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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Adelung, Sophie von: Maria Stuart, [3]: eine Atelier-Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0206

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Maria Stuart. Eine Atelierstudie von S. v. Adelung

iS?

wagen zu dürfen. Zudem hatte ich in letzter Zeit Ge-
legenheit gehabt, Richters allerlei kleine Dienste zu leisten.
Es ist wahr, ich näherte mich der Tochter nie ohne Scheu,
denn sie hatte etwas in ihrem Wesen, das mich stets ab-
stieß, so sehr mich auch ihre Schönheit fesselte.

Ich brannte vor Begierde, mein jetzt so faules Leben
aufzugeben, um mein Werk zu beginnen und betrat daher
am nächsten Abend hochklopfenden Herzens die Richter-
schen Gesellschaftsräume.

Es sollte nach dem Souper getanzt werden und ich
bat die Tochter des Hauses um den Kotillon. Fast
schien es mir, als habe sie ihn mir aufgehoben, so bereit-
willig sagte sie zu.

„Aber ich muß Ihnen gleich gestehen, daß ich ein
sehr ungeschickter Tänzer bin, gnädiges Fräulein," begann
ich schüchtern.

„Thut nichts — dann können wir ihn ja absitzen,"
sagte sie.

„Vortrefflich!" dachte ich, während ich mich tief ver-
neigte, „diesmal entgeht sie mir nicht. Mut, blöder Hans,
es gilt vielleicht deine ganze Künstlerzukunft."

Nun spielt bereits der erste lustige Walzer des
Kotillons. Die Herren haben ihre Damen auf die von
ihnen mühsam eroberten Plätze geführt.

„Fräulein Richter.. . .," fange ich schüchtern an.
„Ja?"

„Mein Herr, darf ich Ihre Dame um eine Extra-
tour bitten?" und ein flotter Offizier entschwebt mit
meiner Maria Stuart.

Zwei Minuten später:

„Fräulein Richter, ich habe schon längst etwas auf
dem Herzen — fand aber nie den Mut, es Ihnen zu
sagen."

Maria Stuart ist etwas atemlos vom tanzen, die
duftigen Tüllwogen an ihrem Halsausschnitt heben und
senken sich rasch, immer rascher.

„Ja?" sagt sie bloß, ebenso wie vorher, und spielt
mit ihrem Fächer, ohne die Augen aufzuschlagen.

„Fräulein Richter, ich habe eine große, sehr große
Bitte an Sie — werden Sie mir denn auch —"

„Gestatten Sie mir, mit Ihrer Dame eine Extra-
tour zu tanzen?"

Diesmal ist es ein junger Attache, der wie eine
Schwalbe aussieht: breiter weißer Brustlatz und schwarze
Flügelenden.

Wieder zwei Minuten später:

„Jetzt müssen Sie mich anhören und mir eine Ant-
wort geben!" rufe ich verzweiflungsvoll aus. „Wenn Sie
wüßten, was Ihre Antwort für mich bedeutet! Meine
ganze Zukunft hängt davon ab."

„Darf ich um eine Extratour bitten?"

Aber diesmal halte ich sie durch meinen Blick ge-
bannt. — „Um Gotteswillen! so geben Sie mir doch nur
^ einen einzigen Hoffnungsschimmer," flehe ich.

Sie ist schon aufgestanden, um den milchweißen Arm
auf den Ärmel ihres Tänzers zu legen. Im Vorübergehen
streift eine rosa Tüllwoge mein Knie und dann beugt sie
sich rasch nieder und flüstert mir ins Ohr: „Reden Sie
mit Papa — ich — ich — nun, ich bin einverstanden."

Und fort ist sie, während alles, das Zimmer, der

(Die Fortsetzung

Kronleuchter und die Paare in einem wirbelnden, sinn-
verdrehenden Tanz um mich herum kreisen.

Hans, blöder Hans, was halt du angerichtet? ....

Am nächsten Tage war ich verlobt. Was blieb mir
auch zu thun übrig? Die Eltern der Braut kamen mir
so liebenswürdig entgegen, die ganze Verwandtschaft gratu-
lierte mir so herzlich — es war zum wahnsinnig werden.
Wie hießen doch des Onkels Worte: „Drei Dinge darf
ein richtiger Maler nicht haben: Geld, einen alten Namen
und — eine Frau." Ich war auf dem besten Wege,
mir nun auch dieses letzte anzuschaffen! Wie oft hatte
ich von ihr geträumt, die ich in etwa zehn, zwölf Jahren
zu suchen gedachte: ein Mädchen mit großen blauen Augen
und stillem, sanftem Wesen; ob aus vornehmer Familie
oder nicht, darauf sah ich nicht, wenn sie nur
direkt aus der Hand des lieben Gottes herkam: sie sollte
wahr sein und bescheiden und arm, damit ich sie nach
Herzenslust mit Liebe und Reichtum überschütten könnte. —

Wahrhaftig, ein Modell war noch nie so teuer be-
zahlt worden!

Eine wahre Wut der Verzweiflung überkam mich;
mein Glück hatte ich verkauft, aber das Eine wollte ich
wenigstens dafür: ein Bild malen, wie ich es noch nie ge-
malt und all meinen Schmerz und Grimm hineinarbeiten.
Noch nie hatte ich mit so leidenschaftlicher Sehnsucht an
meiner Kunst gehangen; sie war meine wahre Geliebte —
und ich ein Thor.

An den Onkel schrieb ich einige Zeilen, um ihm
meine Verlobung anzuzeigen und er erwiderte ganz in
dem Stile, wie ich es erwartete.

Wölkow wollte sich zuerst totlachen, als ich ihm das
Ereignis mitteilte, aber als er sah, wie nahe es mir ging,
wurde er ernst.

„Du bist ein sonderbarer Kauz," sagte er, „jeder
andere wäre an deiner Stelle „krottesroh", wie Ihr
Schwaben sagt. Allein du hast recht, es ist eine fatale
Situation, wenn dir am Mädchen nichts liegt . . . gibt
es denn keinen Ausweg?"

„Keinen," sagte ich tonlos, „ich kann nicht als Ehr-
loser handeln."

„Aber das Mädchen ist doch verteufelt hübsch! Könn-
test du dich nicht in sie verlieben, wenn du dir ein
bischen Mühe gibst?"

„Unmöglich, mein Freund, so gut dein Rat auch
klingt. Über das Herz läßt sich nun einmal nicht gebieten.
Lassen wir das und verhilf mir lieber mit deinem guten
Rat zum Kostüm: übermorgen sitzt sie mir zum erstenmal."

Stephanie hatte endlich eingewilligt, sich von mir
malen zu lassen. „Aber warum in einem solch dummen,
langweiligen Anzug?" hatte sie gesagt, „malen Sie mich
doch lieber in dem Cremekleid mit Rosen oder dem hell-
pfirsichfarbenen." Ich biß die Zähne vor Ingrimm zu-
sammen und doch — war ihr Verlangen nicht natürlich?
Ich beharrte auf meinem Wunsch und sie gab nach. „Aber
später malen Sie mich im Ballkleide," schmeichelte sie,
„oder noch lieber, sie geben die langweilige Malerei ganz
auf — Sie brauchen ja nicht zu arbeiten."

Die langweilige Malerei — o Gott! so sprach die-
jenige, welche Leid und Freud des Lebens mit mir teilen
wollte.

im nächsten Hefte)
 
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