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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Glücksmann, Heinrich: Die ungarische Kunst der Gegenwart, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0179

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von Heinrich Glücksmann

l-r


modernen Malerei, Jugendwerke von Nikolaus von Bar abäs, dem greisen Nestor der ungarischen Maler,
welche schon durch die Heiterkeit ihrer Stoffe anmuten, wenn sie gleich in ihrer Harm- und Charakterlosigkeit
ein tieferes Interesse nicht zu erregen vermögen. Sie zeugen nur von der Neigung des ungarischen Volks-
geistes zum Licht, zur Lust des Lebens, und diese Neigung prägte sich auch in den Werken aus der ersten
Schaffensperiode Michael von Munkäcsys klar und unverkennbar aus. Mit lustigen Tschardenszenen, mit
lachenden Mädchengesichtern, mit tanzenden und die Mützen schwenkenden Burschen waren die Skizzenbücher
des jungen Malers gestillt, als er nach Budapest kam, und „Mutterglück", das lärmende Treiben beim Ent-
kernen der Kukuruzstauden, die fröhliche Sitte des Osternspritzens, die Brautwerbung und die Einladung zur
Hochzeit, das waren die Motive seiner ersten in Pest, Wien und München gemalten Bilder. Auch in Düssel-
dorf, in Knaus' Atelier, beherrschten ein paar Wochen durch noch Humor und Heiterkeit das Gemüt des

Gaukler, von F. Lisenhnt

Künstlers, und ein köstliches Bildchen aus dem Leben und Leiden des Schusterjungen erstand auf seiner
Staffelei. Mit einem Male war aus Munkäcsy ein ernster Mann geworden, der sich seine Gedanken machte
über den bitteren Ernst dieses Lebens, so reich an Leid, so arm an Lust und so selten wert, gelebt und
dnrchlitten zu werden. Die düstersten Kapitel aus dem Buche des Menschenelends schlug er auf und versenkte
sich darin. Dann malte er das Bild, welches ihn mit einem Schlage zum berühmten Manne machte, welches
durch die goldene Medaille des „Salons" zu seinem Adelsbriefe für die Kunstwelt erhoben wurde: „Der
letzte Tag eines zum Tode Verurteilten", ein Kolossalroman in einem Bilde, ein Bild von merkwürdiger
epischer Kraft. Dem armen Jungen, der in Düsseldorf nicht selten gehungert, um sich Farben kaufen zu
können, ihm strömte nun das Gold zu, seine Arbeiten wurden gesucht und teuer bezahlt, allein Ruhm und
Geld zauberten die verlorene Heiterkeit auf seine Palette nicht zurück. In kleineren Bildern verdolmetschte er
die Not der Witwen und Waisen, des an einen Trunkenbold verehelichten Weibes; vielgestaltig tritt uns die
Entbehrung in dem großem Gemälde „Das Versatzamt" entgegen, und die großen Höllengeschenke der Mensch-
heit, Verbrechen und Krieg, sie dienen den Bildern „Vagabunden" und „Charpiezupfen" zum idealen Hinter-
gründe. Damit scheint nun Munkäcsy dem Ernst des Lebens seinen Tribut gezollt zu haben. Er wählte
wieder sonnigere, erquicklichere Stoffe, seit er mit dem in der Pester Mnsenms-Galerie befindlichen Rekrutenbilde
den Übergang aus der Poesie des Elends in die Poesie der Lebenslust gefunden hatte, zu der sich die vom

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