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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Weihnachtsbücherschau
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Vom Herausgeber

(05


schalkhaft lebenslustigen Charakter des die „Fliegenden Blätter" tra-
genden Künstlerkreises, der auch hier die Illustration besorgte. Noch
amüsanter offenbart sich für nns Alte das freilich im „Lustigen
Sport" (2 Mk.) und im „Fliegenden Blatter-Kalender"
(1 Mk.), die großenteils aus dem Leib der „Fliegenden" herauS-
geschnitten, aber vielfach vermehrt, zu wahren Fundgruben lustiger
Weltanschauung geworden sind, die inan nicht genug empfehlen
kann. Tenn obwohl von guten Einfällen förmlich strotzend, fällt
es ihnen doch nie ein, schmutzig gemein oder boshast zu werden.
Sie geiseln die Schwächen der Zeit, gefallen sich aber nie darin,
die sittlichen Begriffe zu verwirren; das gute und edle lächerlich
zu machen. Wer das heutige deutsche Leben kennen lernen will,
muß darum zu diesen Büchern, wie zu den „Fliegenden Blättern"
greifen, es gibt für solche Kenntnis keine reichere und fröhlicher
sprudelnde Quelle.

Auch die „Münchner Bilderbogen" (43
Buch, Preis koloriert 4 Mk. 20 Pf., schwarz 2 Mk.

40 Pf.) bewähren noch immer ihre seit bald einem
halben Jahrhundert an unserer Jugend bewährte
Kraft während „Quack, Quack" (Preis 5 Mk.i von
Herbert und Bromberger die Frösche zur komischen
Darstellung ihres eigenenLebens ganz lustig benützte.

Hat nun unstreitig der große hochbegabte Künstler-
kreiS, der sich um die „Fliegenden" angesammelt,
allmählich eine Art von stilistischer Tradition her-
ausgebildet, die allen seinen einzelnen Schöpfungen
gar sehr zugute kömmt, so ist doch wenigstens ein
Teil derselben auch auf Lothar Meggendorfer's
„Humoristische Blätter" (Eßlingen, Schreiber)
übergegangen, wenn sie auch das Komische gar oft
zu sehr ins Groteske übertreiben. Durch die Aus-
führung vieler Bilder in Farbendruck, wie sie Meg-
gendorfer liebt, bekommen dieselben überdies eine un-
angenehme Körperlichkeit, die für das Bedürfnis
der Kinder recht gut, sür das der Erwachsenen aber
viel weniger paßt. Indes kann inan nicht verlau-
gen, daß ein Konkurrenz-Blatt das in einem Jahre
erreiche, wozu die „Fliegenden" sünfzig gebraucht:
sich zum Ausdruck des deutschen sozialen Lebens
aller Klassen unserer Nation zu machen Das kann
jedenfalls keinem Zweifel unterliegen, daß unsere
Humoristen an Gesundheit und Reichtum der Ge-
staltungskraft von denen keiner andern Nation Uber-
troffen werden.

Wir kommen nun zum Schluffe unserer schon
viel zu langen liebersicht, zu dem, was der Kunst-
betrieb an einzelnen Blättern uns vorgeführt und
wo neben der Photogravüre und Radierung der
Farbendruck diesmal einen ganz erheblichen Platz
einnimmt. So hat die Bruckmanu'sche Verlagsan-
stalt sür Kunst und Wissenschaft das berühmte Bild
des Rubens mit den einen Früchtenkranz (Preis
30 Mk.) schleppenden Kindern sogar recht glücklich
in einer direkt nach dem Bilde aufgenommenen
Photographie, der dann die einzelnen Farbentöne
blos anfgedruckl werden, herausgebracht, wodurch
die Zeichnung in all ihren Feinheiten keinen Schaden
leidet und doch eine ganz besriedigende Totalwirkung
erzielt wird. Aehnliches kann man auch von ganz
hübschen MädchenL i e ck s, Halbfiguren sagen, deren eine
das „ Moselblümchen" (12 M.), die andere ein Mäd-
chen „Bor dem Tanze" <12 Mk.) darstellt und
wo bei dieser Behandlung die malerische Wirkung
ganz überraschend erreicht wird. Selbst wenn das
Verfahren aus eine Radierung mit Geschick angewendel
wird, wie bei Knöfler's musizierendem Engel
nach Fiesole (Florenz, Schmidt 2 Mk.) kömmt immer
noch etwas ganz erträgliches dabei heraus. In deni
selben Berlage ist dann auch noch eine recht gute Photogravure
nach Sandro Botticellis Frühling (3 Mk.) in den Uffizien
und eine ebensolche nach And del Sarto's Johannes der
Täufer (3 Mk.) erschienen. Von der „Fotografischen Union",
München, sind dann recht gut Raupp's „Ave Maria" vom
Chiemsee und desselben Künstlers „Friede" (Preis je 15 Mk.),
also eine Mittags- und Abend-Jdhlle an dieser Perle aller deut-
schen Gebirgsseen wiedergegeben. Demselben Verlage gehört auch
die große Photogravüre oou des Florentiner Conti berühmtem
„L amten spiel er" (Preis 30 Mk.), jenem ebenso graziösen als
heiteren Bild, das die moderne italienische Kunst in ihrem besten
Lichte — als Verherrlichen» des alten Florenz — zeigt. Das

Die Runst für Alle VH.

ewig junge Bedürfnis nach hübschen Mädchen, gleichviel ob heute
im Bauernkittel, wie gestern im Seidenkleid, befriedigen dann Cal-
derons „Gloire de Dijon" oder seine anmutige „Stille
Fahrt" eines Liebespaares im Kahn und Czachorski's ebenfalls mit
den „eisten Rosen" (Preis ä 15 Mk) beschäftigte elegante Dame
in Samt und Seide. Sinnlich zärtlichen Gemütern gefällt dann auch
vielleicht Martens „Liebestraum" von Löwenstam, sehr duftig
radiert (Preis 18 Mk.) — alles Verlagsblätter der „Fotografischen
Union", die für den Zimmerschmuck gefühlvoller Damen oder auch
Herren sehr wohl berechnet sind. Leistet hier überall die Photo-
gravüre bequeme Dienste, so ist doch nicht zu leugnen, daß die-
selbe mehr und mehr zur Erreichung einer kalten leblosen Glätte
benutzt wird. Eigentlich künstlerische Anforderungen sucht dann
Unger's Radierung der einstigen Geliebten Beethoveu's, der Gräfin

Brunsvick, leider nach einem recht fad antikisierenden Bilde
Lampi's — zu befriedigen (Verlag des Beethoven-Hauses in Bonn,
Kom.-Verlag der Slrauß'schen Buchhandlung. Preis 36, 18 und
9 Mark. Ein von Carel L. Take radiertes übrigens ganz vor-
treffliches Bildnis des großen Meisters veröffentlichen Dietrich
L Co. in Brüssel. Preis 160, 100, 32 und 20 Mk)

Von den mehr oder weniger wertvollen Produkten des Kunst-
handels weg, freuen wir uns, den Beschluß mit zwei Erzeugnissen
der Radiernadel von hervorragendem Wert machen zu können:
Kohnert's „märkischer See im Morgenneb el" und ein eben-
solcher in später Ab endstimmung (Preise jeder Radierung 120,
80 u. 2o Mk.). Besonders der letztere ist mit einer durchaus originellen

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Fairtalien Von Franz Simm

sscobeill. „Aus Münchner Ateliers", verlagsanüalt für Aunst und Wissenschaft vormals
Friedrich Bruckmann in München
 
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