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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Unsere Bilder
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vom Vcransacbcr

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Mit diesen letzteren beschäftigt sich auch Siemiradsky
in unserem heutigen Bilde. Wie es nun kömmt, daß der
schon bald zum Römer gewordene Meister in solchen
kleinen Bildern so viel liebenswürdiger erscheint, als in
seinen großen weltberühmten Tafeln, weiß ich nicht zu
sagen, so sicher die Thatsache auch bleibt. Wahrschein-
lich weil er für seine großen Bilder auch so viel an-
spruchsvollere Gegenstände wählt. Aber das ist jedenfalls
sicher, daß, je kleiner seine Bilder, je größer seine darin
verschwendete Anmut wird. Oder könnte man etwas
Reizenderes erfinden als dieses antike Liebespar, das da
unten innig verschlungen im Gärtchen spazieren geht,

während die am Brunnen wasserholenden Nachbarinnen es
von oben herab belauschen? Nicht ohne Neid in der That und
sie haben auch alle Ursache dazu. Aber was wird das für ein
Geklatsch in Ariccia oder Albano — denn da ist die Szene
geholt worden — geben, Ivenn die Dreie da oben mit ihren
gefüllten Krügen erst wieder heimkommen! Könnte man
sich indes eine lieblichere Idylle denken als diese und eine
malerischere Situation dafür als solch herrlich umbuschten
antiken Brunnen'? Ja wer dort nicht lieben lernt, wo alles
still heimliches Entzücken atmet, der lernt es niemals mehr!
Siemiradsky hat das aber mit einer Empfindung wieder-

gegeben, die unübertrefflich genannt werden muß und die
ihn als Stimmungsmaler ersten Ranges erweist, der hier
überdies ans einem Schatz von Erfahrung schöpfte, so
reich als der Brunnen, den er darstcllt. Denn so meister-
haft seine Landschaft dem Gegenstand angepaßt ist, so gut
sind es auch die drei Lauschenden. Küßt doch die vorderste,
die da unwillkürlich mit dein rechten Fuß den linken um-
schlingt förmlich mit, während die ziveite hinter ihr offenbar
bei diesem Anblick ganz in alte Erinnerungen wehmütig
verloren ist und nur die dritte, weit vorgebeugte, voller
Neid den Zeigefinger vorstreckende, verzweiflungsvoll zu
sagen scheint „jetzt küßt er sie schon wieder!" Man sieht
also, daß unser Maler die römischen Frauen
sehr gut. ja noch besser kennt als die grie-
chischen Männer, die er bei seiner „Phryne"
so verliebt darstellte.

Gelingt es sehr selten, daß ein Bild
schon durch die blosse Verteilung der Licht-
und Schattenmassen und die Gestalt ihrer
Silhouetten so mächtig und zwingend seinen
Gedanken und die es beherrschende Stim-
mung ausspricht als bei Wopfner's rasch be-
rühmt gewordenem „Ave Maria", so erklärt
das auch vollkommen den Erfolg. Ist es
doch eine ganz wunderbare Ruhe, die sich
über den von den letzten Strahlen der Abend-
sonne beleuchteten See breitet und die beim
Herüberschallen des Abendglöckchens von
Frauenchiemsee selbst den alten Schiffer mit
seiner Tochter zum Einhalten zwingt, wie
sie die beiden noch jungen und schönen
Nonnen still entsagend die Hände falten läßt.
Man kann die fromme Andacht, die hin-
gebende Erhebung der Seele zu Gott gewiß
nicht rührender und ergreifender aussprechen
als in diesem Bilde, wo alles ruht und
schweigt und dennoch voll mächtigen inneren
Lebens ist. Von allen unseren heutigen
Bildern wirkt trotz ihrer fraglosen Meister-
schaft keines auch uur entfernt so unmittel-
bar durch das Auge ans das Gemüt als
dieses und lehrt uns, daß Keuschheit, Rein-
heit und Hingebung an eine höhere Macht
noch ganz anders wirksame, freilich auch
seltenere Eigenschaften sind als sinnliche Glut
und Formenreiz. Die mächtigsten Eindrücke
in der Kunst sind eben immer auch die ein-
fachsten, hier ist Wopfner's Ave Maria wahr-
haft genial, obwohl schon Rüben vor ihm
dies Motiv erfand aber nicht zu solcher ein-
fachen Schönheit brachte. Der Künstler-
Hat das indes schon büßen müssen, da er
seit dieser ersten glänzenden Erfindung die-
selbe schon wenigstens ein Dntzendmal, wenn auch mit
allerhand Variationen wiederholen mußte und wahrschein-
lich sein Leben lang nicht mehr von ihr loskömmt. —
Zwischen der Unschuld der Kinder und jener der
Kälber besteht unläugbar eine gewisse Verwandtschaft und
Braith versteht es uns die letztere sogar noch einleucht-
ender zu machen als Piglhein die ihrer zweibeinigen
Konkurrenten. Freilich sind des Ersteren Zöglinge auch
schon weiter vorgerückt in ihrer Erziehung, ja man könnte
sie schon unter die Backfische rechnen, wenn diese liebens-
würdige Bezeichnung für die Rinder auch bereits adoptirt

Heimkekr. Von L. von Uhde.
 
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