffallend große
Zahl von »attribues«, Bilder, die unter einem guten
Namen segeln, doch bei denen der Katalog vorsichtig dem
Namen das „demselben zugeschrieben" beisetzt. Gute Bei-
spiele fielen mir auf von Laueret und eine entzückende
Landschaft des Aart van der Neer, weniger kleinlich als
sonst dieser Meister meist ist, bei derselben Liebe und an-
schaulichen Poesie. Die alten Niederländer zeigen einiges
nicht Uninteressante. Bei einigem von oder nach Rubens
packt das Natürliche und der Ausdruck, der Kopf des
heiligen Justus, den dieser in den Händen hält, zeigt in
einer schönen Weise das antike Medusenhaupt mit modernem
Lebensausdruck vereint. Ein Porträt, das vielleicht von
Murillo (das andre ist gewiß nicht echt), bereitet dem
nach Spanien Gehenden schon einen Vorgeschmack dessen,
was er dort antrifft; von Goya hofft man in Spanien
Besseres zu finden, als die Parze, die hier ist und die
bei aller lebendigen Häßlichkeit doch leblose begleitende
Figuren zeigt. Ein Fanatismus der Häßlichkeit, die etwas
mit Hogarth gemeinsam hat. Diese Bilder stammen zum
größern Teile aus Vermächtnissen von Privatpersonen.

Das Museum von Bordeaux, wie das bei allen
französischen Provinzstädten der Fall, dankt seinen ersten
Anfang den Jahren, die unmittelbar der französischen
Revolution folgten. Der Geist der Neuerungen und
Reformen war erwacht, und von dem überreichen Vorrat,
der durch Gewaltsamkeit in den Besitz des Louvre über-
gegangen war und aus aller Herren Ländern stammte,
wurde ein Teil den Provinzialstädten zugewandt. Man
gab diesen natürlich nicht das Beste. Immerhin war ein An-
fang da; 1798 wurden für das Land Zeichen- und
Malschulen vorgeschlagen, die, wie die Errichtung öffent-
licher Kunstsammlungen, bestimmt waren, den großen
Städten der Provinz Modelle des Geschmacks und den
ersten Unterricht zu geben in Dingen, deren Verständnis
der Provinz noch völlig fehlte.

Das Projekt wurde zurückgelegt, doch vom ersten
Konsul wieder ausgenommen, der 22 Departemental-
museen gründete und durch den die Stadt Bordeaux
44 Bilder erhielt; 1805 vermachte ein ehemaliger
Goldschmied der neuen Anstalt seinen Bilderschatz, 1816
erhielt sie zuerst einen Teil jener regelmäßigen Zuwend-
ungen des Staats, der auf den Ausstellungen Bilder
kauft und sie in seine Museen verteilt. Das Museum
wurde so zum Reflex der Bewegungen in der Kunst.
Mehr als in manchen größeren Sammlungen übersieht
 
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